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25.10.2013
Unternehmensrecht

BGH: Anpassung von Genussscheinbedingungen nach dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags

Der BGH hatte zu entscheiden, ob und inwieweit die Bedingungen von Genussscheinen anzupassen sind, wenn die Emittentin der Genussscheine mit ihrer Muttergesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag schließt.

Sachverhalt

Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der AG organisierte Tochtergesellschaft innerhalb eines Bankenkonzerns, die Genussscheine ausgegeben hat. Die Genussscheininhaber haben Anspruch auf eine jährliche Ausschüttung aus dem Bilanzgewinn der Beklagten, soweit die Ausschüttungen nicht zu einem Bilanzverlust führen. Sie nehmen ferner am laufenden Verlust der Beklagten teil. Nachdem die Beklagte mit ihrer Muttergesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags geschlossen hatte, erwirtschaftete sie nur noch einen fiktiven Jahresfehlbetrag. Die Beklagte setzte daraufhin die Rückzahlungsansprüche aus den Genussscheinen herab und leistete keine Ausschüttungen mehr an die Inhaber der Genussscheine. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm diese Ansprüche aus seinen Genussscheinen trotz Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags weiterhin voll zustehen.

Entscheidung

Der BGH stellt zunächst allgemein fest, dass die auf Basis des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags bestehende Gewinnabführungspflicht der Tochtergesellschaft und Verlustausgleichspflicht der Muttergesellschaft zur Neutralisation der Ausschläge in der Bilanz der Tochtergesellschaft nach „unten oder oben“ führe. Die Bilanz der Tochtergesellschaft weise folglich keine Gewinne oder Verluste mehr aus. Zumindest die Aktionäre der Tochtergesellschaft haben in einem solchen Fall gegen die Muttergesellschaft einen Anspruch auf Zahlung einer Kompensation (§ 304 AktG) oder auf Austritt aus der Tochtergesellschaft gegen Zahlung einer Abfindung (§ 305 AktG). Dagegen verfügen die Inhaber von Genussscheinen der Tochtergesellschaft über solche Ansprüche nicht, da sie nicht an der Tochtergesellschaft mitgliedschaftlich beteiligt sind.
Der BGH führt aus, die Genussscheinbedingungen der Beklagten basieren auf der Geschäftsgrundlage, dass ihr Vorstand sie in ihrem eigenen Interesse und eigenverantwortlich leite. Mit dem Abschluss eines Beherrschungs- und Beherrschungsvertrags mit der Muttergesellschaft falle diese Geschäftsgrundlage aber weg: Es bestehe die Gefahr, dass der Vorstand der Muttergesellschaft gegenüber der Beklagten nachteilige Weisungen erteilt und sie nicht mehr an ihrem eigenen Unternehmenswohl ausrichtet. Die Genussscheinbedingungen seien daher nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) an die veränderte Rechtslage anzupassen. Hierzu müssen die Parteien entsprechend dem Regelungsgehalt des § 304 Abs. 2 AktG eine Prognose aufstellen, wie sich das wirtschaftliche Ergebnis der Beklagten ohne den Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags nach dem Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags entwickeln hätte. Ergebe diese Prognose, dass Ausschüttungen aus dem (hypothetischen) Bilanzgewinn an die Genussscheininhaber erfolgen könnten und die Rückzahlung des Genussscheinkapitals ohne Abzüge möglich ist, seien während der Laufzeit des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags die Ausschüttungen an die Inhaber der Genussrechte entsprechend weiter zu zahlen und das Genussscheinkapital voll zurückzugewähren. Die Genussscheininhaber seien insoweit mindestens so schutzwürdig wie die Aktionäre. Anders als die Aktionäre können sie nämlich aufgrund ihrer fehlenden Mitverwaltungsrechte auf den Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags keinen Einfluss nehmen oder gegen Abfindung ausscheiden.

Anmerkungen

Im Ergebnis führt das BGH-Urteil dazu, dass mit Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags die Genussscheininhaber für die Laufzeit des Vertrags eine garantierte Ausschüttung und Rückzahlung des eingezahlten Genussscheinkapitals von der emittierenden Tochtergesellschaft erhalten, wenn die Prognose über deren zukünftige wirtschaftliche Entwicklung entsprechend positiv ausfällt. Diese Prognose ist auf Grundlage der bisherigen Ertragslage und künftigen Ertragsaussichten der Tochtergesellschaft zu berechnen. Konsequenterweise haben die Genussrechtsinhaber gegen die Tochtergesellschaft während der Laufzeit des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags aber keine Zahlungsansprüche, wenn die Planungsrechnung ergibt, dass die abhängige Gesellschaft längerfristig (chronisch) defizitär ist. Ein solcher „Nullausgleich“ gilt jedenfalls auch für den Ausgleichsanspruch der Aktionäre gemäß § 304 AktG.
Es ist daher gegebenenfalls sinnvoll, in den Genussscheinbedingungen der Emittentin das Schicksal der Ansprüche der Genussscheininhaber für den Fall zu regeln, dass die Emittentin mit ihrer Muttergesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag schließt. Die Möglichkeit des Abschlusses eines solchen Vertrags wird dann zur Geschäftsgrundlage zwischen der Emittentin und den Genussscheininhabern. Dementsprechend müssen die Bedingungen der Genussscheine nicht mehr angepasst werden, wenn sich der Abschluss des Vertrags realisiert. Bei der Gestaltung der entsprechenden Klauseln ist jedoch darauf zu achten, dass sie AGB-Recht entsprechen, also nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Genussscheininhaber führen.
Das BGH-Urteil verdeutlicht schließlich, dass Genussrechte den typischen Vermögensrechten von Aktionären entsprechen und insoweit dasselbe Schutzniveau gerechtfertigt ist, wenn infolge von Kapitalveränderungen bei der emittierenden Gesellschaft wirtschaftliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Gesetzlich ist übrigens für den Fall der Kapitalerhöhung einer AG angeordnet, dass neben den Aktionären auch die Genussscheininhaber aufgrund der damit verbundenen Schmälerung ihres Vermögens und Verwässerungsgefahr zu schützen sind, indem die ihnen gegenüber bestehenden Leistungspflichten der AG angepasst werden (§ 216 Abs. 3 AktG).

Betroffene Normen
§ 221 Abs. 3 AktG, § 313 BGB

Vorinstanz
OLG Frankfurt, Urteil vom 07.02.2012, 5 U 92/11 

Fundstelle
BGH, Urteil vom 28.05.2013, II ZR 67/12, DStR 2013, S. 1951

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