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23.07.2025
Rechnungslegung

BFH: Aktivierung von Provisionsansprüchen bei Versicherungsvertretern

 Der Zeitpunkt, zu dem Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern zu aktivieren sind, bestimmt sich nach der Vertragsgestaltung im jeweiligen Einzelfall. Wenn sich aus der maßgeblichen Provisionsregelung ergibt, dass ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse. Diese sind beim Versicherungsvertreter als erhaltene Anzahlungen zu passivieren und daher zunächst noch nicht gewinnrealisierend.

BFH, Urteil vom 30.04.2025, X R 12-13/22

Sachverhalt

K (Kläger) ist als Vermittler für ein Unternehmen (U) tätig, das Finanzprodukte vertreibt. Er hat nach den vertraglichen Abreden die Rechtsstellung eines Handelsvertreters (§§ 92, 84 ff. HGB) und vermittelt im Wesentlichen den Abschluss von Versicherungsverträgen. Seinen Gewinn ermittelt er durch Betriebsvermögensvergleich.


Nach dem zwischen K und U abgeschlossenen Vermögensberater-Vertrags erhält K für seine Vermittlungstätigkeit eine ausschließlich erfolgsabhängige Vergütung in Form von Provisionen. Für die Vermittlung von Verträgen, bei denen Stornohaftungszeiten zu beachten sind, entsteht der Provisionsanspruch erst, wenn der geworbene Kunde die nach den Provisionsbedingungen vorgesehene Anzahl an Beiträgen entrichtet hat. Gleichwohl leistet U für die Vermittlung solcher Verträge auch vor dem rechtlichen Entstehen des Provisionsanspruchs auf freiwilliger Basis und im Wege der Vorfinanzierung Zahlungen an seine Vermittler, die allerdings laufzeitanteilig zurückzugewähren sind, wenn der vermittelte Vertrag vor Ablauf der Stornohaftungszeit aufgelöst wird. Zur Sicherung der vorfinanzierten Beträge nimmt U einen als „Rückstellung" bezeichneten Einbehalt vor, dessen Höhe sich in Abhängigkeit vom erzielten Umsatz auf 10% bis 20% der vorfinanzierten Beträge beläuft.


Strittig war der Zeitpunkt der Gewinnvereinnahmung der Provisionen.

Entscheidung

Der Zeitpunkt, zu dem Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern zu aktivieren sind, bestimmt sich nach der Vertragsgestaltung im jeweiligen Einzelfall.

Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HS 2 HGB sind Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Forderung entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Forderung fest rechnen kann.

Nicht erforderlich ist, dass die Forderung am Bilanzstichtag fällig ist (BFH-Urteil vom 06.10.2009, I R 36/07). Demgegenüber dürfen aufschiebend bedingte Ansprüche nicht aktiviert werden (BFH-Urteil vom 28.10.2009, I R 28/08).

Differenzierung zwischen Handelsvertreter und Versicherungsvertreter

 

  • Handelsvertreter

Ein Handelsvertreter im Allgemeinen hat gemäß § 87a Abs. 1 S. 1 HGB Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Vertragliche Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur in den durch § 87a Abs. 1 S. 2 und 3 HGB abgesteckten Grenzen zulässig.

 

  • Versicherungsvertreter

Demgegenüber hat ein Versicherungsvertreter (als besondere Gruppe von Handelsvertreter) nach § 92 Abs. 4 HGB Anspruch auf Provision im Sinne des § 87a Abs. 1 HGB, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Die Vertragsparteien (der Versicherer und der Versicherungsvertreter) haben es daher in der Hand, durch Anknüpfung an die – sich gegebenenfalls über einen gewissen Zeitraum erstreckenden – Prämienzahlungen auch den Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens des Provisionsanspruchs hinauszuschieben. Das gilt auch, wenn die Bemessungsgrundlage der Provision nicht die Prämie, sondern die Versicherungssumme ist.

Vertragsgestaltung im Einzelfall maßgeblich

Die BFH-Rechtsprechung knüpft an diese zivilrechtliche Differenzierung an, wobei stets die Vertragsgestaltung im konkreten Einzelfall maßgeblich ist (ebenso BMF-Schreiben vom 28.05.2002).

 

  • Provisionsanspruch noch nicht entstanden

Wenn sich aus der maßgebenden Provisionsregelung ergibt, dass ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei den etwaigen gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse, die (nach § 266 Abs. 3 Abschn. C.3 HGB) als erhaltene Anzahlungen zu passivieren sind, also noch keine gewinnrealisierende Wirkung haben (so bereits BFH-Urteil vom 17.03.2010, X R 28/08).

