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03.04.2017
Transfer Pricing

FG Münster: Darlehensvergabe im Konzernverbund – Praxisimplikationen für den Steuerpflichtigen

 Das FG Münster hat kürzlich über bedeutsame Aspekte für die Verrechnungspreispraxis geurteilt. Dies betrifft insbesondere eine extensive Auslegung des Umfangs der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen sowie eine Ablehnung von in der Praxis häufig verwendeten Kreditratings auf stand-alone Basis.

Sachverhalt

Das Urteil des FG Münster vom 07.12.2016 betrifft die Fremdüblichkeit von Zinsen für ein konzerninternes Darlehen, das eine niederländische Schwestergesellschaft an eine verbundene deutsche Gesellschaft ausgereicht hatte. In diesem Urteil spricht das FG etliche Verrechnungspreisfragen an, die für die Praxis von hoher Bedeutung sind.

Dies betrifft insbesondere:

  • den Umfang der Mitwirkungspflichten (im Speziellen der erhöhten Mitwirkungspflicht für Auslandssachverhalte i.S.d. § 90 Abs. 2 AO), deren Verletzung zu einer Schätzbefugnis der Finanzverwaltung führt,
  • die Maßgeblichkeit der OECD-Richtlinien für die Auswahl der Verrechnungspreismethode,
  • die Auswahl der geeigneten Verrechnungspreismethode für konzerninterne Darlehensgewährungen und
  • Erwägungen hinsichtlich der Durchführung der Preisvergleichsmethode für den Nachweis der Fremdüblichkeit bei konzerninternen Darlehen.

Der Klage voraus ging die Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung seitens der Betriebsprüfung. Die dadurch eingetretene Doppelbesteuerung war zunächst Gegenstand eines deutsch-niederländischen Verständigungsverfahrens, mit dessen Ergebnis die Steuerpflichtige sich nicht einverstanden zeigte und Klage erhob. Das FG Münster erkannte in seinem Urteil eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach an und folgte der Finanzverwaltung zudem hinsichtlich der Methodenwahl. Wenn auch mit einer abweichenden Begründung hielt das FG Münster ebenso wie die Finanzverwaltung die Kostenaufschlagsmethode für die geeignetere Methode (s. Deloitte Tax-News).

Die Steuerpflichtige hat inzwischen Revision gegen das Urteil eingelegt. Die höchstrichterliche Entscheidung ist mit Spannung zu erwarten, da das Urteil eine Fülle an praxisrelevanten Fragen berührt, die häufig Spannungsfelder in Betriebsprüfungen darstellen.

Extensive Auslegung der Mitwirkungspflichten durch das FG führt zur Schätzbefugnis der Finanzverwaltung

 Die Steuerpflichtige hatte für ihre konzerninterne und grenzüberschreitende Darlehensaufnahme eine Verrechnungspreisdokumentation gemäß § 90 Abs. 3 AO erstellt und somit ihre diesbezüglichen Mitwirkungspflichten erfüllt. Die rechtzeitige Vorlage einer verwertbaren Dokumentation schützt den Steuerpflichtigen nicht nur vor Strafzuschlägen nach § 162 Abs. 4 AO, sondern bewirkt auch, dass die Finanzverwaltung nicht zur Schätzung nach § 162 Abs. 3 AO befugt ist. Bei einer derartigen Schätzung dürfte die Finanzverwaltung mögliche Ermessensspielräume zu Lasten des Steuerpflichtigen ausnutzen.

Dreh- und Angelpunkt im Urteil des FG Münster war jedoch die vorgelagerte Frage, ob die Steuerpflichtige ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO erfüllt hatte. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht. So ist ein wichtiger Aspekt der erhöhten Mitwirkungspflicht neben der Beschaffung von Beweismitteln unter Ausschöpfung aller rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, die Verpflichtung zur Beweisvorsorge. So kann ein Beteiligter sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können (vgl. § 90 Abs. 2 S. 4 AO bzw. Satz 3 in der damaligen Fassung der Norm).

