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27.04.2022
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Rabatte an Arbeitnehmer von verbundenen Unternehmen sind steuerpflichtiger Arbeitslohn

Gewährt ein Automobilhersteller den Arbeitnehmern eines verbundenen Unternehmens die gleichen Rabatte beim Erwerb von Fahrzeugen wie seinen eigenen Mitarbeitern, handelt es sich bei den Preisnachlässen um steuerpflichtigen Arbeitslohn.  

Sachverhalt

Der Kläger war bei einem Zulieferer (Y) eines Automobilherstellers (X) beschäftigt. Der Automobilhersteller hielt im Rahmen eines Joint Ventures 50% der Anteile an dem Zuliefererbetrieb und schloss mit diesem eine Vereinbarung ab, nach der die Mitarbeiter des Zulieferers Neu- und Gebrauchtfahrzeuge zu den gleichen Sonderkondiktionen wie die eigenen Mitarbeiter erwerben konnten. Der Zuliefererbetrieb beschäftigte sowohl eigene als auch vom Automobilhersteller entliehene Mitarbeiter. 2015 kaufte der Kläger ein Neufahrzeug zu vergünstigten Mitarbeiterkonditionen von X. Das Finanzamt behandelte die Vergünstigungen als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Im Rahmen der daraufhin erhobenen Klage kam das Finanzgericht Köln zu dem Schluss, dass es sich bei den Vergünstigungen nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt.

Entscheidung

Der BFH hebt das Urteil des FG Köln nun auf und kommt zu dem gegenteiligen Ergebnis, dass der dem Kläger gewährte Preisnachlass beim Erwerb des PKW zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG geführt hat.

Arbeitslohn bei Zuwendung eines Dritten

Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung kann Arbeitslohn (z.B. Urteil vom 01.09.2016, VI R 67/14) auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn sie ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht.

Rabatte von Dritten

Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur seinen Arbeitnehmern, sondern auch fremden Dritten üblicherweise einräumt, begründen bei den Arbeitnehmern keinen Arbeitslohn. Denn in diesem Fall fehlt es an einem aus dem Arbeitsverhältnis stammenden Vorteil (z.B. BFH-Urteil vom 10.04.2014, VI R 62/11, BStBl. II 2015, S. 191). Dies gilt nach Ansicht des BFH erst recht, wenn es um von Dritten gewährte Preisvorteile geht. Denn bei Leistungen Dritter liegt Arbeitslohn nur vor, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die von Dritten eingeräumten Vorteile nicht aus deren eigenwirtschaftlichen Interessen gewährt werden, sondern die für den Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten sollen (BFH-Urteil vom 10.04.2014, VI R 62/11).

Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteil und Dienstverhältnis

Aus dieser Rechtsprechung könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen an den Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteil und Dienstverhältnis bei Drittzuwendungen anders zu beurteilen sind als bei Zuwendungen durch den Arbeitgeber. Insbesondere sei bei Drittzuwendungen kein eindeutiger Veranlassungszusammenhang erforderlich, vielmehr müsse sich der Vorteil in beiden Fällen gleichermaßen als „Frucht“ der nichtselbständigen Arbeit darstellen.

Mit der Forderung eines finalen Zusammenhangs in dem BFH-Urteil vom 17.07.2014 (VI R 69/13) habe der BFH lediglich zum Ausdruck gebracht, dass Arbeitslohn (durch Dritte) nur vorliegt, wenn der Vorteil zugewendet wird, um die Dienste des Arbeitnehmers zu entlohnen, die Zuwendung mithin einen Entlohnungscharakter aufweist.

Personalrabatte sind im Streitfall steuerpflichtiger Arbeitslohn

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände im Streitfall kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem gewährten Preisvorteil um Arbeitslohn des Klägers handelt. 

Dies sei zum einen der Fall, da X die Personalrabatte neben den eigenen Arbeitnehmern nur Arbeitnehmern verbundener bzw. gemeinschaftlicher Unternehmen eingeräumt hat. Zum anderen spreche für Arbeitslohn, dass es sich um keinen sog. „Jedermannrabatt“ handelt, sondern die Mitarbeiter des Zulieferers in das Werksangehörigenprogramm des Automobilherstellers eingebunden waren.

Außerdem habe das FG die Zusammensetzung der Belegschaft des Zulieferers (Y) nicht hinreichend berücksichtigt. Diese bestand zu mehr als der Hälfte aus entliehenen Mitarbeitern des Herstellers (X). Werden dem „anderen“ Teil der Belegschaft, also den Mitarbeitern des Zulieferers, die gleichen Personalrabatte wie den eigenen Mitarbeitern eingeräumt, spreche dies ebenfalls für den Entlohnungscharakter einer Drittzuwendung.

Wirken Hersteller und lohnsteuerlicher Arbeitgeber im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens derart zusammen, stellt sich der dem Arbeitnehmer gewährte Rabatt objektiv betrachtet im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Bereitstellen seiner individuellen Arbeitskraft dar.

Auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Automobilherstellers an dem (verbilligten) Erwerb des PKW stehe dem Vorliegen von Arbeitslohn nicht entgegen.

Keine Gewährung des Rabattfreibetrags nach § 8 Abs. 3 S. 2 EStG

Der Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 S. 2 EStG gilt nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich für solche Zuwendungen, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses gewährt. Für Vorteile – wie hier – von Dritten greift die Steuerbegünstigung hiernach selbst dann nicht ein, wenn die Dritten – wie etwa konzernzugehörige Unternehmen – dem Arbeitgeber nahestehen (z.B. BFH-Urteil vom 26.04.2018, VI R 39/16). Denn die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut nur für Waren und Dienstleistungen, die im Unternehmen des Arbeitgebers hergestellt, vertrieben oder erbracht werden.

Betroffene Normen

​§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 8 Abs. 1 EStG

Streitjahr ​2015 

Anmerkungen

Auffassung der Finanzverwaltung

Auch die Finanzverwaltung führt im BMF-Schreiben vom 20.01.2015 zur Qualifikation von Rabatten, die Arbeitnehmern von dritter Seite eingeräumt werden, als steuerpflichtigen Arbeitslohn, die vom BFH im hier besprochenen Urteil zugrunde gelegten Grundsätze und Argumente an.

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 11.10.2018, 7 K 2053/17, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 16.02.2022, VI R 53/18

 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 01.09.2016, VI R 67/14, BStBl. II 2017, S. 69

BFH, Urteil vom 10.04.2014, VI R 62/11, BStBl. II 2015, S. 191, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 17.07.2014, VI R 69/13, BStBl. II 2015, S. 41

BFH, Urteil vom 26.04.2018, VI R 39/16, siehe Deloitte Tax-News 

BMF, Schreiben vom 20.01.2015, IV C 5 – S 2360/12/10002, BStBl. I 2015, S. 143, siehe Deloitte Tax-News

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