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27.01.2015
Unternehmensrecht

Sittenwidrigkeit von Abfindungsausschlüssen in GmbH-Satzungen

Mit Urteil vom 29.04.2014 (Az. II ZR 216/13) hat der BGH entschieden, dass eine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, die die Abfindung eines Gesellschafters im Fall einer (groben) Verletzung der Interessen der Gesellschaft ausschließt, grundsätzlich sittenwidrig und nicht als Vertragsstrafe zulässig ist.

I. Einleitung

Ein Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters ist im GmbHG nicht geregelt. Jedoch ist allgemein anerkannt, dass dem durch Einziehung aus der Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafter grundsätzlich eine Abfindung zusteht, wenn nicht ausnahmsweise wirksam eine unentgeltliche Einziehung (dazu unter III) vorgesehen ist oder der Gesellschafter auf seine Abfindung verzichtet.

Die Höhe der Abfindung richtet sich nach dem Verkehrswert der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters, wenn im Gesellschaftsvertrag keine Regelung hierzu getroffen wird. Zulässig ist es, eine Abfindung unterhalb des Verkehrswertes vorzusehen, welche im Interesse der Mitgesellschafter liegt und die Liquidität der Gesellschaft schont, insbesondere eine Abfindung zum Buchwert oder nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren.

Wichtig ist jedoch, hinsichtlich der einzelnen Gründe für das Ausscheiden zu differenzieren. Eine Buchwertklausel ist grds. nur vertretbar bei einer Einziehung aus wichtigem Grund, bei einem Insolvenzverfahren oder einer Zwangsvollstreckung und beim Ausscheiden von Erben eines Gesellschafters nach dessen Tod. Selbst bei einem Ausscheiden aus wichtigem Grund kann eine große Diskrepanz von vereinbartem Abfindungs- und tatsächlichem Anteilswert jedoch dazu führen, dass eine Buchwertabfindung nicht mehr zumutbar ist (vgl. BGH DB 1993, 1616 – Buchwert nur 1/10 des Verkehrswertes). Für eine Unzumutbarkeit kommt es indessen jedoch nicht nur auf das Verhältnis zwischen Abfindungs- und Verkehrswert allein an. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wie die Dauer der Mitgliedschaft des Ausgeschiedenen in der Gesellschaft und sein Anteil am Aufbau und Erfolg des Unternehmens sowie der Anlass des Ausscheidens.

Besteht bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages ein grobes Missverhältnis zwischen dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Abfindungsanspruch und dem Verkehrswert, ist diese Klausel sittenwidrig und damit nichtig. Rechtsfolge ist, dass die Abfindungsklausel keine Wirkung entfaltet und damit dem ausscheidenden Gesellschafter eine Abfindung zum vollen Verkehrswert geschuldet wird. Wenn das Missverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt entsteht, weil der Verkehrswert steigt, nicht aber die Abfindung, nimmt die Rechtsprechung eine ergänzende Vertragsauslegung vor. Der Inhalt der vertraglichen Abfindungsregelung ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter angemessener Abwägung der Interessen der Gesellschaft und des ausscheidenden Gesellschafters und unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles entsprechend den veränderten Verhältnissen neu zu ermitteln. Wann ein solches grobes Missverhältnis vorliegt, richtet sich wiederum nicht nach einem festen Grenzwert, sondern nach dem jeweiligen Einzelfall unter Abwägung der betroffenen Interessen.

Neben den Interessen des ausscheidenden Gesellschafters sind auch die seiner Gläubiger zu berücksichtigen. Unter dem Aspekt der Gläubigerbenachteiligung sind daher Vereinbarungen nichtig, die bei Pfändung eines Geschäftsanteils oder Insolvenz des Gesellschafters die Einziehung des Geschäftsanteils gegen ein unter dem Verkehrswert liegendes Entgelt zulassen, diese Entschädigungsregelung aber nicht auch für den Fall der Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund vorsehen.

