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15.09.2015
Unternehmensrecht

BGH: Keine unterjährige einvernehmliche Aufhebung eines Unternehmensvertrages mit abhängiger GmbH

Ein Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH kann nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden (BGH, Urteil vom 16.06.2015, II ZR 384/13).

Seit langem ist in Literatur und Rechtsprechung die Frage umstritten, ob ein Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH auch unterjährig, also zu einem von dem vereinbarten Abrechnungszeitraum (i.d.R. das Geschäftsjahresende) abweichenden Zeitpunkt, einvernehmlich aufgehoben werden kann. Der BGH hat nunmehr am 16. Juni 2015 diese Rechtsfrage geklärt und die herrschende Meinung in der Literatur bestätigt, dass entsprechend § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG ein Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH nur zum Ende des Geschäftsjahres oder eines sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden kann (BGH, Urteil vom 16.06.2015 – II ZR 384/13).

Überblick – Darstellung des Problems

Im GmbH-Recht sind Unternehmensverträge (insbesondere Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge) nicht geregelt. Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass eine GmbH in einem Konzernverhältnis sowohl als Organträgerin als auch als Organgesellschaft an einem Unternehmensvertrag beteiligt sein kann. Für die Praxis stellt sich die Frage, welche Rechtsregeln auf Unternehmensverträge mit einer GmbH anzuwenden sind. Unsicherheiten in diesem Zusammenhang reichen von der Begründung und den Anforderungen an den Abschluss eines Unternehmensvertrages bis hin zu dessen Beendigung und sind teilweise in Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten. Die Frage der Zulässigkeit der unterjährigen Aufhebung eines Unternehmensvertrages mit einer GmbH, also der einvernehmlichen Aufhebung auf einen Zeitpunkt vor Ende des Geschäftsjahres bzw. eines anderen vertraglich festgelegten Abrechnungszeitraums, hat der BGH nunmehr geklärt.

Sachverhalt

In dem Fall, der dem BGH zur Entscheidung vorlag, hatte das beklagte damals herrschende Unternehmen (Muttergesellschaft/Obergesellschaft) anlässlich der Veräußerung seiner Beteiligung an der beherrschten GmbH (einer 100%igenTochtergesellschaft der Beklagten) mit dieser Tochter-GmbH am 25. April 2000 vereinbart, den am 2./5. Mai 1996 geschlossenen Ergebnisabführungsvertrag, der bis zum Endes des Jahres 2000 befristet war, mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Die Aufhebung des Unternehmensvertrages wurde am 6. Juli 2000 in das Handelsregister eingetragen. Die beklagte Muttergesellschaft und die Tochtergesellschaft gehörten dem gleichen Konzernverbund an. Die Beteiligung der Tochter-GmbH wurde an eine Gesellschaft veräußert, die zum Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung ebenfalls noch zu dem Konzern gehörte.

Die Tochter-GmbH geriet später in die Insolvenz. Der Kläger, der Insolvenzverwalter der Tochter-GmbH nahm die Beklagte, die vormals herrschende Muttergesellschaft, wegen Zahlung von Verlustausgleichsansprüchen u.a. für 2000 in Höhe des anteiligen Verlusts zum Aufhebungsstichtag im Jahr 2000 in Anspruch. Das Landgericht (LG München I, Entscheidung vom 06.12.2011 - 33 O 6912/10) und Oberlandesgericht (OLG München, Schlussurteil vom 20.11.2013 - 7 U 5025/11) verurteilten die Beklagte auf Zahlung des Bilanzverlusts der beherrschten Tochter-GmbH für das Jahr 2000 zum 31.12.2000, somit für das gesamte Geschäftsjahr 2000. Gegen das Urteil des OLG München richteten sich die Revisionen beider Parteien. Im Kern ging es in dem Rechtsstreit somit darum, ob die Beklagte Verlustausgleichsansprüche für das (genannte) Geschäftsjahr 2000 oder nur bis zum Aufhebungsstichtag schuldet, worüber der BGH sodann zu entscheiden hatte.

