BFH: Pensionsrückstellungen für wertpapiergebundene Pensionszusagen
Pensionsrückstellungen sind dem Grunde nach auch für erteilte Versorgungszusagen zu bilden, die einen rechtsverbindlichen Anspruch auf Versorgungsleistungen bei Eintritt des Versorgungsfalls unter der aufschiebenden Bedingung einräumen, dass sich die Höhe der zugesagten Leistung danach richtet, welchen Wert eine Rückdeckungslebensversicherung, die in Fondsanteile investiert, beim Eintritt des Versorgungsfalls hat. Der Teilwert ist nicht abweichend von § 6a Abs. 3 EStG mit dem jeweils aktuellen Wert der Rückdeckungslebensversicherung (beziehungsweise der Fondsanteile) zum jeweiligen Bilanzstichtag zu bewerten.
BFH, Beschluss vom 04.09.2024, XI R 25/21
Sachverhalt

Die GmbH hatte ihrem Alleingesellschafter (A) sowie ihren beiden Geschäftsführern (A und B) und weiteren leitenden Angestellten Versorgungszusagen erteilt.
Für die als "beitragsorientierte Leistungszusage mit Rückdeckungslebensversicherung bei der X " bezeichneten Versorgungszusagen hatte die GmbH einen festgelegten Einmalbeitrag für die jeweiligen Mitarbeiter an X zu entrichten. Die Versicherungsleistung bestand in einer lebenslang zu zahlenden Rente oder einer einmaligen Kapitalauszahlung. Die Höhe der Rente beziehungsweise (bzw.) der Kapitalauszahlung sollte sich aus dem Fondswert bei Eintritt des Versorgungsfalls ergeben. Der Fonds sah keine Mindestleistung vor; demgemäß war eine Mindestversorgung durch die Rückdeckungslebensversicherung nicht garantiert.
Aufgrund der von der GmbH erteilten Versorgungszusagen hatten die Mitarbeiter einen Anspruch gegen die GmbH auf Alters- und Hinterbliebenenrente in Höhe des bei Eintritt des Versorgungsfalls bestehenden jeweiligen Fondswerts.
Die GmbH bildete für die Versorgungsverpflichtungen eine Pensionsrückstellung.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass eine Pensionsrückstellung nicht anzusetzen sei. Es fehle an einem Rechtsanspruch der Pensionsberechtigten der Höhe nach, da die Versorgungsleistungen in vollem Umfang von dem Wert der Fonds abhingen. Eine garantierte Mindestversorgung sei nicht gegeben.
Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt.
BMF
Das dem Verfahren beigetretene BMF ist der Ansicht, dass die Annahme von Pensionsverpflichtungen nach § 6a EStG voraussetze, dass die erteilten Zusagen einem Versorgungszweck dienen. Zusagen, die sich ihrer Höhe nach allein an der Wertentwicklung der zugrunde liegenden Wertpapiere orientierten, dienten der Vermögensbildung. Rückstellungen könnten hierfür nicht gebildet werden.
Entscheidung
Der BFH kommt – wie schon zuvor das FG – zu dem Ergebnis, dass für die von der GmbH erteilten Pensionszusagen nach § 6a Abs. 1 EStG Pensionsrückstellungen zu bilden sind, die zu den jeweiligen Bilanzstichtagen nach Maßgabe des § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EStG bewertet werden müssen.
Gesetzliche Grundlagen
Der Ansatz einer Rückstellung für eine Pensionsverpflichtung (Pensionsrückstellung) richtet sich nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB. § 6a Abs. 1 EStG regelt zusätzliche, über die Anforderungen des § 249 Abs. 1 HGB hinausgehende Voraussetzungen, welche vorliegen müssen, damit für eine Pensionsverpflichtung dem Grunde nach eine Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz angesetzt werden kann.
Für eine Pensionsverpflichtung darf nach § 6a Abs. 1 EStG eine Rückstellung (Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn und soweit
1. der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf einmalige oder laufende Pensionsleistungen hat,
2. die Pensionszusage keine Pensionsleistungen in Abhängigkeit von künftigen gewinnabhängigen Bezügen vorsieht (…)
3. die Pensionszusage schriftlich erteilt ist; die Pensionszusage muss eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten.
Nach § 6a Abs. 3 S. 1 EStG darf eine Pensionsrückstellung höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung angesetzt werden. Als Teilwert einer Pensionsverpflichtung gilt gemäß § 6a Abs. 3 S. 2 EStG vor Beendigung des Dienstverhältnisses des Pensionsberechtigten der Barwert der künftigen Pensionsleistungen am Schluss des Wirtschaftsjahres abzüglich des sich auf denselben Zeitpunkt ergebenden Barwerts betragsmäßig gleich bleibender Jahresbeträge (…).
Wesentliche Aussagen des BFH
Keine garantierte Mindestversorgung erforderlich
Anders als das BMF meint, ist aus der Konjunktion "wenn und soweit" im Tatbestand des § 6a Abs. 1 EStG nicht zu entnehmen, dass der Rechtsanspruch i.S. von § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG bereits im Zeitpunkt der Zusage eine bestimmte (Mindest-)Versorgung garantieren muss.
