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19.08.2016
Transfer Pricing

Genussrechte: Behandlung der Bezugsrechte / Erträge in AT vs. DE

Die Republik Österreich hat Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland am EuGH eingereicht. Strittig ist im vorliegenden Fall die Charakterisierung der Erträge aus Genussrechten und die damit einhergehende Zuordnung des Besteuerungsrechts.

Sachverhalt

Zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland besteht Uneinigkeit über die Einordnung von Erträgen aus Genussrechten im Zusammenhang mit Art. 11 Abs. 2 des DBA Deutschland-Österreich (im Folgenden: DBA D/Ö). Die Republik Österreich hat Klage am EuGH erhoben hinsichtlich der Zuordnung der Besteuerungsrechte und Rückerstattung der von Deutschland bereits einbehaltenen Steuer im Zusammenhang mit einer Ausschüttung von Erträgen aus Genussrechten von einer deutschen an eine österreichische Bank. Die Genussrechte gewährten unter der Voraussetzung, dass ein Bilanzgewinn vorliegt, eine feste jährliche prozentuale Ausschüttung auf den Nennwert. Im Falle einer Nichtausschüttung bestand ein Nachzahlungsrecht für die darauffolgenden Geschäftsjahre innerhalb der Laufzeit des Wertpapiers.

Musterabkommen und DBA Deutschland-Österreich

Nach Artikel 10 Abs. 2 des DBA D/Ö darf der Ansässigkeitsstaat grundsätzlich 15% Quellensteuer auf Dividendenerträge einbehalten (bei wesentlichen Beteiligungen > 10% maximaler Einbehalt von 5%).

Hinsichtlich der Zuordnung des Besteuerungsrechts von Zinserträgen weicht das DBA D/Ö materiell von den meisten anderen DBAs und dem OECD-MA in der Hinsicht ab, dass Zinserträge grundsätzlich unter Vorliegen gewisser Voraussetzungen nur von dem Staat besteuert werden dürfen, in dem die Person ansässig ist, an welche die Zinsen bezahlt werden. Ausgenommen davon sind gemäß DBA D/Ö Einkünfte aus Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung; hier besteht ein Quellenbesteuerungsrecht in voller Höhe. Eine Doppelbesteuerung auf Ebene des Steuerpflichtigen wird dabei durch die Anrechnungsmethode vermieden.

Es stellt sich daher die Frage, ob Genussrechte als Dividenden oder als Zinsen zu werten sind. In Fällen, in denen Genussrechte als Zinsen zu werten sind, ist weiter fraglich, ob diese ggf. als Einkünfte aus Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung zu verstehen sind. Erst daraus lässt sich ableiten, ob und in welchem Umfang dem Ansässigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht zusteht.

Ökonomische Einordnung Genussrechte

Durch Genussrechte können Unternehmen ihre Refinanzierung diversifizieren und unter Umständen ihre Eigenkapitaldecke erhöhen, womit die Beschaffung von Fremdkapital erleichtert wird. Gesellschaften, die keine Aktiengesellschaften sind, wird hierdurch der Zugang zur Börse ermöglicht.

Genussrechte zeichnen sich durch ihre hohe Flexibilität aus und können sich in Ausgestaltung und Charakterisierung stark unterscheiden. Sie sind gesetzlich nicht geregelt, finden jedoch unter anderem in § 8 III S. 2 KStG oder in § 221 Abs. 3 AktG als Genussrechte Erwähnung. Daher ist an dieser Stelle eine Differenzierung vorzunehmen. Grundsätzlich stellen Genussrechte analog zu stillen Beteiligungen eine hybride Form der Finanzierung dar. Sie können im Einzelnen über die für Anleihen typische schuldrechtliche Ausprägungen verfügen, häufig aber auch durch Vermögensrechte wie etwa der Gewinnbeteiligung und der Beteiligung am Liquidationserlös Eigenkapitalinstrumenten ähneln.

Genussrechte können auch über die Börse gehandelt werden. Anders als etwa bei Aktien werden dem Halter von Genussrechten jedoch keine Mitbestimmungsrechte wie beispielsweise das Stimmrecht auf einer Hauptversammlung gewährt. Als Entschädigung für das höhere Risiko bieten Genussrechte in der Regel höhere Renditen. Eine Auszahlung setzt jedoch in der Regel das Vorhandensein eines ausschüttbaren Gewinns voraus.

Bei schuldrechtlich geprägten Genussrechten kann eine garantierte Mindestverzinsung vorgesehen sein, die unabhängig von einem gezahlten Gewinn gezahlt wird. Eine Besicherung von Genussrechten ist unüblich. Im Falle der Insolvenz werden die Anleger nachrangig bedient. Dies führt dazu, dass eine Investition in Genussrechte trotz vereinbarten Mindestverzinsungen als spekulativ und hochriskant anzusehen ist.

Handelsrechtliche und steuerrechtliche Einordnung

Handelsbilanziell sind Genussrechte im Regelfall als Fremdkapital auszuweisen, wohingegen Zinszahlungen immer als Aufwand auszuweisen sind. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz kann bei Kapitalgesellschaften durchbrochen sein, da Genussrechte steuerbilanziell als Eigenkapital auszuweisen sind, sofern mit den Genussrechten ein Recht am Gewinn und an einem etwaigen Liquidationserlös miteinhergeht (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG). Eine Beteiligung am Liquidationserlös liegt nach Rechtsprechung des BFH dann vor, wenn bei einer Rückzahlung die anteilige Gewährung von stillen Reserven beinhaltet ist.