Entscheidung

1. Entsprechende Anwendung des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG im GmbH-Konzern

Die Revisionen beider Parteien hatten keinen Erfolg und wurden zurückgewiesen. Der BGH bestätigte das Berufungsurteil des OLG München, welches der Tochter-GmbH einen Verlustausgleichanspruch für das gesamte Geschäftsjahr 2000 zugesprochen hatte. Der BGH entschied, dass ein Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH entsprechend § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden könne. Daher sei die vereinbarte Aufhebung des Unternehmensvertrages zum 25.04.2000 unwirksam und der Unternehmensvertrag erst mit Wirkung zum 31.12.2000 beendet worden. Für die Bestimmung des Verlustausgleichs (§ 302 Abs. 1 AktG) ist somit laut BGH das Ende des Geschäftsjahres am 31.12.2000 maßgeblich und zugrunde zu legen.

Der BGH wendet die Vorschriften des AktG zur Begründung und Beendigung eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages mit einer abhängigen Aktiengesellschaft auf Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH entsprechend an soweit der Schutzzweck der Vorschriften bei einer abhängigen GmbH gleichermaßen zutrifft und sie nicht auf Unterschieden in der Binnenverfassung von AG und GmbH beruhen. Dies soll auch für die Vorschrift des § 296 Abs. 1 AktG zur Aufhebung von Unternehmensverträgen gelten. Der Schutzzweck des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG treffe auf die GmbH ebenso zu wie auf die Aktiengesellschaft. Die Beschränkung der Vertragsaufhebung auf das Ende des Geschäftsjahres oder eines sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums diene im Wesentlichen dem Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit.

Weiter ist der BGH der Auffassung, dass die Abrechnung auf der Grundlage einer Bilanz zum Ende des Geschäftsjahres oder eines sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums zum einen die Abrechnung etwaiger Ansprüche der Minderheitsgesellschafter sowie auch die Ergebnisabführung vereinfache. Dies insbesondere, da eine Bilanz zum Ende des Geschäftsjahres regelmäßig geprüft werde und so die Gefahr einer Manipulation geringer sei als bei einer Abrechnung auf der Grundlage einer Zwischenbilanz oder gar die Gefahr des Unterlassens einer Abrechnung. Diese in § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG zum Ausdruck kommende Wertentscheidung des Gesetzgebers sei auch im Falle einer GmbH zu beachten.

Schlussendlich wiege die aus der Anwendung des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG resultierende Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit auch nicht besonders schwer, da die Obergesellschaft regelmäßig als Mehrheits- oder Alleingesellschafter der abhängigen GmbH eine Geschäftsjahresänderung verbunden mit der Einführung eines Rumpfgeschäftsjahres beschließen könne.

2. Keine Umdeutung in Kündigungserklärung

Der BGH ließ auch eine Umdeutung der Aufhebungsvereinbarung in eine außerordentliche Kündigung mangels Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht zu. Dabei hatte der BGH offengelassen, ob die Veräußerung der Beteiligung durch die Obergesellschaft ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Ergebnisabführungsvertrages entsprechend § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG durch die Obergesellschaft sein kann. Ein wichtiger Grund liege – so der BGH – nur vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Unternehmensvertrages bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne.

Dass im vorliegenden Fall eine Vertragsbeendigung erst zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt, somit eine Fortführung bis zum Ende des Geschäftsjahres 2000 für die Beklagte zum Aufhebungszeitpunkt mit unzumutbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, war für den BGH jedoch nicht ersichtlich, selbst wenn die Beteiligungsveräußerung als wichtiger Grund für eine fristlose und somit unterjährige Beendigung des Unternehmensvertrages grundsätzlich in Betracht käme. Der BGH weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass die Beteiligung an der Tochter-GmbH an eine zum Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung noch zum Konzern gehörende Gesellschaft veräußert worden sei und stellt damit zugleich klar, dass die Beteiligungsveräußerung an ein konzernverbundenes Unternehmen jedenfalls nicht ohne weiteres als wichtiger Grund für eine außerordentliche unterjährige Kündigung zu qualifizieren sei, der eine Fortführung des Unternehmensvertrages bis zum Geschäftsjahresende unzumutbar machen würde.

