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13.10.2014
Transfer Pricing

Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV): Zustimmung Bundesrat

Anwendungsregelungen zur Umsetzung des Authorised OECD Approach
Am 28.08.2014 hatte die Bundesregierung die finale Fassung der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) an den Bundesrat weitergeleitet, der der Verordnung nun in seiner Sitzung am 10.10. 2014 zugestimmt hat. Die BsGaV füllt die Ermächtigungsnorm des § 1 Abs. 6 AStG aus und enthält eine Reihe von sehr detaillierten Regelungen zur Umsetzung des Authorised OECD Approach (AOA), der im vergangenen Jahr in das deutsche Außensteuergesetz eingeführt worden ist.

Kerngedanke des AOA ist die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für steuerliche Zwecke und damit die konsequente Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auch im Innenverhältnis des Einheitsunternehmens. Größtenteils folgt Deutschland den Vorschlägen des OECD-Betriebsstättenberichts aus dem Jahr 2010, geht aber detaillierter auf einzelne Tatbestände ein. Dies gilt insbesondere für die Vorschriften zur Bestimmung des Dotationskapitals, die vom OECD-Standard abweichenden widerlegbaren Vermutungen, die die BsGaV aufstellt, sowie für die Sonderregelungen für Bau-, Montage- und Förderbetriebsstätten.

Vergleich zur Entwurfsfassung vom 5. August 2013

Im Vergleich zu der Entwurfsfassung vom 5. August 2013 ist das Bundesfinanzministerium der Finanzen (BMF) an einigen Stellen der Industrie entgegen gekommen. Als positiv sind u.a. die folgenden Veränderungen am Entwurf anzusehen:

  • Zuordnung von Personalfunktion zu einer Betriebsstätte auch bei Personalüberlassung möglich (§ 2 Abs. 4 Satz 2 BsGaV)
  • Klarstellung, dass es zu keiner zeitnahen Dokumentationspflicht für die grenzüberschreitende Betriebsstättengewinnaufteilung kommt (§ 3 Abs. 3 BsGaV)
  • Nichtzuordnung von nur äußerst kurzfristig ausgeübten Personalfunktionen (d.h. unter 30 Tagen) zu der Betriebsstätte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 BsGaV)
  • Erleichterungen bei der Zuordnung von Sicherungsgeschäften beim Makro-Hedging (§ 11 Abs. 2 BsGaV)
  • Vermeidung einer rückwirkenden Anwendung der Neuregelungen (§ 40 BsGaV), die nun für alle Wirtschaftsjahre gelten, die nach dem 31. Dezember 2014 beginnen.

An anderen Stellen hat das BMF die einhellige Kritik der Verbände und Literatur dagegen ignoriert. Dies betrifft insbesondere:

  • Die grundsätzliche Differenzierung zwischen Inlands- und Auslandsbetriebsstätten, die im EU-Kontext äußerst fragwürdig erscheint. Besonders deutlich wird dies bei der asymmetrischen Vorgehensweise zur Bestimmung des Dotationskapitals für Industrieunternehmen (§§ 12, 13 BsGaV), Banken und Versicherungen (§§ 20, 21 und 25, 26 BsGaV).
  • Die Kürzung der direkt zuordenbaren übrigen Passivposten (§ 14 Abs. 2 BsGaV)
  • Das Festhalten an der Zuordnung von Versicherungsverträgen bei Vorhandensein eines Hauptbevollmächtigten (§ 24 Abs. 5 BsGaV), auch wenn diese Regelung abgeschwächt worden ist.

Zweistufiger Ansatz zur Gewinnaufteilung

Im Einklang mit dem OECD-Betriebsstättenbericht ist für die Gewinnaufteilung eine zweistufige Vorgehensweise vorgeschrieben (§ 1 Abs. 5 Satz 3 AStG, § 1 BsGaV).

Zunächst sind anhand der vor Ort tätigen Personen die Funktionen zu bestimmen, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind (Personalfunktionen). Im nächsten Zug werden die mit den ausgeübten Funktionen verbundenen Vermögenswerte und die übernommenen Risiken den einzelnen Teilen des Einheitsunternehmens zugeordnet. Schließlich ist der Betriebsstätte das für die Ausübung der Funktionen und für die Übernahme der Risiken notwendige Eigenkapital zuzuordnen.

Auf der Basis dieser Zuordnung erfolgt dann auf der zweiten Stufe die Bestimmung der Art der Geschäftsbeziehung sowie die Ermittlung der fremdüblichen Vergütung derselben. Hierfür sollen die Aus-führungen der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze analoge Anwendung finden.

Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV)

Für die Betriebsstätte ist zum Beginn eines Wirtschaftsjahres eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen, während des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahres abzuschließen. Diese umfasst die zuzuordnenden bilanzierungsfähigen Vermögenswerte, das Dotationskapital sowie die übrigen Passivposten. In der Hilfs- und Nebenrechnung sind auch die fiktiven Betriebseinnahmen und –ausgaben anzugeben, die aufgrund von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen entstehen.

