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07.01.2021
Transfer Pricing

OECD: Verrechnungspreisaspekte in Folge der Covid-19-Pandemie

Am 18.12.2020 veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein Positionspapier zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien. Das Papier greift bestimmte Verrechnungspreisaspekte auf, die pandemiebedingt für Steuerpflichtige von erheblicher Bedeutung sein könnten. Themen sind die Implikationen für Vergleichbarkeitsanalysen, die Behandlung von Verlusten, außergewöhnlichen Kosten und staatlichen Unterstützungsmaßnahmen sowie mögliche Auswirkungen auf Vorabverständigungsverfahren.

Hintergrund

Am 18.12.2020 hat die OECD ein Positionspapier zu den Verrechnungspreisaspekten der gegenwärtigen Pandemie veröffentlicht. Zentrale Botschaft des Positionspapiers ist es, dass die OECD-Verrechnungspreisleitlinien als ein ausreichend flexibles Regelwerk angesehen werden, um den Fremdvergleichsgrundsatz auch in Zeiten der pandemiebedingten Krise anzuwenden. Diese grundsätzliche Sicht wird durch eine Fülle an Verweisen auf die Verrechnungspreisleitlinien bekräftigt.

Gleichwohl erachtet es die OECD als sinnvoll, auf bestimmte Verrechnungspreisaspekte gesondert einzugehen, um die Steuerpflichtigen in ihrer praktischen Arbeit zu unterstützen. Dies betrifft Fragen der Vergleichbarkeitsanalyse, der Verlusttragung durch Routineunternehmen in der Krise, der Verteilung von außergewöhnlichen Kosten, der Behandlung der pandemiebezogenen Staatshilfen in den Verrechnungspreismodellen sowie Fragen der Auswirkungen der Pandemie auf abgeschlossene und in Verhandlung stehende Vorabverständigungsverfahren (APAs).

OECD Posotionspapier

Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Aussagen der OECD zusammen (alle Verweise beziehen sich auf Textzeichen des Positionspapiers).

Vergleichbarkeit

Die Covid-Krise kann gravierende Auswirkungen auf das Geschäft einer multinationalen Unternehmensgruppe haben. Da die krisenbedingten Auswirkungen jedoch sehr stark von dem Sektor abhängen, in dem eine Unternehmensgruppe tätig ist, empfiehlt die OECD, die tatsächlichen Auswirkungen industriespezifisch (Tz. 24) zu dokumentieren. Wichtige Informationsquellen für eine solche möglichst zeitnah (Tz. 6) vorgenommene Dokumentation können sein: die Entwicklung der Umsatzzahlen, die Kapazitätsauslastung, Art und Höhe außergewöhnlicher Kosten, die Inanspruchnahme von Staatshilfen und deren Auswirkungen auf die Preissetzung, makroökonomische Daten, Quartalsberichte, Plan/IST-Abweichungsanalysen und eine Abschätzung des fiktiven Gewinns ohne Pandemie. Insgesamt zeigt sich die OECD aufgeschlossen gegenüber der Anwendung von statistischen Methoden (inklusive von Regressionsanalysen) zur Durchführung solcher Abweichungsanalysen. Starke Bedenken äußert die OECD allerdings hinsichtlich der Verwendung von historischen Daten aus der Finanzkrise zu Analysezwecken, da die gegenwärtige Krise mit der Finanzkrise unvergleichbar erscheint (Tz. 25).

Die OECD richtet einen klaren Appell an Länder wie Deutschland, die eine Präferenz für das price setting haben, für Zwecke der Angemessenheitsanalyse der krisenbedingten Margen ausnahmsweise auch Informationen zuzulassen, die erst im Nachhinein bekannt werden (z.B. Finanzinformationen von Vergleichsunternehmen). Es wird zudem empfohlen, ein outcome testing zu akzeptieren (Tz. 23), und zwar nicht nur mittels gebuchter Jahresendanpassungen im Jahr 2020, sondern, wenn zweckhaft, auch noch durch Anpassungen im folgenden Geschäftsjahr, bevor die Steuererklärung für das Jahr 2020 abgegeben wird. In jedem Fall sollten diesbezügliche Streitfragen im Rahmen eines Verständigungsverfahrens geklärt werden, wenn unilateral keine einvernehmliche Lösung möglich ist.