Im vorliegenden Fall war der Genussschein steuerbilanziell als Fremdkapital auszuweisen und die Ausgaben als Betriebsausgaben abziehbar, da die Ausschüttungen als Beteiligung am Gewinn zu qualifizieren sind, nicht jedoch als Beteiligung am Liquidationserlös.

Abkommensrecht

Nach Abkommensrecht sind Erträge aus Genussrechten dann als Dividenden einzuordnen, sofern eine unternehmerische Beteiligung und keine bloße Kapitalüberlassung vorliegen.

Um eine unternehmerische Beteiligung bei einem Investment in einen Genussschein handelt es sich dann, wenn das Kapital unbefristet überlassen und der Inhaber des Genussscheins an den stillen Reserven beteiligt wird. In vielen DBAs wie auch im DBA D/Ö ist die Einordnung weiter konkretisiert. Damit Erträge aus Genussrechten als Dividenden i.S.d. Art. 10 zählen, müssen diese Einkünfte nach Recht des Ansässigkeitsstaates den Erträgen aus Aktien steuerlich gleichgestellt sein. Den Erträgen aus Aktien gleichgestellt sind Genussrechte, welche nicht nur eine Gewinnbeteiligung, sondern auch eine Beteiligung am Liquidationserlös beinhalten (Art. 10 Abs. 3 S. 1 DBA D/Ö i.V.m. § 20 Abs. 1 S. 1 KStG). Die Erträge aus Genussrechten im vorliegenden Sachverhalt beinhalteten unstrittig kein Recht auf einen Liquidationserlös und sind als Zinsen i.S.d. Art. 11 DBA D/Ö einzuordnen.

Uneinigkeit besteht vielmehr darüber, ob die Erträge aus Genussrechten unter Art. 11 Abs. 1 oder unter Art. 11 Abs. 2 DBA D/Ö zu subsumieren sind. Die Republik Österreich führt an, dass im vorliegenden Sachverhalt die Erträge aus den Genussrechten nicht als Forderungen mit Gewinnbeteiligungen zu qualifizieren sind. Dies hätte zur Folge, dass die daraus resultierenden Erträge dem Ansässigkeitsstaat – in diesem Fall Österreich – zuzuordnen wären und die Bundesrepublik Deutschland die einbehaltene Steuer zurückerstatten müsste. Im zugrundeliegenden Sachverhalt gewähren die Genussrechte lediglich Anspruch auf eine fixe prozentuale Vergütung. Zwar ist diese Vergütung abhängig von dem Vorhandensein eines Bilanzgewinns, es besteht allerdings grds. ein Recht auf Nachzahlung in späteren Jahren. Demnach entspräche der Genussschein einer festverzinslichen Anleihe, deren Zinszahlungen prozentual zum Nennwert bestimmt sind und die ebenfalls ein gewisses Zahlungsausfallrisiko innehält.

Der BFH und das FG Köln hatten zu dem vorliegenden Sachverhalt eine andere Auffassung. Nach Auffassung der Gerichte beinhaltet die Verzinsung auf die Nennbeträge des Genussscheins zwar keinen Risikoaufschlag. Der Schluss, dass demnach keine Gewinnbeteiligung vorläge, kann jedoch nicht gezogen werden. Zinsen auf herkömmliche Anleihen müssen unabhängig von einem bilanziellen Gewinn oder Verlust geleistet werden. Die Auszahlungen bei diesen Genussrechten hingegen werden nach den vertraglichen Bedingungen nur dann geleistet, wenn tatsächlich ein bilanzieller Gewinn besteht. Ein bilanzieller Gewinn steht immer in Zusammenhang zum Ergebnis nach GuV, da dieser nur entsteht, wenn über mehrere Perioden hinweg aufsummiert ein positives (GuV-)Ergebnis erzielt worden ist. Das Kriterium der Beteiligung am Gewinn setzt keineswegs voraus, dass Anleger an einem bilanziellen Gewinn oder Ergebnis gemäß der GuV vollumfänglich und unbegrenzt partizipieren. Eine Gewinnbeteiligung und damit auch der wesentliche Unterschied zu einer festverzinslichen Anleihe liegen im vorliegenden Sachverhalt dadurch vor, dass eine Verzinsung in einer Bandbreite von 0% bis zu der vereinbarten Verzinsung bei Vorliegen eines positiven Bilanzgewinns variieren kann. Insofern wäre hier das Quellenbesteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zuzuordnen.

Fazit

Hybride Finanzierungsinstrumente können insbesondere durch die hohen Freiheitsgrade hinsichtlich der Festlegung der Charakteristika einen wesentlichen Beitrag zur Refinanzierung der Unternehmen, aber auch zu einer Diversifizierung des Bestands an Finanzanlagen beitragen. Wie dargestellt, kann die Flexibilität der Finanzierung durch steuerliche Rahmenbedingungen jedoch in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt werden. Dies betrifft auf der Seite des Ausschüttenden das Risiko der Versagung des Abzugs als Betriebsausgabe, auf Ebene des Empfängers kann ein interstaatlicher Qualifizierungskonflikt in einer effektiven Doppelbesteuerung resultieren.

Vorinstanz

FG Köln, Urteil vom 30. April 2009 – 2 K 2375/06 -, juris
BFH, Urteil vom 26. August 2010 – I R 53/09 -, BFHE 231, 63

Fundstelle

EuGH, Rechtssache C-648/15: Klage, eingereicht am 3. Dezember 2015 – Republik Österreich/Bundesrepublik Deutschland

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