Seit Veröffentlichung des ersten Referentenentwurfs des Wachstumschancengesetzes vom 14.07.2023 hatte aus Verrechnungspreissicht insb. die Einführung der sog. Zinshöhenschranke für viel Kritik gesorgt. Erfreulicherweise hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme die Streichung empfohlen. Anstelle dessen findet sich im Hinblick auf grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen nunmehr eine Ergänzung des AStG. Die verabschiedeten Regelungen entsprechen in wesentlichen Aspekten denen des §1a AStG im Referentenentwurf zum ATAD-UmsetzungsG. Welche zu erwartenden Implikationen haben die Regelungen für die Verrechnungspreispraxis?
Seit Veröffentlichung des ersten Referentenentwurfs des Wachstumschancengesetzes vom 14.07.2023 (Deloitte Tax-News), sowie des Regierungsentwurfs vom 30.08.2023, siehe Deloitte Tax-News) hat aus Verrechnungspreissicht insb. die Einführung der sog. Zinshöhenschranke für viel Kritik gesorgt (Deloitte Tax-News). Erfreulicherweise wurde diese Regelung vom Bundesrat in seiner Stellungnahme angesprochen und die Streichung empfohlen (Deloitte Tax-News). Anstelle dessen findet sich im Hinblick auf grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen nunmehr eine Ergänzung des AStG, nämlich die §1 Abs. 3d) und 3e). Am Inhalt der Regelungen hat sich seitdem nichts Wesentliches geändert (Link zu Tax-News v. 22.11.2023). Die verabschiedeten Regelungen entsprechen in wesentlichen Aspekten denen des §1a AStG-RefE v. 10.12.2019 (siehe Referentenentwurf ATAD-UmsetzungsG, Deloitte Tax-News). Wir fassen die Regelungen nachfolgend zusammen und stellen die erwarteten Implikationen für die Verrechnungspraxis dar.
Am 22.03.2024 hat der Bundestag final das Wachstumschancengesetz verabschiedet. Dieses beinhaltet unter anderem eine Ergänzung des § 1 AStG um die folgenden Regelungen zu internationalen Finanzierungsbeziehungen:
§ 1 Abs. 3d)
„Es entspricht nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, wenn ein aus einer grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe resultierender Aufwand die Einkünfte des Steuerpflichtigen gemindert hat und
1. der Steuerpflichtige nicht glaubhaft machen kann, dass er
a) den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit dieser Finanzierungsbeziehung von Anfang an hätte erbringen können und
b) die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet;
oder
2. soweit der seitens des Steuerpflichtigen zu entrichtende Zinssatz für eine grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehung mit einer ihm nahestehenden Person den Zinssatz übersteigt, zu dem sich das Unternehmen unter Zugrundelegung des Ratings für die Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte. Wird im Einzelfall nachgewiesen, dass ein aus dem Unternehmensgruppenrating abgeleitetes Rating dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, ist dieses bei der Bemessung des Zinssatzes zu berücksichtigen.“
Dass eine gewisse Schuldentragfähigkeit des Darlehensnehmers erforderlich ist, damit das infrage stehende Darlehen als Fremdkapital qualifiziert werden kann, steht im Einklang sowohl mit Kap. X der OECD VP RL (Tz. 10.54) als auch mit der BFH-Rechtsprechung (sowohl bezogen auf Teilwertabschreibungen als auch auf die Fremdüblichkeit von Zinssätzen – s. bspw. BFH v. 18.05.2021 I R 62/17 Tz. 16). Konkrete Hinweise zu den Anforderungen, außer dass der Kapitaldienst Zins- und Tilgungszahlungen beinhaltet, finden sich in der Gesetzesbegründung nicht.