Aufgrund der beschränkten Informationen in Datenbanken ist die Durchführung von TNMM-Analysen wegen der vielen nicht beobachtbaren Einflüsse bei den Vergleichsunternehmen (z.B. Ausmaß der in Anspruch genommenen Staatshilfen) erschwert. Daher empfiehlt die OECD die Verwendung interner Vergleichsdaten, die Dokumentation des Verhaltens Dritter (Tz.15) und die Nutzung von mehreren Verrechnungspreismethoden zu Verprobungszwecken, was allerdings keine Pflicht darstellen soll (Tz. 24). Als problematisch wird von der OECD gesehen, dass die von Land zu Land stark unterschiedlichen Staatshilfen je nach Maßnahme unterschiedlich in der Rechnungslegung abgebildet werden und daher die Vergleichbarkeit der Margen extrem verzerren können. Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob ein Auftragsfertiger von Kurzarbeitergeld oder Lohnsubventionen profitiert. Um solche Verzerrungen, die auf kaum in den Daten beobachtbaren Unterschieden zwischen den Ländern beruhen, zu vermeiden, empfiehlt die OECD expressis verbis, vor allem Vergleichsunternehmen derselben Jurisdiktion, in der auch die tested party ansässig ist, zu nutzen (Tz. 84).

Für Zwecke der Angemessenheitsanalyse erscheinen Durchschnittsbetrachtungen der Finanzdaten der Vergleichsunternehmen, der Ausschluss von Zeiten staatlich angeordneter Geschäftsschließungen und Mehrjahresanalysen bei der tested party sinnvoll (Tz. 26). Dauerverlustunternehmen sind nicht per se als Vergleichsunternehmen auszuschließen (Tz. 33).

Verluste und die Verteilung von außergewöhnlichen Kosten

Die OECD hält die folgenden Risiken zentral in der Krise: das Nachfragerisiko (marketplace risk), Lieferketten- und Produktionsschließungsrisiken (operational risks) sowie Finanzierungsrisiken (financial risk) aufgrund gestiegener Zinssätze am Markt (Tz. 7). Eine ausführliche Behandlung des „Risikobegriffs“ wird von der OECD nicht angestellt. Insbesondere Ausführungen zum „Unfall- und Katastrophenrisiko“, wie es die OECD in den Leitlinien andenkt, wären hilfreich gewesen.

In Bezug auf die Frage, ob diese Risiken zu einem Verlust führen dürfen, kommt es für die OECD entscheidend darauf an, wie diese Risiken vertraglich verteilt sind (Tz. 12). Die Aussage in Tz. 3.64 der OECD-Verrechnungspreisleitlinien, wonach Routineunternehmen keinen Verlust über einen längeren Zeitraum erleiden sollten, impliziert für die OECD die grundsätzliche Möglichkeit, dass selbst Routineunternehmen zumindest kurzfristig einen Verlust hinnehmen können (Tz. 38), wenn ihnen bestimmte Risiken vertraglich zugeordnet sind (z.B. das Absatzrisiko bei einem low risk distributor). Allerdings verlangt die OECD zum einen Konsistenz zu Aussagen über die Risikoverteilung, die der Steuerpflichtige in Vorjahren zu seinem Funktions- und Risikoprofil gemacht hat (Tz. 41). Zum anderen verlangt das Konzept der realistischen Handlungsalternativen, dass die zeitweise Hinnahme von Verlusten dem Routineunternehmen zumindest in der längeren Frist einen Vorteil bietet (Tz. 46).