 

  • Provisionsanspruch entsteht ratierlich

Ebenso ist es möglich, zivilrechtlich zu vereinbaren, dass Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern ratierlich entsprechend den einzelnen Prämienzahlungen entstehen. Auch dann ist im Umfang der rechtlich noch nicht entstandenen Provisionsansprüche zunächst kein Gewinn realisiert (BFH v. 9.10.2013, I R 15/12, BFH/NV 2014, 907, Rz. 15 und v. 29.8.2018, XI R 32/16, BFH/NV 2019, 259, Rz. 9, 27).

 

Bilanzielle Behandlung

 

  • Noch nicht entstandener Provisionsanspruch

Vertreter: Kein Ausweis einer Forderung bzw. Rückstellung

Für rechtlich noch nicht entstandene Provisionsansprüche kommt die Aktivierung einer Forderung nicht in Betracht. Mangels Gewinnrealisation darf in einem solchen Fall umgekehrt aber auch keine Rückstellung für Stornorisiken gebildet werden.

Der allgemeine bilanzsteuerrechtliche Grundsatz, dass Auszahlungen auf Forderungen, die rechtlich bisher nicht entstanden sind, noch keine Gewinnrealisierung bewirken, sondern gegenläufig zum Mittelzufluss ein Passivposten für erhaltene Anzahlungen zu bilden ist, gilt bei allen Handelsvertretern (BFH-Urteil vom 26.04.2018, III R 5/16, BFHE 261, 326, BStBl II 2018, 536

Unternehmer: Aktivierung als geleistete Anzahlung

Korrespondierend stellt beim Geschäftsherrn der abgeflossene Provisionsvorschuss noch keinen Aufwand dar, sondern ist als geleistete Anzahlung – nicht etwa als Rechnungsabgrenzungsposten – zu aktivieren (BFH-Urteil vom 14.10.1999, IV R 12/99).

 

  • Realisierte Provision

Ist eine Provision bereits verdient und ertragsteuerrechtlich realisiert, muss das Risiko ihres späteren Verlusts je nach den Umständen über die Bewertung der Forderung erfasst werden oder es ist eine Rückstellung zu bilden (BFH-Urteil vom 09.10.2013, I R 15/12). Dabei handelt es sich um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten.

Hinweise zur Realisierung: Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und der tatsächlichen Auszahlung der Provisionsforderung kommt es für die ertragsteuerrechtliche Gewinnrealisierung nicht an. Daher ist ein Provisionsanspruch bereits dann zu aktivieren, wenn die maßgebende Vereinbarung vorsieht, dass der Provisionsanspruch schon mit Zahlung des ersten Monatsbeitrags durch den Versicherungsnehmer in vollem Umfang entsteht, selbst wenn die Fälligkeit in Anknüpfung an weitere Beitragszahlungen des Versicherungsnehmers hinausgeschoben wird (BFH-Urteil vom 09.10.2013, I R 15/12).

Wenn im konkreten Vertrag – in Abweichung von § 92 Abs. 4 HGB und zugunsten des Versicherungsvertreters – vereinbart ist, dass der Provisionsanspruch bereits entsteht, wenn der jeweils vermittelte Versicherungsvertrag zustande gekommen ist, ist der Anspruch in diesem Zeitpunkt zu aktivieren (vgl. BFH-Beschluss vom 13.02.2008, III B 29-31/07, BFH/NV 2008, 947, unter II.3.).

Betroffene Normen

§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG, § 87a HGB, § 92 Abs. 4 HGB

Streitjahre 2008 und 2010

Anmerkungen

Praxishinweis

In der Praxis ist es daher bedeutsam, die individuellen Vertragsgestaltungen unter Beachtung der vom BFH aufgestellten Grundsätze zu würdigen.

Vorinstanz

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 26.10.2021, 3 K 28/20

Fundstelle

BFH, Urteil vom 30.04.2025, X R 12-13/22

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 26.04.2018, III R 5/16, BStBl. II 2018, S. 536, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 09.10.2013, I R 15/12, BFH/NV 2014, S. 907

BFH, Urteil vom 17.03.2010, X R 28/08, BFH/NV 2010, S. 2033

BFH, Urteil vom 28.10.2009, I R 28/08, BFH/NV 2010, S. 432

BFH, Urteil vom 06.10.2009, I R 36/07, BStBl. II 2010, S. 232

BFH, Urteil vom 14.10.1999, IV R 12/99, BStBl. II 2000, S. 25

BFH, Beschluss vom 13.02.2008, III B 29-31/07, BFH/NV 2008, S. 947

BMF, Schreiben vom 28.05.2002, DB 2002, S. 1348

Ihre Ansprechpartnerin

Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
Tel.: +4921187725394

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