Die Begriffe „Verwendung für den Unternehmenszweck“ und „wirtschaftlich benötigt“ werden ebenfalls nicht konkret definiert. In der Gesetzesbegründung wird nur das vom §1a AStG-RefE aus 2019 bereits bekannte Beispiel ausgeführt, dass insbesondere eine Darlehensaufnahme mit anschließender (langfristiger) Einlage der Mittel in einen Cash Pool verhindert werden soll. Für die Praxis wäre eine Konkretisierung der Begrifflichkeiten wünschenswert, denn bei einer weiten Auslegung könnte mitunter die Inanspruchnahme von konzerninternem Fremdkapital hinterfragt werden, wenn die Betriebsprüfung den Standpunkt einnimmt, dass konzerninternes Fremdkapital in der Regel eben nicht wirtschaftlich benötigt würde, wenn eine Eigenkapitalfinanzierung in der Gruppe möglich wäre. Im Ergebnis würde mit einer derartigen Interpretation die Finanzierungsfreiheit des Steuerpflichtigen ausgehebelt werden.
Daneben soll der Zinssatz einer grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung auch akzeptiert werden, wenn der Zinssatz dem Zinssatz entspricht, zudem sich das Unternehmen unter Zugrundelegung des Ratings für die Unternehmensgruppe am Kapitalmarkt finanzieren könnte. Nach dem Gesetzestext soll nunmehr das Gruppenrating verbindlich anzuwenden sein. Wenngleich es dem Steuerpflichtigen freisteht, nachzuweisen, dass ein anderes, aus dem Gruppenrating abgeleitetes Rating dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Wie dieser Nachweis im Detail möglich sein soll, wird nicht näher erläutert.
Die verabschiedete Regelung weicht an dieser Stelle nicht nur von den Vorgaben der OECD, sondern auch der Rechtsprechung des BFH ab, denn sowohl Kap. X der OECD VP RL als auch der BFH, in seiner Entscheidung vom 18.5.2021 I R 4/17 (Tz 43/44), sehen in diesem Zusammenhang eindeutig die Möglichkeit vor, ein Rating auch ausgehend vom Stand-Alone Rating des Darlehensnehmers zu ermitteln (ebenso wie die VWG VP 2023 mit ihrem Querverweis auf die BFH Entscheidung I R 4/17 in Tz. 3.126). Ein reines Stand-Alone Rating oder ein Rating, welches aus dem Gruppenrating abgeleitet worden ist, scheint der Gesetzentwurf somit ohne hinreichende Begründung auszuschließen. Darüber hinaus dürfte diese Regelungen in der Praxis zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen führen, falls er einen anderen Ansatz zur Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes anwendet als den anhand des Gruppenratings ermittelten Zinssatz oder einen Zinssatz, zu dem sich die Gruppe extern finanzieren könnte.
§ 1 Abs. 3e)
Der Gesetzestext greift das aus den Verwaltungsgrundsätzen 2021, 2023 und dem Entwurf der Zinshöhenschranke bekannte Thema funktionsschwacher ausländischer Finanzierungsgesellschaften auf und geht noch einen Schritt weiter, indem nunmehr gesetzlich normiert wurde, dass regelmäßig eine funktions- und risikoarme Dienstleistung vorliegen soll, „wenn
1. eine Finanzierungsbeziehung von einem Unternehmen gegenüber einem anderen Unternehmen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe vermittelt wird, oder
2. eine Finanzierungsbeziehung von einem Unternehmen an ein anderes Unternehmen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe weitergeleitet wird
Darüber hinaus soll von einer funktions- und risikoarmen Dienstleistung regelmäßig ausgegangen werden,
„wenn ein Unternehmen in der Unternehmensgruppe für ein oder mehrere Unternehmen der Unternehmensgruppe die Steuerung von Finanzmitteln, wie etwa ein Liquiditätsmanagement, ein Finanzrisikomanagement, ein Währungsrisikomanagement oder die Tätigkeit als Finanzierungsgesellschaft, übernimmt.
Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn anhand einer Funktions- und Risikoanalyse nachgewiesen wird, dass es sich nicht um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung handelt.“
Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf sind diese funktions- und risikoarmen Dienstleistungen auf Basis der Kostenaufschlagsmethode (ohne die Finanzierungskosten) zu vergüten. Neu im Gegensatz zum damaligen §1a) AStG-RefE ist die Tatsache, dass hierbei nicht mehr nur auf Cash Pool Führer, sondern auf konzerninterne Finanzierungsgesellschaften insgesamt abgestellt wird.
