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03.08.2012
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Offensichtlich verkehrsgünstigere Straßenverbindung

Im Rahmen der Bestimmung der kürzesten Straßenverbindung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist auch eine Fährverbindung einzubeziehen. Besonderheiten einer Fährverbindung wie Wartezeiten, technische Schwierigkeiten oder Auswirkungen der Witterungsbedingungen auf den Fährbetrieb können dazu führen, dass eine andere Straßenverbindung als offensichtlich verkehrsgünstiger anzusehen ist als die kürzeste Straßenverbindung.

Sachverhalt
Der Kläger machte im Streitjahr 2007 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend. Die einfache Wegstrecke zu seinem Arbeitsplatz setzte er mit 52 km an. Hierbei berücksichtigte er nicht die kürzeste Straßenverbindung, die die Benutzung einer Fährverbindung beinhaltet hätte. Das Finanzamt berücksichtigte lediglich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf der Grundlage einer einfachen Entfernung von 25 km. Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab.

Entscheidung
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, eine Straßenverbindung sei nur dann als "offensichtlich verkehrsgünstiger" (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG) anzusehen, wenn eine Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten erzielt werde. Zudem hat das FG, ausgehend von seiner abweichenden Rechtsauffassung, den vom Kläger vorgetragenen Umstand der mangelnden Verlässlichkeit der Fährverbindung nicht berücksichtigt.

Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG können Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend. Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG). Entsprechend dem Sinn und Zweck der Regelung, die auch umwelt- und verkehrspolitische Belange im Blick hat, ist auch eine zumutbare Fährverbindung in die Entfernungsbestimmung einzubeziehen.

Verkehrsgünstiger als die kürzeste Straßenverbindung kann eine andere Route dann sein, wenn eine Zeitersparnis erzielt wird. Konkrete zeitliche Vorgaben müssen insoweit nicht erfüllt sein. Insbesondere kann nicht in jedem Fall eine Zeitersparnis von 20 Minuten gefordert werden. Die Frage, ob eine Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" als die kürzeste Route angesehen werden kann, ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (BFH-Urteile vom 16.11.2011, VI R 46/10 und VI R 19/11). Da das Merkmal der Verkehrsgünstigkeit auch andere Umstände als eine Zeitersparnis beinhaltet (BFH-Urteil vom 16.11.2011, VI R 19/11), kann eine Straßenverbindung auch dann "offensichtlich verkehrsgünstiger" sein als die kürzeste Verbindung, wenn sich dies aus Besonderheiten einer im Rahmen der kürzesten Straßenverbindung zu nutzenden Fährverbindung wie langen Wartezeiten, häufig auftretenden technischen Schwierigkeiten oder Auswirkungen der Witterungsbedingungen auf den Fährbetrieb ergibt. Führen solche Umstände dazu, dass sich der Steuerpflichtige auf den Fährbetrieb im Rahmen der Planung von Arbeitszeiten und Terminen nicht hinreichend verlassen kann, so ist dies im Rahmen der Beurteilung der Verkehrsgünstigkeit einer Straßenverbindung zu berücksichtigen.

Betroffene Norm
§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG
Streitjahr 2007

Vorinstanz
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.05.2011, 1 K 2732/09, EFG 2012, S. 107

Fundstelle
BFH, Urteil vom 19.04.2012, VI R 53/11, BStBl II 2012, S. 802 

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 16.11.2011, VI R 46/10, BFHE 236, S. 57, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 16.11.2011, VI R 19/11, BFHE 236, S. 65, siehe Deloitte Tax-News

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