II. Sachverhalt

Die Klägerin war mit einem Anteil von 49,6 % Gesellschafterin der beklagten GmbH. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH sah u.a. vor, dass der Geschäftsanteil eines Gesellschafters durch Beschluss der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingezogen werden kann, wenn in der Person des Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegt. Eine weitere Regelung sah vor, dass die Einziehung ohne Entgelt erfolgt, wenn der Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft grob verletzt hat. Sollte im Falle der Einziehung wegen grober Pflichtverletzung rechtlich ein Entgelt zwingend vorgeschrieben sein, so ist dieses so niedrig wie möglich zu bemessen. Ende 2010 stellte die Gesellschafterversammlung durch Beschluss fest, dass in der Person der Klägerin wichtige, zur Ausschließung berechtigende Gründe vorlägen und schloss die Klägerin deshalb aus der GmbH aus. Zudem wurde beschlossen, dass aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Regelung eine Abfindung nicht geschuldet sei.

III. Entscheidung

Der BGH hat entschieden, dass die Vereinbarung eines Abfindungsausschlusses im Gesellschaftsvertrag gemäß § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig ist. Der Entscheidung liegt die Erwägung zugrunde, dass das Recht auf Abfindung zu den Grundmitgliedsrechten eines Gesellschafters gehört. Die Gesellschafterstellung dürfe nicht ohne Wertausgleich verloren gehen, weil der Gesellschafter durch Einsatz von Vermögen und gegebenenfalls Arbeitskraft zum Wert des Gesellschaftsvermögens beigetragen hat. Der Ausschluss der Abfindung könne für den Gesellschafter existenzgefährdend sein und beeinträchtige seine wirtschaftliche Freiheit.

Nur in sachlich begründeten Ausnahmefällen sei eine Einschränkung zulässig. Dies gelte für auf den Todesfall bezogene Abfindungsregelungen und bei sogenannten Geschäftsführer- bzw. Mitarbeiterbeteiligungsmodellen, wenn den Mitarbeitern unentgeltlich Geschäftsanteile gewährt wurden und diese bei einem Ausscheiden als Mitarbeiter zurück zu übertragen sind. Auch wenn die Gesellschaft ideelle oder gemeinnützige Zwecke verfolgt, sei eine Einziehung ohne Abfindung zulässig.

Dabei hält der BGH einer bislang weit verbreiteten Auffassung im Schrifttum, welche einen Abfindungsausschluss bei Einziehung des Geschäftsanteils wegen pflichtwidrigen Verhaltens oder wegen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht für eine zulässige Vertragsstrafe hält, entgegen, dass eine Regelung mit vollständigem Abfindungsausschluss als Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs zu undifferenziert sei. Als Druckmittel eigne sich dieses Instrument ebenfalls nicht hinreichend, denn es droht bei pflichtwidrigem Verhalten ohnehin der Verlust der Mitgliedschaft und damit einer Einnahmequelle. Der zusätzliche Ausschluss der Abfindung biete keinen erheblichen darüber hinausgehenden Anreiz sich pflichtgemäß zu verhalten. Außerdem müsse in jedem Einzelfall die Verhältnismäßigkeit der Strafe überprüft werden, wofür keine praktisch handhabbaren Maßstäbe bestünden.

IV. Praxishinweis

Ist nicht erwünscht, dass ein ausscheidender Gesellschafter unabhängig vom Grund des Ausscheidens zum Verkehrswert abgefunden wird, muss eine entsprechende Klausel sorgfältig ausgestaltet werden. Regelungen, die eine Abfindung unter dem Verkehrswert vorsehen, sollten hinsichtlich der einzelnen Gründe des Ausscheidens differenzieren. Die Aufnahme einer Buchwertklausel birgt regelmäßig die Gefahr, dass es im Falle der Einziehung zu einem Rechtsstreit mit Erhöhung der Abfindung nach den oben genannten Grundsätzen kommt. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH ist von entsprechenden Regelungen zum Ausschluss des Abfindungsanspruchs bei (grober) Pflichtverletzung durch den Gesellschafter abzuraten.

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