Die Hilfs- und Nebenrechnung ist bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung zu erstellen. Um nicht über die Hintertür eine zeitnahe Dokumentationspflicht in Betriebsstättenfällen einzuführen, stellt § 3 Abs. 3 klar, dass die Gründe für die Zuordnungsentscheidungen und anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen erst im Rahmen der Erstellung der Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 Satz 4 AO darzulegen sind. Allerdings ist dem Steuerpflichtigen zu empfehlen, die Gründe für die Zuordnung der Vermögenswerte bei der Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung in geeigneter Weise festzuhalten, um eine Konsistenz der steuerbilanziellen Zuordnung mit der später ggf. zu erstellenden Verrechnungspreisdokumentation zu gewährleisten.

Zuordnung von Vermögenswerten (§§ 5 – 11 BsGaV)

Die BsGaV hat das Ziel eine eindeutige Zuordnung der Vermögenswerte zwischen Stammhaus und Betriebsstätte herzustellen. Grob gesprochen ist die Zuordnung wie folgt vorzunehmen:

  • Materielle Wirtschaftsgüter: Nutzung (§ 5 BsGaV)
  • Immaterielle Werte: Erwerb/Schaffung (§ 6 BsGaV)
  • Beteiligungen/Finanzanlagen: Funktioneller Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit (§ 7 BsGaV)
  • Sonstige Vermögenswerte: Erwerb/Schaffung (§ 8 BsGaV)
  • Geschäftsvorfälle des Unternehmens: Zustandekommen des Geschäftsvorfalls (§ 9 BsGaV)
  • Chancen und Risiken teilen das Schicksal des dazugehörigen Vermögenswertes (§ 10 BsGaV)
  • Sicherungsgeschäfte teilen das Schicksal des zu besichernden Vermögenswertes (§ 11 BsGaV)

In Bezug auf alle Vermögenswerte ermöglichen Öffnungsklauseln die Zuordnung der Vermögenswerte zu anderen Personalfunktionen, falls diesen eine größere Bedeutung zukommt. Eine anteilige Zuordnung ist generell nicht vorgesehen und nur im Ausnahmefall für immaterielle Werte möglich (§ 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV). Die Möglichkeit einer anteiligen Zuordnung erscheint jedoch im Lichte der nationalen Regelungen zu Wirtschaftsgütern als auch im Lichte der Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes fragwürdig.

Bestimmung des Dotationskapitals (§§ 12, 13 BsGaV) und Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen (§ 15 BsGaV)

In Bezug auf die Bestimmung des Dotationskapitals hält die Finanzverwaltung an der asymmetrischen Vorgehensweise fest. Danach ist für inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen vorrangig die Kapitalaufteilungsmethode anzuwenden, während für ausländische Betriebsstätten inländischer Unternehmen die Mindestkapitalausstattungsmethode als Regelmethode eingeführt wird. Diese profiskalisch orientierte Vorgehensweise widerspricht dem OECD-Betriebsstättenbericht. So ist eine Doppelbesteuerung vorprogrammiert.

Nach Bestimmung des Dotationskapitals sind die übrigen Passivposten und die damit zusammenhängenden Finanzierungsaufwendungen – vorzugsweise direkt – der Betriebsstätte zuzuordnen bis die Bilanz der Betriebsstätte ausgeglichen ist. Gegebenenfalls sind die direkt zuordnungsfähigen Passivposten anteilig zu kürzen.

Anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen (§§ 16, 17 BsGaV)

Gemäß AOA sind zukünftig auch interne Leistungsbeziehungen (sog. dealings) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte oder zwischen Schwesterbetriebsstätten desselben Unternehmens als „anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“ im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG fremdüblich zu vergüten. Dies betrifft zum einen notwendige Zuordnungsänderungen von Vermögenswerten (z.B. die Überführung von Vermögenswerten) und zum anderen wirtschaftliche Vorgänge, die unter fremden Dritten schuldrechtlich vereinbart worden wären (z.B. Dienstleistungserbringung).

Eine innerbetriebliche Darlehensbeziehung ist dagegen ausgeschlossen, es sei denn überschüssige finanzielle Mittel, die im Laufe eines Wirtschaftsjahres bei einer Betriebsstätte entstehen, werden nachweislich vom übrigen Unternehmen bis zum Ablauf dieses Wirtschaftsjahres genutzt (§ 16 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BsGaV).

Generell werden Finanzierungsbetriebsstätten, d.h. Betriebsstätten, die die Liquiditätssteuerung im Einheitsunternehmen ausüben, als Routinedienstleister aufgefasst. Diese Tätigkeit ist mittels einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode zu vergüten (§ 17 Abs. 2 Satz 2 BsGaV).