Das FG Münster übernimmt im zugrundeliegenden Sachverhalt die extensive Auslegung der Anforderung zur Beschaffung oder Einräumung von Beweismitteln durch die Finanzverwaltung. Konkret ging es um die Frage, ob es sich bei den an die deutsche Gesellschaft ausgereichten Darlehen um Durchleitungskredite handelt und wie die Refinanzierungskosten der niederländischen Finanzierungsgesellschaft aussehen. Danach kann sich die deutsche Gesellschaft nicht erfolgreich darauf berufen, dass sie die Refinanzierungskosten der niederländischen Schwestergesellschaft nicht kennt und auch keine rechtliche Handhabe hat, sich diese zu beschaffen. Sie hätte sich diese Informationen – so die Ansicht der Finanzverwaltung, der sich das FG Münster nun anschloss – bei Eingehen der Geschäftsbeziehung beschaffen müssen. Mangels Unterlassen einer derartigen Beweisvorsorge sei somit die Finanzverwaltung zur Schätzung befugt gewesen.

Es wäre bedauernswert, wenn auch der BFH als Revisionsinstanz dieser Auffassung folgte. Eine solche Sichtweise würde bedeuten, dass sich in Zukunft die Steuerpflichtigen über alle relevanten Umstände ihrer konzerninternen Transaktionen bei Eingehen dieser Geschäftsbeziehung umfangreiche Zugriffsrechte auf Informationen sichern müssten, die im Herrschaftsbereich der verbundenen Unternehmen liegen, bzw. müsste sich eine deutsche Gesellschaft diese Informationen vorab zukommen lassen. Eine solche extensive Auslegung, die im Endeffekt zu einer ausufernden Mitwirkungspflicht führen würde, überzeugt nicht. Der BFH sollte vielmehr den Blick auf die gesetzliche Bestimmung „nach Lage des Falls“ richten. Diese Formulierung kann nichts anderes bedeuten, als dass sich die Steuerpflichtige fragen sollte, welchen Informationsumfang sich ein Darlehensnehmer unter gewöhnlichen Umständen bei Darlehensabschluss zwischen fremden Dritten sichern würde. Der Sichtweise des FG zu folgen, hieße nichts anderes, als dass ein fremder Dritter bei Aufnahme eines Bankdarlehens die Refinanzierungsbedingungen der Bank erfragen sollte. Dies erscheint lebensfremd.

Es bleibt zu hoffen, dass der BFH hier den Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen wieder klar konturierte Grenzen setzt.

Die Preisvergleichsmethode als Methode erster Wahl bei konzerninternen Darlehen

 Gängige Praxis für die Bestimmung fremdüblicher Darlehenszinssätze ist die Anwendung der Preisvergleichsmethode. Der gängige Weg hierzu ist in einem ersten Schritt die Durchführung einer Kreditwürdigkeitsanalyse mittels eines Ratingstools einer anerkannten Ratingagentur, die in der Ermittlung eines Kreditratings für die kreditnehmende Gesellschaft mündet. Diese Vorgehensweise stellt die Vorgehensweise von Banken nach, die die Kreditwürdigkeit von potenziellen Darlehensnehmern über eigene Modelle oder öffentlich zugängliche Kreditratings, wie z.B. von Standard & Poor’s, Moodys oder Fitch, ermitteln. In einem zweiten Schritt werden dann weitere, zinsrelevante Faktoren mitberücksichtigt, die über das Ausfallrisiko hinausgehen (z.B. Währung, Darlehenssumme, Zeitpunkt der Darlehensvergabe) und in Datenbanken (z.B. Bloomberg) nach vergleichbaren Unternehmensanleihen gesucht. Dies hatte die Steuerpflichtige im Urteilsfall durchgeführt.

Das FG Münster hatte jedoch das Ergebnis der Kreditwürdigkeitsanalyse mit dem Hinweis abgelehnt, dass die angewandten Algorithmen, die zu der Bestimmung eines Kreditratings führen, von den großen Ratingagenturen nicht offengelegt sind und sich damit einer Überprüfung durch das Gericht entziehen. Damit seien sie für steuerliche Zwecke nicht anwendbar.

In dieser Hinsicht ist anzumerken, dass es nicht darauf ankommt, ob eine bestimmte Vorgehensweise in allen Facetten nachprüfbar ist, sondern ob diese Vorgehensweise auch unter fremden Dritten Anwendung fände. Hierzu ist festzustellen, dass auch fremde dritte Marktteilnehmer auf die – natürlicherweise – nicht offengelegten Algorithmen vertrauen, die das Geschäftsgeheimnis der Ratingagenturen ausmachen. Damit sind diese gerade als marktüblicher Referenzpunkt ein idealer Bezugspunkt für die Angemessenheitsanalyse der Verrechnungspreise.