Eine Revision der konzerninternen Verträge und ggf. der grundsätzlichen Risikoverteilung wird kritisch gesehen, soweit das Unternehmen nicht nachweisen kann, dass auch fremde Dritte in der gegenwärtigen Krise rückverhandelt hätten bzw. dass die Nachverhandlung klar im Interesse beider Parteien liegt.

Die OECD erkennt an, dass die Krise außergewöhnliche Kosten mit sich bringt, zum Beispiel für den Bezug von Masken für Mitarbeiter, Umbauten zur Durchsetzung von Abstandskonzepten oder eine verstärkte IT-Investition in kollaborative Arbeitsformen und Homeoffice-Lösungen. Gerade das letztere Beispiel zeigt aber auch, dass diese Kosten eventuell auch ohne Krise entstanden wären, wenn auch vielleicht später, oder andere Kostenarten substituieren (z.B. Reisekosten). Außergewöhnliche Kosten, die wegen einer hohen Preiselastizität der Nachfrage nicht an Kunden weitergegeben werden können, können von der Kostenbasis der tested party ausgeschlossen werden (Tz. 52). Dies sollte aber analog auch bei den herangezogenen Vergleichsunternehmen geschehen.

In Bezug auf Klauseln von „Höherer Gewalt“ (force majeure), die in Civil-Law-Ländern häufig bereits im allgemeinen Recht bzw. gesetzlich verankert sind, empfiehlt die OECD die folgende Prüfreihenfolge einzuhalten: Prüfung des ggf. einschlägigen Vertrags samt des Wortlauts der Höhere Gewalt-Klausel, sofern eine solche vereinbart ist, und des anzuwendenden rechtlichen Rahmens, Prüfung des tatsächlichen Verhaltens der Parteien sowie Beurteilung der Wesentlichkeit der Gewalteinwirkung und Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen treten u.a. in Form von (Lohn-)Subventionen, Steuervorteilen, Investitionshilfen, Garantien und direkten Finanzierungszusagen auf. Für die Verrechnungspreisanalyse ist entscheidend, welche Unternehmen diese erhalten, ob die Maßnahmen einen Effekt auf die Preissetzung haben, weil Vorteile an Kunden oder Lieferanten weitergegeben werden und wie lange die Maßnahmen andauern (Tz. 74). Des Weiteren sind sich aus den Maßnahmen ergebende rechtliche Beschränkungen für die Preissetzung zu beachten. Dabei spielt für die OECD eine große Rolle, wie die anderen unabhängigen Marktteilnehmer mit diesen Hilfen umgehen.

Vor dem Hintergrund dieser massiven staatlichen Maßnahmen fordert die OECD, größte Sorgfalt bei der Anwendung einseitiger Methoden walten zu lassen. Vor allem ist zu prüfen, ob die Staatsmaßnahmen die Kostenbasis reduzieren, den Umsatz steigern oder als außerordentliche Einnahmen zu qualifizieren sind (Tz. 78).

Auswirkungen auf APAs

Die OECD stellt klar, dass trotz der Unvorhersehbarkeit der Covid-Krise bereits abgeschlossene APAs einzuhalten sind, und zwar sowohl durch die Finanzverwaltungen als auch die Steuerpflichtigen. Steuerpflichtige, die durch die Krise an der Erfüllung der APA-Bedingungen gehindert sind oder die Schwierigkeiten mit deren Einhaltung haben, sind aufgefordert, sich an die Finanzverwaltung zu wenden, anstatt selbständig eine Lösung zu suchen bzw. einseitig die APA-Vereinbarung zu brechen (Tz. 89). Je frühzeitiger der Steuerpflichtige die Schwierigkeiten aktenkundig macht (notification), umso eher vermeidet er die Aufhebung des gesamten APAs (Tz. 102). Dabei können sich die Finanzverwaltungen mit einer Antwort auf das Begehr des Steuerpflichtigen Zeit lassen, bis das Ausmaß und die Auswirkungen der Krise noch besser verstanden werden.