Sonderregelungen für Betriebsstätten von Banken, Versicherungen, und Bau- und Montageunternehmen

Die BsGaV enthält eigene Abschnitte für Betriebsstätten von Banken, Versicherungen, Bau- und Montageunternehmen sowie für Förderbetriebsstätten von Bergbau-, Erdöl- und Erdgasunternehmen, die auf die Besonderheiten dieser Industrien eingehen.

a) Banken und Versicherungen

Der Finanzdienstleistungssektor ist stark reguliert. Daher hat die internationale Gewinnaufteilung für Banken und Versicherungen auch aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu berücksichtigen. Da die Risikoübernahme das zentrale Geschäftsfeld von Banken (Kreditrisiken) und Versicherungen (Versicherungsrisiken) ist, ordnet der OECD-Betriebsstättenbericht die Kredit- bzw. Versicherungsverträge der sogenannten KERT-Funktion (key entrepreneurial risk-taking function) zu.

Diese Denkweise übernimmt die BsGaV und definiert als unternehmerische Risikoübernahmefunktion bei Banken die Funktion, die für die Entstehung des Kreditvertrags verantwortlich ist (§ 19 BsGaV). Bei Versicherungsunternehmen stellt der Zeichnungsprozess (underwriting) die unternehmerische Risikoübernahmefunktion dar (§ 24 BsGaV).

Die Zuordnung der Kredit- und Versicherungsverträge entscheidet auch über die Zuordnung der damit verbundenen Risiken, die mit ausreichend Kapital zu unterlegen sind. Das Gesamtkapital ausländischer Banken und Versicherungen ist mittels der risikogewichteten Positionsbeträge (Banken) bzw. der versicherungstechnischen Rückstellungen (Versicherungen) auf die inländische Betriebsstätte, entsprechend der Kapitalaufteilungsmethode, zu bestimmen. Wie bei Industrieunternehmen schreibt die BsGaV für ausländische Betriebsstätten inländischer Banken und Versicherungen die Mindestkapitalausstattungsmethode vor, für die die inländische Bank bzw. Versicherung die Nachweislast trägt.

In Bezug auf Versicherungsunternehmen wird die Möglichkeit einer interne Rückversicherung ausgeschlossen (§ 28 BsGaV).

b) Bau-, Montage- und Förderbetriebsstätten

Im Falle von Bau- und Montageunternehmen fingiert die BsGaV eine Dienstleistungsbeziehung zwischen Bau- und Montagebetriebsstätte und dem übrigen Unternehmen, die nach einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode zu entgelten ist. Wenn die Bau- und Montagebetriebsstätte über die Nutzung hinaus keine Personalfunktionen für die eingesetzten materiellen Wirtschaftsgüter ausübt, gelten diese als zum übrigen Unternehmen gehörig und der Betriebsstätte unentgeltlich beigestellt. Die Bau- und Montagebetriebsstätte wird somit einem Lohnfertiger gleichgestellt.

Sofern die Bau- und Montagebetriebsstätte Tätigkeiten ausübt, die über reine Routinetätigkeit hinausgehen, ist die Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode vorgeschrieben, wobei Kosten als Aufteilungsmaßstab dienen sollen (§ 33 BsGaV).

Die Regelungen für Förderbetriebsstätten lehnen sich eng an die Regelungen für Bau- und Montagebetriebsstätten an (§§ 35 – 38 BsGaV).

Anwendungszeitpunkt

Die speziellen Regelungen der BsGaV sind für alle Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2014 beginnen (§ 40 BsGaV). Demgegenüber gelten die Grundsätze des AOA bereits für alle Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2012 begonnen haben (§ 21 Abs. 20 Satz 3 AStG). In dem BMF-Schreiben zur Betriebsstättengewinnaufteilung, das im nächsten Jahr erscheinen soll, sind diesbezügliche Übergangsregelungen beabsichtigt.

Beratungshinweis

Steuerpflichtige mit grenzüberschreitenden Betriebsstätten sollten die Veröffentlichung der BsGaV zum Anlass nehmen zu prüfen, ob ihre internationale Gewinnaufteilung im Einklang mit den detaillierten deutschen Neuregelungen steht. Dies betrifft insbesondere:

  • Die Zuordnung der Vermögenswerte und Chancen und Risiken
  • Die Bestimmung des Dotationskapitals und die Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen
  • Die Bestimmung anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen und
  • Die Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung.

Wir unterstützen Sie gern bei einem solchen BsGaV-Check, einer eventuellen Anpassung der Gewinnaufteilung und der erforderlichen Dokumentationen.

Betroffene Norm

§ 1 Abs. 6 AStG

Fundstellen

Bundesrat, Zustimmung zur BsGaV, BR-Drs. 404/14 (Beschluss)
Bundesrat, Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV), BR-Drs. 401/14

Weitere Fundstellen

BMF,Entwurf einer Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Be-triebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstät-tengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV) vom 5.08.2013, siehe Deloitte Tax-News 

OECD-Betriebsstättenbericht 2010

Weitere Beiträge

BMF: Rechtsverordnungsentwurf zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte

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