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31.05.2023
Rechnungslegung

BFH: Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten bei teilweiser Gutschrift auf gesamthänderisch gebundenem Rücklagenkonto

Die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens auf eine gewerbliche Personengesellschaft gegen erstmalige Einräumung einer Mitunternehmerstellung ist auch dann ein vollentgeltliches Geschäft (Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten), wenn der Wert des übertragenen Wirtschaftsguts nicht nur dem Kapitalkonto I (Festkapitalkonto), sondern auch einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto gutgeschrieben wird. Die AfA-Bemessungsgrundlage ergibt sich daher aus dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Einbringung und nicht nach Einlagegrundsätzen gemäß § 7 Abs. 1 S. 5 EStG.

Sachverhalt

An der neu gegründeten M-GbR (Klägerin) sind die Gesellschafter G, J, D und A zu je 25% beteiligt. Das Festkapital der M-GbR beträgt 10.000 Euro. Zur Erfüllung der Einlageverpflichtung der Gesellschafter wurde – wie im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben – ein Grundstück mit aufstehender Windkraftanlage (WKA) über eine Besitz-GbR, an der die Gesellschafter beteiligt waren, auf die M-GbR übertragen. Der die Festkapitalkonten überschreitende Wert der eingebrachten WKA i.H.v. 390.000 Euro wurde einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto gutgeschrieben.

Die M-GbR setzte die WKA mit einem Wert von 400.000 Euro an und berücksichtigte bei der Gewinnermittlung für die WKA eine AfA. Das FG behandelte die Einbringung der WKA, soweit deren Wert der gesamthänderisch gebundenen Rücklage gutgeschrieben worden war, nicht als tauschähnlichen Vorgang, sondern als Einlage. Insoweit könne die M-GbR gemäß § 7 Abs. 1 S. 5 EStG keine Abschreibungsbeträge steuermindernd geltend machen. 

Entscheidung

Die Übertragung der Anteile an dem Grundstück mit aufstehender WKA gegen Einräumung der Mitunternehmerstellungen ist insgesamt als tauschähnliches und damit vollentgeltliches Geschäft anzusehen. § 7 Abs. 1 S. 5 EStG ist mangels Einlage nicht anwendbar. Die Übertragung ist, entgegen der Auffassung des FG, nicht in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Vorgang aufzuteilen, sondern als ein insgesamt entgeltlicher Vorgang zu beurteilen.

Gesetzliche Grundlage

Nach § 7 Abs. 1 S. 5 EStG mindert sich bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern, die in ein Betriebsvermögen eingelegt worden sind, der Einlagewert um die AfA, die bis zum Zeitpunkt der Einlage vorgenommen worden ist, höchstens jedoch bis zu den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten; ist der Einlagewert niedriger als dieser Wert, bemisst sich die weitere AfA vom Einlagewert.

Bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung

Schon nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung begründet die Einbringung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens in eine gewerbliche Personengesellschaft gegen die Einräumung einer Mitunternehmerstellung keine Einlage i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 5 EStG, sondern ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft für die Personengesellschaft (BFH-Urteil vom 24.01.2008, IV R 37/06).

Die Einräumung einer Mitunternehmerstellung zeigt sich dadurch, dass der Wert des eingebrachten Wirtschaftsguts dem Kapitalkonto (Festkapitalkonto oder Kapitalkonto I) des Gesellschafters gutgeschrieben wird.

Gutschrift auf gesamthänderisch gebundenem Rücklagenkonto

Ein vollentgeltliches Geschäft liegt bei der Einbringung von Einzelwirtschaftsgütern des Privatvermögens in eine Personengesellschaft auch dann vor, wenn der Wert des eingebrachten Wirtschaftsguts nicht nur dem Kapitalkonto I, sondern auch einer gesamthänderisch gebundenen Rücklage gutgeschrieben wird (BFH-Urteil vom 24.01.2008, IV R 37/06). Das sieht auch die Finanzverwaltung so. Der BFH bestätigt nun diese Sichtweise und fügt hinzu, dass dies jedenfalls dann gilt, wenn die Einbringung insgesamt für Rechnung des Einbringenden erfolgt, es also nicht zu einer Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern kommt.