Falls es zu einem Bruch der Gültigkeitsbedingungen (critical assumptions) kommt, sind die nationalen verfahrensrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Ein Verfehlen der Gültigkeitsbedingungen kann zur Revision, vorzeitigen Beendigung (cancellation) oder Aufhebung des APAs von Beginn an führen (revocation). Die Revision mag dazu führen, dass die APA-Bedingungen dahingehend verändert werden, dass das Gesamtergebnis betrachtet wird (term test) statt der Einzeljahresergebnisse oder dass der APA-Zeitraum verlängert oder dass eine Segmentierung in von der Krise unberührte und von der Krise betroffene Jahre vorgenommen wird. Bei schwerwiegenderen Verstößen kommt eine frühzeitige Beendigung des APAs in Betracht.

In jedem Fall sollte der Steuerpflichtige ausführlich dokumentieren, wieso es zu dem Bruch der APA-Bedingungen gekommen ist. Eine solche Dokumentation beinhaltet Ausführungen zum Industriesektor, der Abweichung der Ist-Daten vom Plan, mögliche Vertragsänderungen, die Erläuterung von Umstrukturierungen/Risikoneuverteilungen sowie die Kausalität der Pandemie für diese Veränderungen, eine detaillierte Analyse der Auswirkungen der Krise auf die GuV mit einem besonderen Fokus auf die Verbuchung von Staatshilfen sowie das beobachtete Verhalten von fremden Dritten in der Krise (Tz. 104).

All diese Aussagen gelten auch für APAs, die sich gerade in Verhandlung befinden. Diesbezüglich regt die OECD an, ggf. den APA-Zeitraum in die Covid-Zeit und die Post-Covid-Zeit aufzuteilen. Die Fortführung der laufenden APA-Verhandlungen durch virtuelle Zusammenkünfte wird stark befürwortet.

Fazit

Insgesamt gesehen, enthält das OECD-Positionspapier zu den Verrechnungspreisaspekten von Covid-19 wenig konkrete und wenig neue Aussagen, sondern bietet eher einen Leitfaden, welche Passagen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien besonders relevant für die Krise sein können.

Positiv hervorzuheben sind die klaren Empfehlung der OECD an Staaten wie Deutschland, die das price setting bevorzugen, angesichts der großen Unsicherheit, die die Krise mit sich bringt, verstärkt ein outcome testing mit ggf. sogar zeitlich stärker nachlaufenden Ausgleichszahlungen zuzulassen. Sehr positiv ist ebenso das klare Bekenntnis der OECD zu sehen, dass auch Routineunternehmen zumindest kurzzeitig Verluste tragen können, wenn ihnen die entsprechenden Geschäftsrisiken zuzuordnen waren. Wertvoll für spätere Betriebsprüfungen ist der Appell der OECD, nicht die Ergebnisse von Einzeljahren der tested party zu analysieren, wie dies häufig von der deutschen Betriebsprüfung gemacht wird, sondern auch hier Mehrjahresdurchschnitte zu verwenden, d.h. einen Durchschnitt aus Jahren mit und ohne Krise.

Negativ ist anzumerken, dass das gesamte Papier den Steuerpflichtigen relativ weitgehende Dokumentationsanforderungen auferlegt, wie die Krise genau den eigenen Geschäftsbetrieb trifft. Negativ sind auch die Aussagen der OECD zur Vergleichbarkeitsanalyse zu werten, die die Nutzung von Datenbankstudien für die Krisenjahre deutlich erschweren. Aufgrund der empfohlenen Analysen zu den Auswirkungen von Staatshilfen auf jedes der Vergleichsunternehmen entsteht unzumutbarer Mehraufwand bzw. eine Tendenz, verstärkt mit Vergleichsunternehmen aus derselben Jurisdiktion wie die tested party arbeiten zu müssen.

Fundstelle

OECD, Guidance on the transfer pricing implications of the COVID-19 pandemic

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