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24.10.2013
Unternehmensrecht

BAG: Kein Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber

Abgelehnte Bewerber können ggf. einen Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung geltend machen. Es stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber den Bewerber hierbei durch nähere Informationen zu den Gründen der Ablehnung unterstützen muss. Das BAG hat diese Frage verneint.

Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin (seinerzeit 45 Jahre alt, geboren in Russland) hatte sich im Jahre 2006 zweimal auf dieselbe Stellenanzeige eines Arbeitgebers als „eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/-in“ beworben und erhielt beide Male eine Absage, ohne dass der Arbeitgeber diese inhaltlich näher begründete. Die Bewerberin verklagte den Arbeitgeber daraufhin auf Schadensersatz in Höhe von 6 Monatsgehältern zu 3.000,00 Euro. Arbeitsgericht und LAG Hamburg wiesen die Klage ab.

Entscheidung

Der EuGH hatte auf Vorlage des BAG in diesem Fall entschieden, dass die einschlägigen europäischen Richtlinien für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob (und damit auch warum) der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Arbeitgeber ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH wies das BAG die Klage ab, denn die Klägerin hat weder in ausreichender Weise dargelegt, dass sie die weniger günstige Behandlung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe erfahren hat, noch reichten ihre Darlegungen aus, um auf der Grundlage der nicht gegebenen inhaltlichen Begründung der Absagen zu der Beweiserleichterung aus § 22 AGG zu gelangen. Nach § 22 AGG trägt, wenn eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorliegt.

Auch die Verweigerung einer Auskunft über die Person, die an Stelle des klagenden Bewerbers vom Arbeitgeber eingestellt worden ist, und/oder über die Kriterien, die für deren Einstellung entscheidend waren, stellt nach dem BAG für sich betrachtet noch kein Indiz i.S.d. § 22 AGG dar, welches die Vermutung für das Vorliegen einer gegen §§ 1, 7 AGG verstoßenden Benachteiligung des nicht eingestellten Bewerbers begründet. Wenn der abgelehnte Bewerber weder nach deutschem noch nach europäischem Recht einen solchen Auskunftsanspruch habe, könne die Verweigerung einer solchen nicht geschuldeten Auskunft grundsätzlich keine nachteiligen Rechtsfolgen für den Arbeitgeber haben. Um infolge einer verweigerten Auskunft in den Genuss der Beweiserleichterung zu gelangen, müsse der Bewerber zumindest schlüssig darlegen, dass und warum es ihm durch die vom Arbeitgeber verweigerte Information unmöglich gemacht oder zumindest unzumutbar erschwert werde, Tatsachen gemäß § 22 AGG darzulegen, die eine unzulässige Benachteiligung vermuten lassen, oder warum die Verweigerung der Auskunft ein Indiz i.S.d. § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung darstelle. Er habe entweder Anhaltspunkte schlüssig darzulegen, aus denen er folgert, erst die geforderte, aber verweigerte Auskunft werde es ihm ermöglichen, eine gegen § 7 AGG verstoßende Benachteiligung entsprechend der Beweislastregel des § 22 AGG nachzuweisen oder schlüssig darzutun, aus welchen Gründen gerade die Verweigerung der Auskunft für sich allein betrachtet oder in der Gesamtschau aller Umstände die Vermutung einer Benachteiligung begründe. In diesem Zusammenhang dürfe sich der abgelehnte Bewerber nicht auf Behauptungen „ins Blaue hinein“ beschränken. Diesen Anforderungen entsprach der Vortrag der Klägerin nicht.

Betroffene Normen  
§§ 1, 7, 15 Abs. 2, 22 AGG

Anmerkungen  
Das BAG hat die Hürde, die abgelehnte Bewerber im Falle einer inhaltsleeren Ablehnung ihrer Bewerbung überspringen müssen, um in den Genuss der Indizwirkungen des § 22 AGG zu kommen, hoch gesetzt. In beiden vom BAG genannten Fallgruppen wird es jedenfalls den Bewerbern, die nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, kaum jemals möglich sein, die Anforderungen an den Vortrag zu erfüllen. Auch wenn im Schrifttum im Hinblick auf das Urteil teilweise empfohlen wird (Gola, NZA 2013, 360, 362), jegliche Absagen zukünftig mit einer nicht ins Detail gehenden kurzen Begründung zu versehen, sollten zumindest bei Absagen im Rahmen der Vorauswahl nach unserer Einschätzung möglichst keine Begründungen gegeben werden. Das BAG führt ausdrücklich aus, der Arbeitgeber sei nicht gehalten, individuell auf die jeweiligen Bewerbungen einzugehen, und müsse auch nicht von sich aus die Absage sachlich begründen; etwas anderes könne allenfalls bei der Bewerbung schwerbehinderter Bewerber gelten (Rn. 52). Eine individuelle Begründung, so kurz sie auch sei, erhöht u. E. das Fehlerpotenzial und schafft ggf. eher Risiken, als sie zu verhindern. Auch für diese Fälle bleibt es allerdings dabei, dass die vollständige und nachvollziehbare Dokumentation der Entscheidungen zentrale Bedeutung hat. Sollte ein ohne Vorstellungsgespräch nicht berücksichtigter Bewerber nachfassen, kann ihm dann eine auf den Einzelfall zugeschnittene Begründung gegeben werden, die insbesondere aufzeigt, bei welchen Aspekten er nicht optimal zum Anforderungsprofil passt. Unter dem Aspekt der Nachvollziehbarkeit ist es daher auch sinnvoll, ein ausführliches Anforderungsprofil in dem Stellenangebot zu veröffentlichen. Selbst objektiv geeignete Bewerber müssen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, ohne dass dies die Fiktionswirkungen des § 22 auslöst (Rn. 47).
Werden Bewerber zum Gespräch eingeladen, dürften Defizite im Vergleich zum Anforderungsprofil nur noch einen engen Anwendungsspielraum haben, die Auswahlentscheidung wird häufig auf nuancierten Unterschieden beruhen. Umso größer ist die Bedeutung der sauberen Dokumentation. Diesen Bewerbern wird häufig eine individuelle Begründung gegeben werden, zwingend erforderlich ist aber auch dies u. E. nicht, zumal unter diesen ernsthaften Bewerbern die Klagerisiken üblicherweise nur gering sein dürften. In Fällen, in denen tatsächliche Anhaltspunkte für ein derartiges Risiko bestehen, halten wir eine auf den Einzelfall eingehende, an objektiven Kriterien orientierte Begründung für sinnvoll.

Fundstelle
BAG, Urteil vom 25.04.2013, 8 AZR 287/08 

Weitere Fundstellen  
EuGH, Urteil vom 19.04.12, C-415/10, NZA 2012, S. 493
Gola, Informationsrecht abgelehnter Bewerber, NZA 2013, S. 360

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