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23.09.2014
Unternehmensrecht

Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung auch in der Liquidationsphase einer Gesellschaft anwendbar

Wird eine bestehende GmbH, die zuvor keine aktive Geschäftstätigkeit (mehr) ausgeübt hat, reaktiviert, so wird dies als wirtschaftliche Neugründung bezeichnet. Vor (Wieder-)Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit ist daher ggü. dem Registergericht die Versicherung abzugeben, dass das Vermögen der GmbH mindestens dem satzungsmäßigen Stammkapital entspricht. Nach einer Entscheidung des BGH gelten diese Grundsätze auch, wenn eine in Liquidation befindlichen GmbH wiederbelebt wird. Unterbleibt die Versicherung ggü. dem Registergericht, kann dies zu einer persönlichen Haftung der Handelnden führen.

In seinem Urteil vom 10. Dezember 2013, AZ. II ZR 53/12, erstreckt der BGH die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung auch auf das Liquidationsstadium einer Gesellschaft.

Nach den Grundsätzen der sog. wirtschaftlichen Neugründung müssen Teile der Gründungsvorschriften aus dem GmbH-Recht auch dann angewendet werden, wenn eine Mantelgesellschaft oder eine Vorratsgesellschaft ihre operative Tätigkeit (wieder) aufnimmt (d.h. eine bestehende Gesellschaft, die zuvor keine aktive Geschäftstätigkeit (mehr) ausgeübt hat, reaktiviert wird). Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Kapitalausstattung jedenfalls bei der Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit gewährleistet ist. Diese Aufnahme muss daher dem Handelsregister mitgeteilt und mit der Versicherung verbunden werden, dass das Vermögen der GmbH mindestens dem satzungsmäßigen Stammkapital entspricht. Die gleichen Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung gelten auch bei Verwendung und Wiederbelebung eines leeren Mantels einer in Liquidation befindlichen GmbH.

I. Sachverhalt

Nach Auflösung einer GmbH und Eintragung der Liquidation im Handelsregister ruhte der Geschäftsbetrieb der GmbH über ein Geschäftsjahr, bevor die Eintragung der Fortsetzung in das Handelsregister erfolgte. Nach Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs trat der bisherige Alleingesellschafter seinen Geschäftsanteil ab. Im Folgenden wurde die Firma zweimal geändert, bevor drei Jahre später das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wurde. Eine wirtschaftliche Neugründung wurde dem Registergericht nicht offengelegt. Der Insolvenzverwalter nahm den Gesellschafter auf Zahlung der Differenz zwischen dem im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorhandenen (negativen) Vermögen und dem Stammkapital in Anspruch. In den ersten beiden Instanzen wurde der Gesellschafter antragsgemäß verurteilt (LG Würzburg, Urteil vom 30. November 2010, AZ. 62 O 540/10 GES und OLG Bamberg, Urteil vom 16. Januar 2012, AZ. 4 U 339/10).

II. Entscheidung des BGH

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Der Schwerpunkt des Urteils lag in der Frage, ob im Zeitpunkt der Fortsetzung der in Liquidation befindlichen Gesellschaft tatsächlich die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung erfüllt waren. Nach Ansicht des BGH hatte das Berufungsgericht sich nicht ausreichend mit dieser Frage befasst und daher die Rückverweisung verfügt.

Für die Abgrenzung, ob eine wirtschaftliche Neugründung durch eine Mantelverwendung oder eine bloße Umorganisation oder Sanierung einer GmbH vorliegt, sei grundsätzlich entscheidend, ob die Gesellschaft noch in irgendeiner Weise ein aktives Unternehmen betreibe, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs in einer wirtschaftlich gewichtbaren Weise anknüpfe, oder ob tatsächlich nur noch eine „leer gewordene Hülse“ bestünde. Die Situation während der Liquidation einer GmbH sei vergleichbar mit der einer „ruhenden“ Mantelgesellschaft.

Allerdings muss laut BGH dieser Abgrenzungsmaßstab im Fall der wirtschaftlichen Neugrün-dung in der Liquidationsphase angepasst werden. Die mit der Fortführung beabsichtigte Zweckänderung von einer Abwicklungs- zurück zu einer werbenden Gesellschaft sei nicht zwingend und nicht ohne weiteres eine wirtschaftliche Neugründung, weil die aufgelöste Gesellschaft nicht per se ein unternehmensleerer Mantel ist. Dass während der Liquidation allenfalls noch Geschäfte im Rahme des Liquidationszweckes betrieben werden und nach Beendigung der laufenden Geschäfte mit der weiteren Abwicklung die nach außen gerichtete Geschäftstätigkeit zum Erliegen kommt, reiche zur Annahme einer leeren Hülse nicht aus. Bei Gesellschaften in der Abwicklungsphase sei vielmehr entscheidend, ob noch nennenswerte Liquidationsaufgaben im Sinne des § 70 GmbHG wahrgenommen würden oder die Abwicklung tatsächlich über längere Zeit nicht mehr betrieben wurde. Nur im letzteren Fall führe eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs zu einer wirtschaftlichen Neugründung. Für das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung trage der Kläger die Beweislast.

III. Konsequenzen für die Praxis

Die Klarstellung des BGH, dass die Auflösung und Liquidation einer GmbH nicht automatisch zu einer „leer gewordenen Hülse“ eines Unternehmens führt und somit dieser Umstand allein nicht genügt, um von einem unternehmenslosen GmbH-Mantel ausgehen zu können, ist äußerst praxisrelevant. Entscheidend ist, ob die Gesellschaft noch nennenswerte Liquidationstätigkeiten entfaltet. Diese Frage dürfte in der Praxis oftmals schwer zu klären sein. Im Einzelfall ist daher bei der Reaktivierung stets genau zu prüfen, ob eine „leer gewordene Hülse“ bzw. ein leerer Gesellschaftsmantel vorliegt und die Gründungsvorschriften entsprechend anzuwenden sind, um eine persönliche Haftung zu vermeiden.

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