Es bleibt zu hoffen, dass der BFH in diesem Zusammenhang klarstellt, dass die Ermittlung von stand-alone Kreditratings auf der Basis von Ratingtools für Verrechnungspreiszwecke weiterhin angewandt werden kann, auch ohne Offenlegung der zugrunde liegenden Algorithmen. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung verbleibt für die Steuerpflichtigen eine gewisse Unsicherheit bei der Anwendung der Preisvergleichsmethode für Darlehenszinsen.

Funktions- und Risikoanalyse ist entscheidend für die Auswahl einer geeigneten Verrechnungspreismethode

 Die Finanzverwaltung vermutete, dass die niederländische Finanzierungsgesellschaft Darlehen lediglich weiterreichte und nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Vermittlungsleistung erbringt. Daher sollte nach Auffassung der Finanzverwaltung die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung kommen, die für eine solche Vermittlungsdienstleistung, die nur mit geringen Risiken behaftet ist, am besten geeignet sei.

Die vorgenommene Klassifizierung der niederländischen Gesellschaft durch die deutsche Finanzverwaltung zeigt auf, welche Bedeutung einer sorgfältigen Analyse der ausgeübten Funktionen, der übernommenen Risiken und der eingesetzten wesentlichen (immateriellen) Wirtschaftsgüter zukommt. Das transaktionsbezogene Funktions- und Risikoprofil ist wesentlich für die Bestimmung einer geeigneten Verrechnungspreismethode.

Selbst wenn die Finanzierungsgesellschaft die Darlehen nur durchgereicht hätte (wofür klare Beweise fehlen), wäre dies mit einer angenommenen Vermittlungsleistung nicht gleichzusetzen gewesen. Vielmehr hat die niederländische Gesellschaft – unstreitig – wesentliche Funktionen und insbesondere Risiken, wie etwa das Kreditausfallrisiko und das Refinanzierungsrisiko, getragen.

Hier lohnt auch ein Blick in die Verwaltungsgrundsätze 1983. Die Tätigkeit eines Agenten oder Kommissionärs bedingt (ausschließlich) einen Provisionsanspruch. Gerade wenn aber das verbundene Unternehmen wie ein Kreditgeber handelt, d.h. Darlehen unter Einsatz einer eigenen angemessenen Kapitalausstattung gewährt, Fristen- und Losgrößentransformation übernimmt und Kreditausfallrisiken trägt, so dann ist der fremdübliche Zins anhand des Geld- und Kapitalmarkts zu bemessen (vgl. Tz. 4.3.3 lit. b).

Eine sorgfältig erstellte Funktions- und Risikoanalyse dient dem Steuerpflichtigen daher einerseits zur eigenen Prüfung der Angemessenheit der Verrechnungspreise, kann aber auch erheblich zur Minderung potenzieller Betriebsprüfungsrisiken beitragen.

Maßgeblichkeit der OECD-Leitlinien für die Auswahl der Verrechnungspreismethode

 Der Steuerpflichtige im FG Münster Urteil begründete die Auswahl der Preisvergleichsmethode auch damit, dass nach den OECD-Verrechnungspreisleitlinien der Preisvergleichsmethode der Vorrang zu gewähren wäre. Das FG Münster ist der Ansicht, dass diese Leitlinien für die deutsche Finanzgerichtsbarkeit unbeachtlich sind, da sie kein Recht darstellen.

Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien sind zwar weder national noch international bindendes Recht, aber dienen weltweit als Basis für die fremdübliche Bewertung von Konzerntransaktionen mit Auslandsbezug und die Vermeidung von Doppelbesteuerung.

Das FG Münster verkennt dabei die besondere Bedeutung der international anerkannten Verrechnungspreisleitlinien. Diese sind ein hilfreiches Instrument für die grenzübergreifende, einheitliche Auslegung und Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Sie stellen für die Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen oder seinen Berater, als auch für die Verrechnungspreisüberprüfung durch die Finanzverwaltung, ein elementares Basiswerk dar, welches auch im Art. 9 Abs. 1 OECD-MA verankert ist.

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