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01.10.2020
Rechnungslegung

BFH: Behandlung von Abbruchkosten beim unentgeltlichen Erwerb eines Mitunternehmeranteils

Wird ein technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchtes Gebäude mit Abbruchabsicht erworben, stellen der Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten Herstellungskosten des neuen Gebäudes dar. Dieser Grundsatz gilt auch für den unentgeltlichen Erwerb eines Mitunternehmeranteils im Fall der vorweggenommenen Erbfolge nach § 6 Abs. 3 EStG. Eine umfassende steuerliche "Fußstapfentheorie" wird durch § 6 Abs. 3 EStG nicht begründet.  

Sachverhalt

Der Vater des Klägers übertrug im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen Mitunternehmeranteil an einer OHG sowie das in seinem Alleineigentum stehende und im Sonderbetriebsvermögen gehaltene Grundstück mit Gebäude auf seinen Sohn (Kläger). Im Zeitpunkt der Übergabe war bereits beabsichtigt, die vorhandenen Bebauungen auf dem o.g. Grundstück abzureißen und ein einheitliches Wohn- und Geschäftshaus zu bauen, das zu einem großen Teil für den Betrieb genutzt werden sollte.

Der Sohn behandelte die auf den Restbuchwert des Gebäudes vorgenommene Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) gemäß § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG und die anteiligen Abbruchkosten für das Gebäude als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG.

Das Finanzamt und FG waren dagegen der Ansicht, dass der Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten Herstellungskosten des neuen Gebäudes darstellen. 

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Restbuchwert des Gebäudes und bei den Abbruchkosten um Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes handelt.

Grundsätze zur Behandlung von Abbruchkosten

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt es für den Ansatz von AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG und den Abzug von Abbruchkosten als sofort abziehbare Betriebsausgaben bei einem im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäude darauf an, ob dieses mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wird (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12.06.1978, GrS 1/77). Beim Erwerb eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht diene die Anschaffung und Herstellung allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb. Demnach bestehe bei der Herstellung und Anschaffung des Gebäudes noch kein Zusammenhang mit dem späteren Abbruch und dem damit verfolgten Zweck zur Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes. Der Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten seien demnach sofort abzugsfähige Betriebsausgaben. Im Gegensatz dazu, werde beim Erwerb eines Gebäudes mit Abbruchabsicht das weitreichendere Ziel, die Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes, verfolgt. Schon bei der Anschaffung ergebe sich daraus ein Zusammenhang der Anschaffungskosten mit den später beabsichtigten Maßnahmen, was zur Folge habe, den Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsgutes zuzurechnen. 

Erweiterter Anwendungsbereich dieser Grundsätze auf unentgeltliche Erwerbe

Die vom BFH entwickelten Grundsätze werden neben dem entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks oder Gebäudes, auch beim Erwerb im Wege der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge (vgl. BFH-Urteil vom 07.10.1986, IX R 93/82) und durch Erbfolge (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 06.12.1995, X R 116/91) angewandt. Der BFH hält diese Rechtsgrundsätze auch auf den vorliegenden Fall der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils im Fall der vorweggenommenen Erbfolge nach § 6 Abs. 3 EStG anwendbar. Im Urteilsfall beabsichtigte der Sohn bereits im Zeitpunkt des Erwerbs im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge keine betrieblichen Einkünfte mit dem bislang betrieblich genutzten Gebäude zu erzielen, sondern dieses abzubrechen, um ein neues Gebäude zu errichten. Der Gebäudeabriss sei maßgeblich durch die neue Zweckbestimmung (Bau des neuen Gebäudes) veranlasst. Dieser enge wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Abbruch des alten und Errichtung des neuen Gebäudes rechtfertige es, die mit dem Abbruch verbundenen Aufwendungen und den Buchwert des abgebrochenen Gebäudes (bei noch vorhandener Werthaltigkeit) als Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts zu behandeln.

Keine umfassende „Fußstapfentheorie“ durch § 6 Abs. 3 EStG

Nach der Ansicht des BFH ändere auch der in § 6 Abs. 3 EStG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke der Betriebskontinuität nichts daran, die Grundsätze des Erwerbs in Abbruchabsicht im Urteilsfall anzuwenden. Zwar bewirke der Betriebsübergang nach § 6 Abs. 3 EStG den vollständigen Eintritt des Rechtsnachfolgers in die Rechtstellung des Rechtvorgängers (vgl. BFH-Urteil vom 09.09.2010, IV R 22/07). Doch trete der Erwerber nur in noch unentwickelte betriebsbezogene Rechtspositionen des Vorgängers ein, soweit diese im wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Wertansätzen der übergegangenen Wirtschaftsgüter stehen (vgl. BFH-Urteil vom 24.03.1992, VIII R 48/90). Eine umfassende steuerliche "Fußstapfentheorie" werde durch § 6 Abs. 3 EStG nicht begründet. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats handelt es sich bei § 6 Abs. 3 EStG um eine „atypische“ Regelung des Einkommensteuerrechts, in denen „ausnahmsweise“ bereits in der Person des Rechtsvorgängers begründete Besteuerungsmerkmale und Rechtspositionen beim unentgeltlichen Rechtsnachfolger fortwirken (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007, GrS 2/04). Folglich bleibt nach dem BFH die aus der Abbruchabsicht resultierende Qualifikation als Herstellungskosten des neuen Gebäudes von der in § 6 Abs. 3 EStG geregelten Buchwertfortführung unberührt. 

Betroffene Normen

§ 6 Abs. 3 EStG, § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG, § 4 Abs. 4 EStG

Streitjahr 2011

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2019, 3 K 1425/17

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27.05.2020, III R 17/19, BStBl. II 2021, S.748

Weitere Fundstellen

Großer Senat des BFH, Beschluss vom 12.06.1978, GrS 1/77, BStBl. II 1978, S. 620

BFH, Urteil vom 07.10.1986, IX R 93/82, BStBl. II 1987, S. 330

BFH, Urteil vom 06.12.1995, X R 116/91, BStBl. II 1996, S. 358

BFH, Urteil vom 09.09.2010, IV R 22/07, BFH/NV 2011, S. 31

BFH, Urteil vom 24.03.1992, VIII R 48/90, BStBl. II 1993, S. 93

Großer Senat des BFH, Beschluss vom 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, S. 608

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