Die Pauschalität der Regelung überrascht insoweit, als die OECD VP RL in Kap. X an mehreren Stellen deutlich macht, dass das Finanzierungsgesellschaften durchaus das Profil einer Inhouse Bank haben können und deren Funktions- und Risikoprofil eindeutig über das eines reinen (Routine-) Dienstleisters hinausgeht. Dem scheint der Gesetzgeber mit einer weiteren Möglichkeit zum Gegenbeweis Rechnung tragen zu wollen, denn die Regelungen sollen dann nicht anwendbar sein, wenn
„anhand einer Funktions- und Risikoanalyse nachgewiesen wird, dass es sich nicht um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung handelt.“
Überraschenderweise ist für diesen Gegenbeweis nicht der Maßstab des „Glaubhaftmachens“, sondern der Beweismaßstab des „Nachweises“ erforderlich. Für ein unterschiedliches Beweismaß in Teilen der Absätze 3d) und 3e) sprechen keine sachlichen Gründe. Insoweit liegt die Vermutung nahe, dass die Hürden für die Qualifikation der Finanzierungsfunktion als wertschöpfende Funktion mit entsprechender Risikokontrolle besonders hochgelegt werden sollen.
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass insbesondere die Bereiche „Finanzrisikomanagement, ein Währungsrisikomanagement“ gerade ein erhebliches Element von Risikokontrolle und -steuerung beinhalten und in der Regel eben keine risikoarmen Dienstleistungen darstellen. Risikomanagement-Funktionen qua Gesetz zur Routine-Dienstleistung zu erklären, ist nicht sachgerecht und widerspricht der OECD sowohl bezogen auf den Risikokontrollansatz als auch bezogen auf die ausdrückliche Betonung einer Einzelfallbetrachtung.
Insgesamt bleibt der Eindruck, dass die Gesetzestexte entgegen der ausdrücklichen Verlautbarung nicht im Einklang mit Kap. X der OECD VP RL stehen und es in der Gesetzesbegründung keinerlei Verweise auf die jüngsten BFH-Entscheidungen gibt. Insb. bezogen auf das BFH-Urteil v. 18.5.2021 I R 4/17 hätte sich dies angeboten, weil diese Entscheidung an einigen Stellen selbst Querverweise auf Kap. X OECD VP RL enthält.
Die Regelungen sind erstmalig anzuwenden für den Veranlagungszeitraum 2024 für Einkommens- und Körperschaftssteuer (bzw. für den Erhebungszeitraum 2024 für die Gewerbesteuer). Somit ist zumindest eine rückwirkende Anwendung nicht vorgesehen.
Daher hat das BMF Zeit, mit einem Schreiben die unbestimmten Rechtsbegriffe und zulässige „Nachweise“ zu konkretisieren und eine Annäherung an die OECD-Vorgaben und an die BFH-Rechtsprechung zu schaffen.
Den Steuerpflichtigen wiederum bliebe auf dieser Basis dann vermutlich noch ausreichend Zeit diese gesetzlichen Neuerungen (inkl. entsprechender Erläuterungen) umzusetzen, bis sich die Verwaltung mit dieser Neuregelung im Rahmen von steuerlichen Betriebsprüfungen ab dem Veranlagungszeitraum 2024 erstmalig detailliert auseinandersetzen muss.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach der erfreulichen Annäherung an die OECD durch die BFH-Urteile insb. vom 18.05.2021 und die VWG VP von 2021 und 2023 mit der Einführung des §1 Abs. 3d) und 3e) AStG eine teilweise deutliche Abwendung von den Grundsätzen des Kap. X der OECD VP RL und „best practices“ auf internationaler Ebene zu beobachten ist. Dies dürfte zu einer deutlichen Zunahme an Auseinandersetzungen in steuerlichen Betriebsprüfungen führen. Dieser Trend wird zudem dadurch verstärkt, dass der Steuerpflichtige in den meisten Fällen auf das Führen des Gegenbeweises angewiesen sein wird, was mit einen erhöhten Dokumentationsaufwand einhergeht und höchst streitbehaftet sein wird.
Bundesgesetzblatt [BGBl. 2024 I Nr. 108 vom 27.03.2024], Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness.
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