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16.05.2012
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Regelmäßige Arbeitsstätte bei Outsourcing

In Outsourcing-Fällen verrichtet der Arbeitnehmer grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der endgültigen Ausgliederung seine Tätigkeit nicht mehr in Einrichtungen seines Arbeitgebers, sondern in betrieblichen Einrichtungen eines Dritten. Er ist daher auch nicht mehr an einer regelmäßigen Arbeitsstätte, sondern auswärts tätig, vergleichbar mit bei Kunden ihres Arbeitgebers tätigen Arbeitnehmern.

Sachverhalt

Streitig ist im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Fahrtkosten, ob eine Tätigkeit an der regelmäßigen Arbeitsstätte ausgeübt wird.

Der Kläger war im Streitjahr (2008) als Beamter bei der Deutschen Telekom AG nichtselbständig tätig. Ihm wurde für die Zeit vom 01.12.2008 bis 30.06.2010 eine Tätigkeit in einer Tochtergesellschaft (R GmbH) der Deutschen Telekom AG, zugewiesen. Die R GmbH war gegründet worden, um den Bereich, in dem der Kläger beschäftigt war, aus der Deutschen Telekom AG auszulagern. Beide Unternehmen befanden sich am gleichen Standort, die Tätigkeitsstätte des Klägers selbst blieb unverändert.

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger geltend, dass seine Aufwendungen für die Fahrten zwischen der Wohnung und der Tätigkeitsstätte ab dem Zeitpunkt der Zuweisung zur R GmbH nicht nach den Grundsätzen der Pendlerpauschale, sondern - wie Reisekosten - zuzüglich Verpflegungsmehraufwand zu berücksichtigen seien. Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren hat das FG die vom Kläger erhobene Klage abgewiesen.

Entscheidung

Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Fahrten des Klägers sind mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen. Ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen kommt nicht in Betracht.

Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sind nur begrenzt nach Maßgabe der insoweit gewährten Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG). Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne dieser die beruflichen Mobilitätskosten nur eingeschränkt berücksichtigenden Regelung ist nach der neueren Rechtsprechung des BFH nur der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, denen der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (BFH-Urteile vom 09.07.2009, vom 17.06.2010, vom 22.09.2010 und vom 09.06.2011). Grundfall der regelmäßigen Arbeitsstätte ist die auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte Arbeitsstätte, auf deren immer gleiche Wege sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise einstellen und auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken kann. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und auch durch entsprechende Wohnsitznahme geschehen.

Ist ein Arbeitnehmer auswärts, nämlich außerhalb eines dem Arbeitgeber zuzuordnenden Betriebs, Zweigbetriebs oder einer Betriebsstätte tätig, hat er typischerweise nicht die vorgenannten Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten. Das ist etwa bei Leiharbeitnehmern der Fall (BFH-Urteil vom 17.06.2010) und auch bei einem Arbeitnehmer, der vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden des Arbeitgebers tätig ist. Denn auch hier kann sich, vergleichbar mit anderen Auswärtstätigkeiten, der Arbeitnehmer bei typisierender ex ante Betrachtung auf den Ort, die Dauer und die weitere konkrete Ausgestaltung der dort zu verrichtenden Tätigkeit nicht einstellen; die vertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Kunde (Dritter) ist dem Einflussbereich des Arbeitnehmers entzogen. Der bei einem Dritten eingesetzte Arbeitnehmer unterliegt dem Direktionsrecht des Arbeitgebers; dies erstreckt sich insbesondere auch auf den Ort, an dem er seine Arbeitsleistung zu erbringen hat.

Grundsätzlich vergleichbar sind damit auch die Fälle, in denen Arbeitgeber bestimmte Arbeitsbereiche auf andere rechtlich selbständige Unternehmen übertragen, die arbeits- oder dienstrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und bisherigem Arbeitgeber enden, die beim bisherigen Arbeitgeber tätigen Arbeitnehmer künftig Arbeitnehmer der ausgegliederten Unternehmen werden, aber - zunächst - weiter in den Einrichtungen ihrer früheren Arbeitgeber tätig bleiben (Outsourcing). Denn auch in diesen Fällen werden - dann allerdings nicht durch den typischen Orts-, sondern durch einen Arbeitgeberwechsel bedingt - die Arbeitnehmer auswärts tätig. Die Arbeitnehmer üben ab dem Zeitpunkt der endgültigen Ausgliederung ihre Tätigkeit in betrieblichen Einrichtungen eines Dritten aus, nicht anders als Arbeitnehmer, die ebenfalls auswärts, nämlich bei Kunden ihres Arbeitgebers, tätig werden. Und vergleichbar damit ist auch in diesen Outsourcing-Fällen ungewiss, ob und inwieweit die durch das Outsourcing gekennzeichnete vertragliche Beziehung zwischen dem neuen Arbeitgeber und dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht und ob der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, angesichts des Direktionsrechts des neuen Arbeitgebers beibehalten bleibt.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG zu Recht die Tätigkeit des Klägers nicht als Auswärtstätigkeit beurteilt. Denn der Kläger blieb auch nach Zuweisung einer vorübergehenden Tätigkeit in der R GmbH ab Dezember 2008 weiterhin ohne tatsächlichen Wechsel des Tätigkeitsorts an seiner bisher schon aufgesuchten regelmäßigen Arbeitsstätte beschäftigt. Der (Sonder-)Fall des Klägers ist insbesondere auch nicht mit sogenannten Outsourcing-Fällen vergleichbar. Ein "Outsourcing-Fall" liegt nämlich regelmäßig nicht vor, wenn ein Postbeamter unter Wahrung seines beamtenrechtlichen Status vorübergehend am bisherigen Tätigkeitsort einem privatrechtlich organisierten Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG zugewiesen wird.

Betroffene Norm

§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG
Streitjahr 2008

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 18.03.2010, 11 K 2225/09, EFG 2010, S. 1027, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 09.02.2012, VI R 22/10, BStBl II 2012, S. 827

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 09.07.2009, VI R 21/08, BStBl II 2009, S. 822, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 17.06.2010, VI R 35/08, BStBl II 2010, S. 852, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.09.2010, VI R 54/09, BStBl II 2011, S. 354, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.06.2011, VI R 55/10, BStBl II 2012, S. 38, siehe Deloitte Tax-News

Update vom 27.09.2012: Mit Urteil vom 13.06.2012 hat der BFH seine neuere Rechtsprechung bekräftigt, wonach regelmäßige Arbeitsstätte die dauerhaft betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers ist, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Die Einrichtung eines Dritten (Kunde), in der der Arbeitnehmer tätig wird, wird auch dann nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte, wenn er dort längerfristig eingesetzt wird. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber in der Betriebsstätte des Kunden über eine eigene betriebliche Einrichtung (Betriebsstätte) verfügt.
BFH, Urteil vom 13.06.2012, VI R 47/11

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