Zur „Verhinderung der künstlichen Vermeidung von Betriebsstätten“ hat die OECD am 31.10.2014 die Maßnahme Nr. 7 veröffentlicht. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Kriterien für Betriebsstätten weiter und klarer zu definieren, um den geänderten Anforderungen im Lichte der digitalisierten Wirtschaft gerecht zu werden. So soll u.a. verhindert werden, dass z.B. über fragwürdige Hilfstätigkeiten oder der Fragmentierung von Geschäftstätigkeiten die Begründung einer Betriebsstätte vermieden oder umgangen werden kann. Der folgende Artikel gibt eine Übersicht über die wesentlichen Themen.
Hintergrund
Im Zuge der Diskussionen zur Verhinderung zur Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung multinationaler Konzerne im Rahmen des BEPS-Projekts wird ein besonderer Schwerpunkt auf Verrechnungspreise gelegt. Damit Besteuerungsgrundlagen mittels Verrechnungspreisen zwischen einzelnen Staaten aufgeteilt werden können, muss den jeweiligen Staaten jedoch zuallererst ein Besteuerungsrecht zugewiesen werden. Sofern ein Unternehmen seine wirtschaftliche Betätigung in einem Staat nicht über eine dort ansässige Gesellschaft ausübt, hat der Staat aber dennoch ein Besteuerungsrecht, sofern das Unternehmen in diesem Staat eine Betriebsstätte begründet. Insofern kommt der Frage, ab wann ein Unternehmen durch seine wirtschaftliche Betätigung in einem Staat eine Betriebsstätte begründet, entscheidende Bedeutung zu. Dieses Thema wird gegenwärtig insbesondere bei ausländischen Unternehmen, die Direktgeschäfte über lokale Homepages abwickeln, kontrovers in der Presse diskutiert.
In diesem Zusammenhang wurde die BEPS Maßnahme Nr. 7 definiert, die sicherstellen soll, dass Unternehmen, die in einem Staat von nicht unerheblicher wirtschaftlich tätig sind, in diesem Staat auch eine Betriebsstätte begründen. Die hierbei in dem am 31. Oktober 2014 veröffentlichen Diskussionsentwurf vorgeschlagenen Änderungen zu Doppelbesteuerungsabkommen betreffen insbesondere die Ausweitung der Begründung von Vertreterbetriebsstätten, die Begrenzung der Ausnahmen für Hilfstätigkeiten, die Vermeidung der Aufspaltung von Bau- und Montageverträgen, geringere Voraussetzungen zur Begründung von Versicherungsbetriebsstätten sowie mögliche Interaktionen mit weiteren Working Groups der OECD.
Historisch gesehen ist diese siebte Maßnahme ein weiterer Punkt in der Reihe der Initiativen zu Betriebsstätten. Während der Fokus der OECD und des deutschen Gesetzgebers seit 2006 auf der Gewinnabgrenzung zu Betriebsstätten lag (Authorized OECD Approach (AOA), Änderungen Art. 7 OECD-Musterabkommen (OECD-MA), national die Änderung des § 1 AStG und im Oktober diesen Jahres die Veröffentlichung der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV)) gab es in den vergangenen Jahren teilweise spektakuläre Gerichtsurteile zur Frage der Begründung von Betriebsstätten. Aus diesem Grund entstand eine OECD-Arbeitsgruppe, die eine einheitliche Auslegung des in den Doppelbesteuerungsabkommen festgelegten Betriebsstättenbegriffs zum Ziel hatte. Die BEPS-Maßnahme Nr. 7 geht hierbei einen Schritt weiter, indem konkrete Änderungen des OECD-Musterabkommens vorgeschlagen werden. Diese Änderungen können jedoch nur implementiert werden, wenn die einzelnen Mitgliedsstaaten die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen entsprechend ändern. Insofern ist im Folgenden zu beachten, dass die dargestellten Maßnahmen aufzeigen, in welche Richtung sich der Betriebsstättenbegriff in den Folgejahren entwickeln wird, eine unmittelbare kurzfristige Umsetzung im nationalen Steuerrecht ist jedoch nicht zu erwarten. Indes ist bereits jetzt davon auszugehen, dass im Rahmen der jetzigen Doppelbesteuerungsabkommen die Position der Staaten, die eine weite Auslegung des Betriebsstättenbegriffs bevorzugen, ganz klar gestärkt wird.
In einer Kommissionärsstruktur, bei der grundsätzlich eine natürliche oder juristische Person Produkte in einem Land A im eigenen Namen verkauft, jedoch regelmäßig im Auftrag eines Prinzipals in Land B agiert und der Prinzipal das rechtliche Eigentum an den Produkten bis zum Zeitpunkt des Verkaufs innehat, kann der Prinzipal seine Produkte in Land A verkaufen ohne dabei in Land A einkommensteuerbare Einkünfte zu erzielen. Die Kernelemente zur Begründung einer sogenannten Vertreterbetriebsstätte sind in diesem Zusammenhang bis dato Folgende: (i) Der Agent muss Verträge im Namen des Prinzipals abschließen und (ii) der Vertragsabschluss muss rechtlich bindend sein.