In diesem Fall ist der auf dem Rücklagenkonto verbuchte Wertanteil Bestandteil der vom Einbringenden im Austausch gegen die Einräumung der Mitunternehmerstellung geschuldeten Leistung und damit Teil des tauschähnlichen Geschäfts. Auch wenn diese Gutschrift dem Einbringenden anders als eine Gutschrift auf dem Festkapitalkonto keine direkte Vermögensposition zuweist, gewährleistet sie, dass er eine Mitunternehmerstellung in Höhe des Wertes des Wirtschaftsguts erhält. Denn der Einbringende partizipiert an dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto anteilig in Höhe seiner Beteiligungsquote, die sich wiederum nach dem Festkapitalkonto richtet. Die anteilige Gutschrift auf dem Rücklagenkonto stellt hier somit auch einen Teil der dem Einbringenden für seine Sacheinlage gewährten tauschähnlichen Gegenleistung dar.

Kein Widerspruch zu bisheriger Rechtsprechung

Der BFH weist darauf hin, dass sich entgegen der Auffassung des FG auch aus den vom FG angeführten BFH-Urteilen (vom 29.07.2015, IV R 15/14 und vom 04.02.2016, IV R 46/12) nichts Anderes ergebe.

In diesen Urteilen hatte der BFH entschieden, dass keine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, sondern eine Einlage vorliegt, wenn der Gegenwert des übertragenen Wirtschaftsguts dem Einbringenden allein auf seinem Kapitalkonto II gutgeschrieben wird und sich die maßgeblichen Gesellschaftsrechte nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag nach dem aus dem Kapitalkonto I folgenden festen Kapitalanteil richten (so jetzt auch BMF-Schreiben vom 26.07.2016). Zugleich hatte der Senat offengelassen, ob ein vollentgeltliches Geschäft auch dann vorliegt, wenn der Wert des eingebrachten Wirtschaftsguts nicht nur dem Kapitalkonto I, sondern zum Teil auch einem anderen Kapitalunterkonto (z.B. dem Kapitalkonto II) oder der gesamthänderisch gebundenen Rücklage gutgeschrieben wird. Hieraus hat das FG allgemein gefolgert, dass in derartigen Fällen die Einbringung in einen entgeltlichen (tauschähnliches Geschäft) und einen unentgeltlichen Teil (Einlage) aufzuteilen sei. Dem schließt sich der BFH nicht an. In den Urteilsfällen war der Übertragende bereits Gesellschafter (Kommanditist) einer bestehenden Personengesellschaft und sowohl vor als auch nach der Einbringung zu 100 % am Vermögen, Gewinn/Verlust und an den Stimmrechten der Personengesellschaft beteiligt. In solchen Fällen, in denen eine relative Erweiterung der Mitunternehmerstellung gegenüber den Mitgesellschaftern nicht erfolgt, stellt sich die Frage, ob und wie zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Vorgängen unterschieden werden kann.

Bei der im Streitfall gegebenen Konstellation der (erstmaligen) Einräumung einer Mitunternehmerstellung liege hingegen bei anteiliger Gutschrift des Werts des eingebrachten Wirtschaftsguts auf dem Festkapitalkonto und der gesamthänderisch gebundenen Rücklage ein insgesamt entgeltlicher Vorgang und somit keine Einlage nach § 7 Abs. 1 S. 5 EStG vor.

Gemeiner Wert als AfA-Bemessungsgrundlage

Die AfA-Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs. 1 S. 1 EStG ergibt sich daher aus dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Einbringung. Dieser ist nun noch vom FG festzustellen.

Betroffene Normen

§ 7 Abs. 1 S. 5 EStG

Streitjahr ​2010

Vorinstanz

​Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 17.10.2019, 7 K 67/15  

Fundstelle

​BFH, Urteil vom 23.03.2023, IV R 2/20​, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen

Weitere Fundstellen

​BFH, Urteil vom 24.01.2008, IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617

BFH, Urteil vom 04.02.2016, IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607

BFH, Urteil vom 29.07.2015, IV R 15/14, BStBl. II 2016, S. 593

BMF, Schreiben vom 26.07.2016, IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2016, S. 684​​ 

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