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23.01.2025
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Kein Arbeitslohn bei Schenkung von Gesellschaftsanteilen zur Sicherung der Unternehmensnachfolge

Die schenkweise Übertragung von Geschäftsanteilen auf leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu Arbeitslohn.

BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22

Sachverhalt

K (Klägerin) war im Streitjahr 2014 bereits seit vielen Jahren für eine GmbH (gegründet von A und B) tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zwecks Sicherung der Unternehmensfortführung wurde die Unternehmensnachfolge geplant. Dazu wurden Geschäftsanteile zum einen an den gemeinsamen Sohn (S) der beiden Gesellschafter in Höhe von 74,61 % und zum anderen an K sowie an weitere bereits angestellte Arbeitnehmer (Mitglieder der Geschäftsleitung, X, Y, Z) in Höhe von zusammen 25,39 % übertragen.

Die Übertragungen waren weder an Bedingungen oder Beschränkungen noch an einen Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft. Es war lediglich eine Rückfallklausel dahingehend vereinbart, dass der Veräußerer berechtigt sein sollte, die Rückübertragung der Anteile zu verlangen, falls das zuständige Finanzamt die steuerliche Verschonung nach dem ErbStG nicht gewähre.

Das Finanzamt gelangte zu der Auffassung, in dem unentgeltlichen Erwerb der Geschäftsanteile der Arbeitnehmer sei ein, im Hinblick auf das bestehende und das (zukünftige) weitere Beschäftigungsverhältnis gewährter, als Arbeitslohn zu berücksichtigender geldwerter Vorteil zu sehen. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg.

Entscheidung

Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an, dass der in der schenkweisen Übertragung der Beteiligungen an der GmbH liegende Vorteil keinen Arbeitslohn darstellt.

Gesetzliche Grundlage

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, neben Gehältern und Löhnen, auch andere Bezüge und Vorteile in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 S. 1 EStG), die "für" eine Beschäftigung gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG).

Geldwerter Vorteil

Der erforderliche geldwerte Vorteil liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung – insbesondere beim Erwerb einer Mitarbeiterbeteiligung – nicht in der übertragenen Beteiligung selbst, sondern in der Verbilligung, also in dem Preisnachlass. Der Erwerb einer solchen Beteiligung zum marktüblichen Preis kann hingegen keinen geldwerten Vorteil in diesem Sinne bewirken (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2023, VI R 1/21).

Verbilligter Erwerb einer Beteiligung

Arbeitslohn setzt weiterhin eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis voraus, wenn also der Vorteil dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließt und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 01.09.2016, VI R 67/14).
Arbeitslohn kann dabei auch in der Zuwendung eines Dritten (hier A und B) bestehen, wenn diese ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll (BFH-Urteil vom 01.09.2016, VI R 67/14).
Dagegen liegt kein Arbeitslohn vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (BFH-Urteil vom 21.06.2022, VI R 20/20).

Ergebnis des BFH im Streitfall

  • Auch wenn die Anteilsübertragungen mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, sind sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst.
  • Entscheidendes Motiv für die Übertragungen war für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge.
  • Dies hat aufgrund der vereinbarten erbschaftsteuerlichen Rückfallklausel jedenfalls mittelbar Niederschlag gefunden.
  • Entsprechend ihrem Nachfolgekonzept haben A und B ihren Sohn zwar als Hauptanteilseigner mit 74,61 % bedacht, zugleich aber dafür Sorge getragen, dass der in der Geschäftsleitung des Unternehmens erfahrene K und die weiteren leitenden Angestellten zusammen mit ihren Anteilen (25,39 %) über die Sperrminorität verfügen und dadurch maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen können.
  • Die fachliche Kompetenz für die Unternehmensleitung, die die Nachfolger, durch ihre (jahrelange) Mitarbeit in dem Unternehmen gezeigt haben, ist bei einer Unternehmensnachfolge ein durchaus essentielles Kriterium.
  • Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar. Gestützt wird dies zum einen durch den Umstand, dass die Anteilsübertragungen vorliegend nicht an den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft wurden; zum anderen dadurch, dass der vom Finanzamt angenommene Vorteil im Vergleich zu deren Bruttoarbeitslöhnen deutlich aus dem Rahmen fällt.

Anmerkungen

Einordnung in die Rechtsprechung

BFH-Urteil vom 30.12.2004, VI B 76/03

In dem dem Urteil vom 30.12.2004 zugrundeliegenden Fall hatte der BFH im Zuge der Bejahung von Arbeitslohn entscheidend darauf abgestellt, dass es um die zukünftige Bindung und Erprobung des dortigen Klägers ging, von dessen Fähigkeiten als Geschäftsführer und Sanierer der Unternehmensgruppe sich die Altgesellschafter erst hätten überzeugen wollen.

BFH-Urteil vom 26.06.2014, VI R 94/13

Mit Urteil vom 26.06.2014 (siehe Deloitte Tax-News) hatte der BFH entschieden, dass in dem Fall, dass eine Beteiligung im Hinblick auf eine spätere Beschäftigung als Geschäftsführer verbilligt erworben wird, ein geldwerter Vorteil vorliegt, der als Arbeitslohn zu berücksichtigen ist.

Betroffene Norm

§ 19 Abs. 1 EStG

Streitjahr 2014

Vorinstanz

Finanzgericht Sachsen-Anhalt vom 27.04.2022, 3 K 161/21

Fundstelle

BFH, Urteil vom 20.11.2024, VI R 21/22

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 14.12.2023, VI R 1/21, BStBl. II 2024, S. 387 siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 01.09.2016, VI R 67/14, BStBl. II 2017, S. 69

BFH, Urteil vom 21.06.2022, VI R 20/20, BStBl. II 2023, S. 87 siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 26.06.2014, VI R 94/13, BStBl. II 2014, S. 864 siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 30.12.2004, VI B 76/03, BFH/NV 2005, S. 702

Ihr Ansprechpartner

Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
Tel.: +4921187725394

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