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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/transfer-pricing/verstaerkte-kontrolle-verbundener-unternehmen-eu-setzt-sich-fuer-den-abbau-der-informationsasymmetrie-ein.html
19.08.2016
Transfer Pricing

Verstärkte Kontrolle verbundener Unternehmen: EU setzt sich für den Abbau der Informationsasymmetrie ein

Mit der verstärkten Kontrolle und der Einführung von Offenlegungspflichten für MNE, will die EU für mehr Transparenz sorgen. Ziel der Initiativen ist es, das Informationsgefälle zwischen Unternehmen und Finanzbehörden sowie Anteilseignern abzubauen.

Im Rahmen ihrer Initiative gegen Gewinnverlagerung und Steuerverkürzung (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) will die OECD u.a. auch wirksam gegen eine der aus ihrer Sicht zentralen Ursachen von Verrechnungspreiskonflikten vorgehen: dem bestehenden Informationsgefälle zwischen multinationalen Unternehmen und Finanzverwaltungen. Diesem Ziel folgt auch die EU und implementiert derzeit das im Rahmen des BEPS-Aktionspunktes 13 vorgeschlagene Country-by-Country Reporting (CbC Reporting) sowie das Multilateral Competent Authority Agreement on the Exchange of Country-by-Country Reports (CbC MCAA) in abgewandelter Form in europäisches Recht. Hierbei hat sie nicht nur Informationstransparenz zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung im Visier, sondern rückt gleichermaßen auch den Angemessenheitsnachweis ggü. den Anteilseignern in den Mittelpunkt der Überlegungen zu neuen Offenlegungspflichten. Dementsprechend ist es ebenfalls Teil der EU-Transparenzoffensive, Minderheitsaktionäre durch eine geplante Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie zu stärken. Diese soll Minderheitsaktionäre vor dem unvorteilhaften Transfer von Vermögenswerten zugunsten dominanter Anteilseigner (sog. Tunneling) schützen. Der folgende Beitrag verfolgt das Ziel, einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen im Europarecht zu geben sowie sich eingehend mit der vorgeschlagenen Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie auseinanderzusetzen.

1. Aktuelle Entwicklungen im Europarecht

Das im Rahmen der BEPS-Initiative vorgeschlagene CbC Reporting wird in den einzelnen Ländern unterschiedlich schnell in nationales Recht integriert. Während beispielsweise Dänemark Anfang Mai diesen Jahres den Implementierungsprozess bereits vollständig abgeschlossen hat, werden in Deutschland entsprechende Gesetzänderungen noch vorbereitet. Einen entsprechenden Referenten-Entwurf veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen am 01.06.2016 (vgl. Deloitte Tax-News). Um jedoch auf EU-Ebene den Implementierungsprozess in Teilen zu vereinheitlichen, forciert die EU sowohl das CbC Reporting als auch den Informationsaustausch der CbC-Informationen durch eine Änderung der Amtshilfe-Richtlinie (2011/16/EU) und plant zudem eine Änderung der Bilanz- Richtlinie (2013/34/EU).

Amtshilfe-Richtlinie
Eines der Kernstücke der Transparenz-Initiative ist die seitens des EU-Rats angestrebte Änderung der Amtshilfe-Richtlinie. Bisher regelte diese in erster Linie den Austausch von Informationen, die sowohl der Festsetzung von Ertragsteuern als auch von Verbrauchssteuern dienlich waren. Die am 25.06.2016 von den ECOFIN-Ministern verabschiedete Änderung der Richtlinien geht über diese Bestimmungen hinaus. Sie schafft die europarechtliche Grundlage zur unionsweiten Einführung des CbC Reportings und verpflichtet die Mitgliedsstaaten, dieses 12 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie umzusetzen. Zudem stellt er die rechtliche Grundlage zum automatischen Austausch der CbC Reporte dar und kann insofern als EU-spezifische Interpretation des Multilateral Competent Authority Agreement on the Exchange of Country-by-Country Reports (CbC MCAA) angesehen werden. Die zentralen Änderungen der Richtlinie umfassen:

