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14.10.2015
Unternehmensrecht

E-Commerce & Kartellrecht – Neuste Entwicklungen im Zusammenhang mit Online-Marktplatzverboten

Der Onlinehandel gerät zunehmend in den Fokus des Kartellrechts. Im Kontext mit Online-Marktplatzverboten sind zuletzt einige kartellbehördliche und zivilgerichtliche Entscheidungen ergangen. Neue Impulse werden auch auf EU-Ebene gesetzt. Die Europäische Kommission hat hier zuletzt die Sektoruntersuchung „E-Commerce“ angestoßen.

Der Internethandel wächst kontinuierlich. Jahr für Jahr nutzen mehr Konsumenten die Möglichkeit ihre Einkäufe vom heimischen Computer aus zu erledigen. Der Onlinehandel hält neben enormen Wachstumspotentialen allerdings auch Konflikte für die Hersteller und Händler bereit. Neben der steigenden Konkurrenz für den Fachhandel steht hier oftmals die Beeinträchtigung des Markenimages im Vordergrund. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, lies jüngst verlauten, dass „beim sich dynamisch entwickelnden Internethandel [darauf geachtet werden müsse], den Interessen der Hersteller gerecht zu werden und gleichzeitig Märkte und Chancen zugunsten von Händlern und Verbrauchern offenzuhalten.“

I. Ökonomischer Hintergrund

Hoch umstritten bleibt die Frage, ob Online-Marktplatzverbote per se einen Verstoß gegen das Kartellverbot implizieren oder ob diese zumindest im Einzelfall kartellrechtskonform ausgestaltet werden können. Im Rahmen des Internethandels kommt Online-Marktplätzen, d.h. Internethandelsplattformen, wie beispielsweise Amazon Marketplace oder eBay, die es den Händlern erlauben, Endverbrauchern Waren anzubieten, ohne dafür eine eigene Online-Infrastruktur vorzuhalten, eine besondere Rolle zu. Durch offene Marktplätze werden Suchkosten und Marktzutrittsschranken reduziert und Intra-Brand Wettbewerb, d.h. Wettbewerb zwischen Händlern derselben Marke, gefördert.

Hersteller fürchten indes – was insbesondere für Produkte mit hochwertigem Markenimage gilt – dass eben dieses durch den Vertrieb auf Onlineplattformen negativ beeinträchtigt werden könnte. Insoweit drohe durch den Flohmarkt-Charakter der Plattformen die „Verramschung“ des eigenen Produkts. Aus Sicht der Fachhändler ergibt sich zudem immer dann ein Konflikt mit dem Onlinehandel, wenn sich Kunden umfangreich im Ladengeschäft beraten lassen und das Produkt anschließend kostengünstig online bestellen („Trittbrettfahrer-Problem“). Einschränkungen des Onlinehandels bzw. des Vertriebs über Online-Marktplätze können aus ökonomischer Sicht also immer dann notwendig werden, wenn die Produkte entweder über ein hochwertiges Markenimage verfügen oder besonders beratungsintensiv sind.

II. Rechtliche Implikationen

Sowohl das europäische als auch das deutsche Kartellrecht sehen pauschale Internetvertriebsverbote – unabhängig von der zugrundeliegenden Vertriebsform – als unzulässig an. Der Internetvertrieb stellt eine Form des passiven Verkaufs dar, dessen Beschränkung weder im Wege einer Gruppen- noch einer Einzelfreistellung gerechtfertigt sein kann. Selbiges gilt für rein faktische Beschränkungen, wie Doppelpreis- oder Rabattsysteme, die den stationären Vertrieb pauschal bevorteilen. Der EuGH hat im Urteil Pierre Fabre (C-439/09) entschieden, dass auch der Schutz des Markenimages – zumindest im Kontext von Internet-Totalverboten – kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sein könne.

Im Zusammenhang mit Online-Marktplatzverboten sind bis dato zahlreiche zivilgerichtliche Entscheidungen ergangen. Zudem hat sich auch das Bundeskartellamt in Rahmen mehrerer Untersagungsverfügungen zu derartigen Verbotsklauseln geäußert. Abschließende Klarheit wird indes nur eine Entscheidung des BGH herbeiführen können.

1. Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts

Jüngst wurde bekanntgegeben, dass der Sportschuhhersteller ASICS – ebenso wie zuvor bereits adidas – nach entsprechendem Feststellungsbeschluss des Bundeskartellamts die seitens der Kartellbehörde beanstandeten Vertriebsklauseln angepasst habe. ASICS hatte seinen Händlern unter anderem verboten, für ihren Onlineauftritt Preisvergleichsmaschinen zu nutzen und Markenzeichen von ASICS auf Internetseiten Dritter zu verwenden, um Kunden auf den eigenen Online-Shop zu leiten. Derartige Klauseln beeinträchtigen kleine und mittlere Händler enorm, da diese den damit verbundenen Reichweitenverlust nicht kompensieren können.

Die Seitens ASICS verwendeten Klauseln zum Plattformverbot kritisierte das Bundeskartellamt ebenfalls. Hierüber musste angesichts der als kartellrechtswidrig festgestellten anderen Beschränkungen jedoch nicht mehr entschieden werden. Insoweit lies das Bundeskartellamt verlauten, dass durch die Entscheidung ein „Diskussionsprozess zur kartellrechtlichen Beurteilung von Marktplatzverboten und anderen Internetvertriebsbeschränkungen – auch auf europäischer Ebene“ angestoßen werden solle. Parallel laufen derzeit Befragungen im Rahmen der durch die EU Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager angestoßene Sektoruntersuchung E-Commerce.

2. Zivilgerichtliche Entscheidungen

Aus der derzeitigen Judikatur kann geschlussfolgert werden, dass Marktplatzverbote – wenn überhaupt – nur im Rahmen selektiver Vertriebssysteme zulässig sein können. Außerhalb von selektiven Vertriebssystemen wird ein Plattformverbot – zumindest in der deutschen Rechtsprechung – für grundsätzlich unzulässig erachtet.

Unter einem selektiven Vertriebssystem werden solche Vertriebssysteme verstanden, in denen sich der Anbieter verpflichtet, die Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und in denen sich diese Händler verpflichten, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind. Ein selektives Vertriebssystem besteht beispielsweise dann nicht, wenn Hersteller auch direkt an Großkunden oder Großhändler veräußern, die diese Produkte wiederum an nichtautorisierte Händler weitergeben dürfen (OLG Schleswig, Urteil vom 05.06.2014, 16 U Kart 154/13).

Sofern ein selektives Vertriebssystem jedoch wirksam errichtet wurde, können seitens des Herstellers qualitative Anforderungen an die Vertriebspartner gestellt werden. Insoweit können Hersteller etwa verlangen, dass Händler über physische Verkaufspunkte oder Ausstellungsräume verfügen, wenn sie Mitglied des Vertriebssystems werden wollen. Rein qualitative Anforderungen sind indes von Gebiets- und Kundengruppenbeschränkungen (Art. 4 lit. b) Vertikal-GVO) bzw. Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs (Art. 4 lit. c) Vertikal-GVO) abzugrenzen. Diese stellen sog. Kernbeschränkungen dar und können auch in selektiven Vertriebssystemen nicht gerechtfertigt werden.

III. Fazit

Um Vertriebsbeschränkungen im Internet abschließend beurteilen zu können, bedarf stets einer differenzierten Einzelfallbetrachtung. Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob der Hersteller ein Universal-, Selektiv- oder Exklusivvertriebssystem gewählt hat. Nur im Falle eines – wirksam implementierten – selektiven Vertriebssystems kommt ein Marktplatzverbot überhaupt in Betracht. Die Beurteilung, ob bereits tatbestandlich keine Wettbewerbsbeschränkung vorliegt oder zumindest eine Gruppen- bzw. Einzelfreistellung in Betracht kommt, bedarf ebenfalls einer Einzelfallprüfung. Hersteller sollten ihre Liefer- und Vertriebsbedingungen jedenfalls im Lichte der aktuellen Rechtsprechung überprüfen und bei Bedarf entsprechend anpassen.

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