Aus Sicht der OECD scheint es klar, dass unterschiedliche Arten von Kommissionärsstrukturen häufig dazu verwendet werden, die steuerliche Bemessungsgrundlage in einem Staat zu minimieren. Aus diesem Grund wurden Änderungen zu Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA vorgeschlagen, die nun zur weiteren Diskussion stehen. Hierzu hat die OECD im aktuellen Diskussionsentwurf vier Optionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten für die Begründung einer so genannten Vertreterbetriebsstätte entworfen.
Auch wenn die tatsächliche Ausgestaltung insofern noch nicht feststeht, so ist allen Optionen gemein, dass allein die fehlende rechtliche/ faktische Bindung des Prinzipals durch den Kommissionär nicht mehr ausreichend sein wird, eine Vertreterbetriebsstätte zu vermeiden. Stattdessen wird mehr auf die praktische Mitwirkung des Kommissionärs abgestellt. Zudem wird die Ausnahmeregelung für unabhängige Kommissionäre/ Vertreter, die im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit handeln ausgeschlossen, sofern diese Unternehmen fast exklusiv nur für ein Unternehmen bzw. nur für verbundene Unternehmen handeln.
Abschnitt B des Diskussionsentwurfs der Maßnahme 7 befasst sich mit den folgenden beiden Schwerpunkten:
Die Einschränkung des Katalogs der Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten ist insbesondere auch im Zusammenhang mit Maßnahme 1 (Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Action 1: 2014 Deliverable) zu sehen. In der am 16. September 2014 vorgelegten Version des Berichts zu Maßnahme 1 führt die OECD aus, dass die Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA, insbesondere Lagerhaltung, im Rahmen der neuen Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft Aktivitäten mit erheblichem Wertschöpfungsbeitrag darstellen können und die Änderung der Ausnahmeregelungen des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA daher in Betracht gezogen werden solle. Hierzu schlägt die OECD eine Reihe von Änderungen des Ausnahmekatalogs vor:
Die dritte Maßnahme des OECD Diskussionsentwurfs behandelt die Aufspaltung von Verträgen mit dem Ziel, die Zwölfmonatsfrist zur Begründung einer Bau- und Montagebetriebsstätte gemäß Art. 5 Abs. 3 OECD-MA zu unterlaufen. Damit will die OECD dem Umstand entgegentreten, dass multinationale Konzerne ihre Verträge zur Bauausführung oder Montagetätigkeit auf mehrere Konzerneinheiten aufteilen, um die Begründung einer Betriebsstätte zu vermeiden. Nicht von der Maßnahme wird die Aufteilung der Gewinne zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte berührt. Zur Bekämpfung des Gestaltungsmissbrauchs werden zwei Alternativen vorgeschlagen (Option K und L):
Der vierte Themenkomplex des Diskussionsentwurfs beinhaltet zwei Vorschläge, welche speziell auf Versicherungsunternehmen abzielen. Da Filialen ausländischer Versicherungsunternehmen teilweise umfangreiche Geschäftsaktivitäten ausüben ohne nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA („feste Geschäftseinrichtung“) oder Art. 5 Abs. 5 OECD-MA („Vertreterbetriebsstätte“) in dem Staat eine Betriebsstätte zu begründen, werden die aus diesen Geschäftsaktivitäten resultierenden Gewinne in diesem Staat nicht versteuert. Der Diskussionsentwurf begegnet dieser Beobachtung, indem sie geringere Voraussetzungen für die Begründung einer Betriebsstätte im Zusammenhang mit Versicherungsgeschäften ansetzt. Hierzu wurden zwei verschiedene Optionen diskutiert:
Die OECD erkennt zudem an, dass das Überdenken der Betriebsstättenschwelle zur Verhinderung von BEPS nicht in denjenigen Fällen greift, in denen dies durch die Vergütung von Risiken durch die Zahlung von (Rück-)Versicherungsprämien an eine verbundenen Gesellschaft ohne Funktionsausübung geschieht. Daher erachtet die OECD es als angebracht, die Gewinne der lokalen Gesellschaft, von welcher die Risikovergütung gezahlt wird, durch andere Maßnahmen anzupassen, z.B. durch Verrechnungspreise oder durch „besondere Maßnahmen“ („special measures“), wie beispielsweise der Abzugsfähigkeit von gezahlten Versicherungsprämien verbundener Unternehmen.
Hinsichtlich der Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten wird gegenwärtig keine Notwendigkeit gesehen die Zuordnungsregelungen für Betriebsstätten im Wesentlichen zu ändern, wenn die entsprechenden Änderungen bezüglich der Definition von Betriebsstätten Eingang in das OECD-MA finden. Somit verliert der AOA mit dem Grundgedanken der fiktiven Selbstständigkeit und der Vergütung gemäß dem Fremdvergleichsgrundsatz weiterhin nicht an Aktualität.
Zu beachten ist, dass die Arbeiten zu Maßnahme 7 eng verknüpft sind mit den Maßnahmen 4 (Finanzierungsaufwendungen), Maßnahme 8 (Immaterielle Wirtschaftsgüter) und Maßnahme 9 (Risiko und Kapital). Insbesondere die Arbeiten zu Maßnahme 9 werden möglichweise zu einem nochmaligen Überdenken einiger Aspekte in Bezug auf den Status von Betriebsstätten erfordern.
OECD, Public Discussion Draft, BEPS ACTION 7: PREVENTING THE ARTIFICIAL AVOIDANCE OF PE STATUS
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