  • die Verpflichtung zum CbC Reporting für oberste EU-Muttergesellschaften oder hierzu bestimmte Einheiten mit einem konsolidiertem Konzernumsatz von mehr als EUR 750 Mio.;
  • Ggf. Übergang der Berichtspflicht auf EU-ansässige Konzerngesellschaft, sofern die oberste Muttergesellschaft nicht selbst in der EU ansässig oder nicht zur Abgabe des CbC Reports verpflichtet ist;
  • die Erstellung des Berichts binnen 12 Monaten nach Ablauf des Berichtsjahres;
  • inhaltliche Übereinstimmung der CbC Reporte mit den OECD-Empfehlungen (vgl. Anhang III des Finalen Reports der OECD zum Aktionspunkt 13);
  • der automatische Austausch der CbC Reporte zwischen den Mitgliedsstaaten binnen 15 Monate nach Ende des Berichtsjahres bzw. 18 Monate für die ersten CbC Reports;

Weitergehende Informationen zur erfolgten Änderung der Amtshilfe-Richtlinie finden Sie in den Deloitte Tax-News.

Bilanz-Richtlinie
Zusätzlich hat die EU-Kommission mit Vorschlag vom 12.04.2016 eine Änderung der Bilanz-Richtlinie vorgestellt, wonach CbC-relevante Informationen 12 Monate nach dem Bilanzstichtag auf den Internetseiten der betroffenen Unternehmen (oberste EU-Muttergesellschaften, mittelgroße und große EU-Tochtergesellschaften und –Zweigniederlassungen aber auch unverbundene EU-Unternehmen) zu veröffentlichen wären (sog. Ertragssteuerinformationsbericht). Mit einer derartigen Veröffentlichungsobliegenheit geht die Transparenzpflicht über die Intention der OECD zur Schaffung einer Informationssymmetrie zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung hinaus. Die vorgeschlagene Änderung der Bilanz-Richtlinie dient somit auch dem Ziel, den Aktionärsschutz durch weitreichende Offenlegungspflichten zu stärken. Diese beträfen grundsätzlich alle vorgenannten Unternehmen mit einem (konsolidierten) Nettoumsatz von EUR 750 Mio. Die geplanten offenzulegenden Informationen können vereinfacht als high-level Aggregation des steuerlichen CbC-Reportings gem. OECD verstanden werden. Sie umfassen unter anderem eine kurze Beschreibung zur Art der Unternehmenstätigkeit, die Nettoumsatzerlöse, Steuern des laufenden Jahres sowie die Höhe der nicht ausgeschütteten Gewinne. Eine Aufschlüsselung der Informationen wäre nur hinsichtlich der EU-Mitglieder vorzunehmen. Soweit die EU-Kommission dies nicht gesondert fordert, würde für Nicht-EU-Staaten eine aggregierte Darstellung genügen.

Den Unternehmen bietet sich somit zwar die Chance, den Offenlegungspflichten gem. Bilanzrichtlinie nachzukommen und auf ohnehin für steuerliche Zwecke bereits aufgenommene und konsolidierte Daten zurückzugreifen. Das Erfordernis einer risikoorientierten Informationsaufbereitung und Interpretation verschärft sich jedoch mit der Ausweitung des Adressatenkreises. Während sich das steuerliche CbC-Reporting in den Dreiklang der Verrechnungspreisdokumentationsanforderungen, bestehend aus Masterfile, Localfile und CbC-Template einfügt, und somit in erst genannten Dokumenten bereits die Grundlage zum Verständnis der CbC-Daten und einer Interpretation des Lesers im Kontext des Geschäftsmodells und der Wertschöpfungskettenstruktur gelegt werden kann, mangelt es den Bilanz-Richtlinien Anforderungen an derart begleitenden Information. Es besteht somit die Gefahr, dass auch Minderheitsaktionäre ihre Investitionsentscheidung von vermeintlich aggregierten steuerlichen Informationen abhängig machen. Zudem könnten die Offenlegungspflichten dazu führen, dass das Steuergeheimnis, an das die Finanzverwaltungen gebunden sind, zumindest mit Blick auf die unter der Bilanz-Richtlinie zu erfassenden Informationen ins Leere läuft. Während die CbC Reports sowohl unter der Amtshilferichtlinie als auch unter dem MCAA durch das Steuergeheimnis geschützt werden, würde die angedachte Änderung der Bilanzrichtlinie Unternehmen verpflichten, sensible Steuerinformationen ohne spätere Kontrollmöglichkeiten im Internet zu veröffentlichen. Dieser Kritik hat sich nicht nur der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 02.05.2016 (BR-Drs. 176/1/16) angeschlossen, sondern kurze Zeit später auch Bundesfinanzminister Schäuble (FAZ vom 23.05.2016).