Exkurs: Mit der Formulierung "wenn und soweit" wird der Ansatz der Rückstellung nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach ("Umfang") angeordnet (vgl. BFH-Urteil vom 28.02.2024, I R 29/21). Neben der steuerlichen Nichtanerkennung und der steuerlichen (Voll-)Anerkennung kann es folglich auch zu einer steuerlichen Teil-Anerkennung von Pensionszusagen kommen. Eine Teil-Anerkennung, also insbesondere ein in der Höhe beschränkter Ansatz der Rückstellung ist zum Beispiel dann möglich, wenn unterschiedliche künftige Leistungen i.S. von § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG in Aussicht gestellt werden, etwa eine Altersversorgung, eine Hinterbliebenenversorgung und/oder eine Versorgung im Fall der Invalidität, und die in § 6a Abs. 1 EStG aufgezählten Voraussetzungen nicht in Bezug auf jedes (Teil-)Leistungsversprechen erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 28.02.2024, I R 29/21).
Auch bei wertpapiergebundenen Zusagen ist Versorgungszweck erfüllt
Entgegen der Stellungnahme des BMF dienen auch Zusagen, die sich ihrer Höhe nach allein an der Wertentwicklung der zugrunde liegenden Wertpapiere orientieren, einem Versorgungszweck des Pensionsberechtigten.
Rechtsanspruch auf Pensionsleistungen ist gegeben.
Der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (BMF-Schreiben vom 17.12.2002), dass ein Rechtsanspruch i.S. von § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG insoweit nicht bestehe, als eine Pensionszusage neben einer garantierten Mindestversorgung zusätzliche Leistungen vorsieht, die vom Wert bestimmter Wertpapiere (zum Beispiel Fondsanteile, Aktien) zu einem festgelegten künftigen Zeitpunkt (zum Beispiel Eintritt des Versorgungsfalls) abhängen (sog. wertpapiergebundene Pensionszusage), folgt der BFH hinsichtlich der im Streitfall erteilten Zusage nicht.
Anwendung des BetrAVG ist irrelevant
Ob für eine Pensionsverpflichtung dem Grunde nach eine steuerbilanzielle Pensionsrückstellung gebildet werden darf, hängt nicht davon ab, ob sie ihrem Wesen nach in den Anwendungsbereich des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) fällt.
Exkurs: Lediglich der Teilwert einer Pensionsrückstellung ist mangels Anwendbarkeit des BetrAVG im Fall der Entgeltumwandlung nicht nach § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 1 HS 2 EStG, sondern nach § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 1 HS 1 EStG zu bemessen (BFH-Urteil vom 27.05.2020, XI R 9/19).
Keine Abhängigkeit von künftigen gewinnabhängigen Bezügen
Die Regelung des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG steht dem Ansatz einer Pensionsrückstellung dem Grunde nach im Streitfall nicht entgegen. Denn die von der GmbH erteilten Versorgungszusagen sehen keine einem Ansatz einer Pensionsverpflichtung entgegenstehende Abhängigkeit der späteren Pensionsleistungen von künftigen gewinnabhängigen Bezügen vor.
Die in § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG geregelte "Gewinnabhängigkeit" der Pensionsleistungen bezieht sich allein auf gewinnabhängige Bezüge, also nur auf zukünftige Tantiemen und Boni des Arbeitgebers, nicht aber auf andere externe Quellen, speziell von Wertpapieren wie Fondsanteilen und Aktien, oder die Wertentwicklung der in solche Wertpapiere investierten Rückdeckungslebensversicherung.
Bewertung mit dem Teilwert
Der Teilwert ist nicht abweichend von § 6a Abs. 3 EStG mit dem jeweils aktuellen Wert der Rückdeckungslebensversicherung (beziehungsweise der Fondsanteile) zum jeweiligen Bilanzstichtag zu bewerten.
Zwar hat der Gesetzgeber für die handelsrechtliche Bewertung beitragsorientierter Leistungszusagen der vorliegenden Art durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102) mit § 253 Abs. 1 S. 3 HGB eine Regelung eingeführt, welche handelsbilanziell die von der GmbH geltend gemachte Bewertung mit dem jeweils aktuellen Wert der Fondsanteile bzw. dem Deckungskapital der Rückdeckungslebensversicherung vorsieht. Da der Gesetzgeber jedoch nicht zugleich die steuerrechtliche Bewertung in § 6a Abs. 3 EStG entsprechend angepasst hat, ist davon auszugehen, dass er den Fall einer beitragsorientierten Leistungszusage der vorliegenden Art, bedacht hat, es gleichwohl für solche Versorgungszusagen bei den in § 6a Abs. 3 EStG enthaltenen Bewertungsregelungen (Teilwert) belassen hat.
Betroffene Norm
§ 6a EStG
Streitjahre 2010 bis 2012
Anmerkung
Praxishinweis
Da der BFH mit seinem Urteil der Auffassung der Finanzverwaltung (sowohl im BMF-Schreiben als auch der vom BMF aufgrund seines Verfahrensbeitritts geäußerten Meinung) widerspricht, bleibt abzuwarten, ob das BMF das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden wird.
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 18.03.2021, 10 K 4131/15 K,G,F, EFG 2021, S. 1460
Fundstellen
BFH, Beschluss vom 04.09.2024, XI R 25/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 27.05.2020, XI R 9/19, BStBl. II 2020, S. 802, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 28.02.2024, I R 29/21, BStBl. II 2024, S. 713, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 17.12.2002, BStBl. I 2002, S. 1397