Hinweise für die Praxis

Eine unterjährige einvernehmliche Aufhebung eines Unternehmensvertrages kann laut BGH nunmehr nur durch Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres bei der abhängigen Gesellschaft erreicht werden. Dies geschieht im Wege einer vorherigen Satzungsänderung bei der abhängigen Gesellschaft, durch welche das Geschäftsjahr dieser Gesellschaft entsprechend auf den gewünschten Aufhebungszeitpunkt geändert wird. Diese Satzungsänderung muss jedoch vor Ablauf des gebildeten Rumpfgeschäftsjahres bzw. vor Beginn des neuen Geschäftsjahres im Handelsregister eingetragen sein. Liegt hierin zugleich die Umstellung des Geschäftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum, ist für die steuerliche Wirksamkeit die vorherige Zustimmung des Finanzamts erforderlich.

Die Einhaltung der Vorschrift des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG sollte vorsorglich auch bei der Aufhebung von anderen Unternehmensverträgen als Beherrschungs- und/oder Gewinn- bzw. Ergebnisabführungsverträgen stets beachtet werden. So sollten auch Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträge einvernehmlich nur zum Ende des Geschäftsjahres aufgehoben werden. Zwar hatte der BGH vorliegend über die vorzeitige Aufhebung eines Ergebnisabführungsvertrages zu entscheiden, aber mit der vorliegenden Entscheidung hatte er die analoge Anwendung des § 296 Abs. 1 Satz AktG im GmbH-Konzern zumindest dem Wortlaut nach eindeutig nicht auf bestimmte Arten von Unternehmensverträgen und somit nicht auf Gewinnabführungsverträge beschränkt, sondern allgemein auf Unternehmensverträge bezogen. Damit hatte der BGH auch implizit die Entscheidung des OLG Zweibrücken aus dem Jahr 2013, mit welcher dieses für einen Betriebspachtvertrag entschieden hatte, dass § 296 Abs. 1 AktG für „andere Unternehmensverträge“ nicht generell analog bei einer abhängigen GmbH gelte, verworfen. Ob dies bewusst geschah, kann angesichts der Begründung des BGH für die Zulässigkeit der analogen Anwendung des § 296 Abs. 1 Satz AktG im zugrunde liegenden Fall in Frage gestellt werden.

In der Praxis sollte jedenfalls nunmehr auch im GmbH Konzern § 296 Abs. 1 AktG bei einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung, ungeachtet der Art des Unternehmensvertrages stets beachtet werden.

Neben der einvernehmlichen Aufhebung von Unternehmensverträgen ist eine außerordentliche unterjährige Kündigung auch weiterhin im GmbH-Konzern zulässig, sofern ein wichtiger Grund vorliegt und kann auch vertraglich nicht ausgeschlossen oder erschwert werden. Als wichtigen Grund erwähnt das Gesetz beispielhaft in § 297 Abs. 1 S. 2 AktG den Fall, dass die herrschende Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Im Übrigen liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem kündigenden Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden kann. Die Ursache darf dabei allerdings nicht in der Risikosphäre des kündigenden Vertragsteils liegen. Den Parteien steht es jedoch in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht frei, weitere Anlässe als wichtige Kündigungsgründe im Unternehmensvertrag zu definieren, so beispielswiese die Veräußerung der Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft. Ob im konkreten Fall die Veräußerung der Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft durch die Obergesellschaft einen wichtigen Grund darstellt, der zur außerordentlichen unterjährigen Kündigung berechtigt, ist jedoch in jedem Einzelfall sorgfältig und frühzeitig, insbesondere an Hand des Wortlauts der Kündigungsregelung im Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag zu prüfen. Auch ist hierbei die teilweise unterschiedliche steuerrechtliche und gesellschaftsrechtliche Würdigung zu beachten. So können vertraglich definierte außerordentliche Kündigungsgründe u.U. keine wichtigen Gründe im steuerrechtlichen Sinne darstellen, bei deren Vorliegen eine steuerunschädliche vorzeitige Beendigung eines Gewinnabführungsvertrages und somit der Organschaft möglich ist. Andererseits kann eine ansonsten zulässige einvernehmliche Aufhebung eines Gewinnabführungsvertrages zum Ende eines Geschäftsjahres vor Ablauf der 5-jährigen Mindestlaufzeit steuerlich schädlich sein und zur Nichtanerkennung der Organschaft insgesamt (also auch für die Vorjahre) führen, sofern nicht gleichzeitig ein wichtiger Grund im Sinne des Steuerrechts für die vorzeitige Beendigung der Organschaft gegeben ist.

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