Mögliche Verstöße gegen die Offenlegungspflichten, so der Kommissionsvorschlag, seien durch die Abschlussprüfer in den Bestätigungsvermerk aufzunehmen. Erklärtes Ziel der Initiative ist die Harmonisierung von erwirtschafteten Gewinnen und gezahlten Steuern durch eine erhöhte öffentliche Kontrolle. Weitere inhaltliche Details zum geplanten Ertragssteuerbericht sowie weiterführende Informationen finden Sie in den Deloitte Tax-News.
 

2. Aktionärsrechte-Richtlinie

Ein weiteres Instrument - ebenfalls mit dem Ziel eines erhöhten Maßes an Kontrolle – stellt die geplante Implementierung eines Artikels 9c in der Aktionärsrechte-Richtlinie (2007/36/EG) dar, der eine Stärkung der Rechte von Minderheitsaktionären bei wesentlichen konzerninternen Geschäftsbeziehungen (sog. Related Party Transactions, RPT) vorsieht. Ziel dieser Initiative ist es, die Transparenz zwischen Unternehmen und Groß- sowie Minderheitsaktionären zu erhöhen, um so den unvorteilhaften Transfer von Vermögenswerten zugunsten dominanter Anteilseigener (sog. Tunneling) zu verhindern.

Kernstücke eines am 08.07.2015 vom EU-Parlament veröffentlichten Vorschlags sind die Einführung einer Veröffentlichungspflicht sowie die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Einführung eines Verfahrens, welches Aktionäre oder Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgane befähigt, Transaktionen, die zu Tunnelling führen, wirksam zu verhindern.
Unter anderem sieht der Vorschlag des EU-Parlaments vor, dass wesentliche Transaktionen mit nahestehenden Personen

a) spätestens zum Zeitpunkt ihres Abschlusses unter Benennung

  • der Art des Verhältnisses;
  • der Namen der Transaktionsbeteiligten;
  • des Betrag der Transaktion; sowie
  • aller weiterer Informationen, welche für eine Bewertung der wirtschaftlichen Fairness aus Sicht des Unternehmens und der Minderheitsaktionäre von Relevanz sind

öffentlich bekannt zu machen sind;

b) und dieser Bekanntmachung den Bericht eines unabhängigen Dritten, des Aufsichtsgremiums des Unternehmens oder eines Ausschusses unabhängiger Mitglieder der Unternehmensleitung beizufügen, der die Marktüblichkeit der Transaktionsbedingungen bestätigt und offenlegt, auf welcher Basis die Beurteilung beruht (sog. Fairness Opinion).

Des Weiteren sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass wesentliche Transaktionen mittels eines Verfahrens von den Aktionären oder dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan genehmigt werden, durch das verhindert wird, dass nahstehende Unternehmen oder Personen ihre Position ausnutzen. Schließlich soll das Verfahren auch sicherstellen, dass die Interessen nicht nahestehender Unternehmen oder Personen hinreichend geschützt sind. Schließlich sollen nahestehende Unternehmen und Personen sowohl von der Erstellung der Fairness Opinion als auch von einer Beteiligung am Schutzverfahren grundsätzlich ausgeschlossen sein.

Die Möglichkeit zur Schaffung von Ausnahmen begrenzt das EU-Parlament auf zwei Möglichkeiten. Demnach können die Mitgliedsstaaten einzelstaatlich festlegen, ob Transaktionen zwischen Muttergesellschaften und 100%-Tochtergesellschaften, sowie Transaktionen die im ordentlichen Geschäftsgang zu marktüblichen Bedingungen erfolgen, in den Anwendungsbereich der nationalen Umsetzungsgesetze fallen.

