FG Berlin-Brandenburg: Wahlrecht bei Teilwertabschreibungen
Schreibt eine Kapitalgesellschaft ihre gegenüber einer Schwestergesellschaft bestehende Forderung im Rahmen des ihr zustehenden steuerlichen Wahlrechts nicht auf den Teilwert ab, darf dies auch die Finanzverwaltung nicht tun. Das in § 5 Abs. 1 S. 1 2. HS EStG im zeitlichen Geltungsbereich des BilMoG verankerte steuerliche Wahlrecht zur Teilwertabschreibung darf unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden.
Sachverhalt
Eine GmbH hatte Forderungen gegenüber ihrer russischen Schwestergesellschaft (Q) aus der Lieferung von Baumaschinen. Nachdem die Q im Jahr 2012 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der GmbH nicht mehr vollständig nachkommen konnte, nahm die GmbH in 2012 und 2013 Abschreibungen auf ihre Forderungen vor. Eine Abschreibung auf den Teilwert erfolgte jedoch nicht. Die GmbH belieferte die Q trotz deren schlechter wirtschaftlicher Situation mit der Begründung weiter, dass dies ihrer eigenen Existenzsicherung gedient habe. Denn die GmbH hatte zumindest eine Realisation ihrer für die gelieferten Baumaschinen aufgewendeten Kosten für realistisch gehalten, was sich letztendlich auch bewahrheitete und die Insolvenz der Q vermieden hatte.
Das Finanzamt nahm an, dass zusätzlich zu den von der GmbH bereits vorgenommenen Forderungsabschreibungen weitere Abschreibungen auf den Teilwert angezeigt waren.
Entscheidung
Das FG Berlin-Brandenburg ist der Auffassung, dass die von der GmbH vorgenommenen Abschreibungen nach den steuerlichen Vorschriften zulässig waren und das Finanzamt zu Unrecht zusätzliche Abschreibungen auf den Teilwert vorgenommen hat.
Grundsätze der Forderungsabschreibung
Grundsätzlich sind zweifelhafte Forderungen mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen und uneinbringliche Forderungen abzuschreiben. Zu berücksichtigen sind insbesondere die individuelle Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit (Bonität) eines Schuldners. Bei der Bewertung von Forderungen gegenüber ausländischen Schuldnern können die besonderen Bedingungen im Ausland, die eine erschwerte oder geminderte Realisierbarkeit der Forderung begründen, zu berücksichtigen sein. Sofern am maßgebenden Bilanzstichtag objektiv Ausfallrisiken bestanden haben, führt eine spätere vollständige oder teilweise Erfüllung der Forderungen nicht zu einer Versagung der Wertberichtigung. Die Tatsache, dass ein Kunde trotz bestehender Zahlungsschwierigkeiten weiterhin beliefert wird, etwa, um ihm hierdurch die nötige Solvenz zu verschaffen, begründet grundsätzlich weder ein Indiz noch eine widerlegbare Vermutung für die Werthaltigkeit einer Forderung (vgl. BFH-Beschluss vom 12.12.2012, I B 27/12).
Kein vollständiges Ausfallrisiko
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt das FG zu dem Ergebnis, dass im Streitfall kein vollständiges Ausfallrisiko der Forderungen bestanden hat.
Steuerliches Wahlrecht zur Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG
Aufgrund des § 5 Abs. 1 S. 1 2. HS EStG im zeitlichen Geltungsbereich des BilMoG besteht seit 2009 ein steuerliches Wahlrecht zur Teilwertabschreibung, das unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden darf, also auch dann, wenn handelsrechtlich eine Pflicht zur Bewertung mit dem niedrigeren Wert besteht. Das sieht auch die Finanzverwaltung so, wenn sie in R. 6.8 Abs. 1 S. 3 EStR ausführt, dass die Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung in der Handelsbilanz nicht zwingend in der Steuerbilanz durch eine Teilwertabschreibung nachzuvollziehen ist; der Stpfl. kann darauf auch verzichten (siehe auch BMF-Schreiben vom 12.03.2010, BStBl I 2010, S. 239).
Das FG ist der Ansicht, dass sich das Wahlrecht schon eindeutig aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG („kann“) ergibt. Ausreichende Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung der Vorschrift waren für das FG nicht ersichtlich.
Betroffene Norm
§ 5 Abs. 1 S. 1 2. HS EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Streitjahre 2012, 2013
Anmerkungen
Keine höchstrichterliche Rechtsprechung
Soweit ersichtlich liegt zu der Frage des Wahlrechts bei Teilwertabschreibungen im zeitlichen Geltungsbereich des BilMOG bisher noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Da die vom FG zugelassene Beschwerde nicht eingelegt wurde, wird es kurzfristig auch keine Entscheidung des BFH hierzu geben.
Fundstelle
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.08.2018, 10 V 10038/18, EFG 2018, S. 1936, rechtskräftig
Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 12.12.2012, I B 27/12, BFH/NV 2013, S. 545
BMF, Schreiben vom 12.03.2010, BStBl I 2010, S. 239