Hinsichtlich der Fragen, welche Transaktionen als „wesentliche Transaktionen“ zu klassifizieren sind, legt der Parlamentsvorschlag nur qualitative Kriterien fest. Demnach soll unter anderem der Einfluss von Transaktionsinformationen auf Entscheidungsträger des Genehmigungsverfahrens sowie der Einfluss auf Ergebnisse, Vermögen, Kapitalisierung des Unternehmens und auf verbundene Risiken für das Unternehmen und seine Minderheitsaktionäre berücksichtigt werden. Die Substantiierung des Wesentlichkeitsbegriffs sowie die Ausgestaltung des Schutzverfahrens übergibt der Vorschlag des EU-Parlaments in die Verantwortlichkeit der Mitgliedsstaaten.

Aus Verrechnungspreisperspektive ist letztlich anzumerken, dass die Absicherung der Einhaltung marktüblicher Konditionen (auch vor der Durchführung einer Transaktion) bereits heute erfolgt. So sind Steuerpflichtige verpflichtet, bei konzerninternen Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen den Fremdvergleichsmaßstab einzuhalten. Dies gilt sowohl im nationalen Kontext, z.B. durch das Instrument der vGA als auch im internationalen Bereich durch Art. 9 OECD-MA sowie § 1 AStG. Insbesondere letztgenannter Bereich erfährt seine Konkretisierung zur Schaffung angemessener Verrechnungspreise bereits vor Durchführung der Transaktion durch die Stärkung des sog. Price Setting Approach, welcher gleichermaßen auch durch die deutsche Finanzverwaltung zunehmend in den Fokus von Betriebsprüfungen rückt (vgl. Tz. 3.4.12.3, BMF-Schreiben vom 12.04.2005, IV B 4 - S 1341 - 1/05).

Der Kritik am Vorschlag zur Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie hat sich indes auch der Bundesrat angeschlossen und eine entsprechende Stellungnahme an die Kommission weitergeleitet (BR-Drs. 166/14(B)). Zumindest für Deutschland darf daher erwartet werden, dass der Gesetzgeber von der eingeräumten Möglichkeit zur Schaffung von Ausnahmen Gebrauch machen wird.

3. Implikationen

Die Entwicklungen auf Ebene der Europäischen Union stellen multinational agierende Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Berichtserstellung inklusive Datenbeschaffung, sondern auch insbesondere in Bezug auf eine risikoorientierte Informationstransparenz.

Die genaue Ausgestaltung des Ertragssteuerinformationsberichts sollte von Steuerpflichtigen detailliert mit den steuerlichen CbC Inhalten verglichen werden, um so ein Höchstmaß an Synergien zu erzielen und Doppelarbeiten zu vermeiden. Gleiches gilt auch für die inhaltlichen Anforderungen an die Berichtpflichten der Aktionärsrechte-Richtlinie, welche mit den Informationen in der ohnehin zu erstellenden Verrechnungspreisdokumentation abgeglichen werden sollten.

Ein Abbau des Informationsgefälles zwischen den beteiligten Parteien ist zwar vom Grundsatz her zu begrüßen, jedoch führt die unterschiedliche Auslegung des Fremdvergleichsprinzips, insbesondere durch die beteiligten Finanzverwaltungen, häufig zu Verrechnungspreiskonflikten, was gleichermaßen in jeglicher Art der Offenlegung zu berücksichtigen ist und risikoorientierte Maßnahmen in der Darstellung erfordert.

Schließlich sollten Unternehmen beachten, dass die dargestellten Entwicklungen nicht nur wie bereits erwähnt das Steuergeheimnis berühren. Gerade die geplanten Pflichten im Zusammenhang mit der Bilanz- und Aktionärsrechte-Richtlinie können zur ungewollten Offenlegung sensibler Informationen gegenüber einer unbestimmten Masse samt Wettbewerbern führen. Zudem entzieht sich die weitere Verwendung der Daten dem Einfluss und der Kontrolle der Unternehmen. Eine derart breite Veröffentlichungspflicht ist aus dem Blickwinkel des Steuerzahlers abzulehnen.

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