BFH: Schätzung des Bruttolistenpreises bei Importfahrzeug
Für die Anwendung der 1%-Regelung bei einem Importfahrzeug kann der inländische Bruttolistenpreis dann unter Zugrundelegung der typischen inländischen Bruttoabgabepreise von Importfahrzeughändlern geschätzt werden, wenn kein inländischer Bruttolistenpreis vorhanden und keine Vergleichbarkeit mit einem bau- und typengleichen inländischen Fahrzeug gegeben ist.
Sachverhalt
Der Kläger besitzt in seinem Betriebsvermögen ein Kraftfahrzeug, das er von einem Autohaus zu einem Kaufpreis von 78.900 Euro erstanden und welches dieses wiederum von einem Importeur für 75.999 Euro erworben hatte. Die private Nutzung des Fahrzeugs ermittelte der Kläger mittels der 1%-Regelung. Als Bemessungsgrundlage zog er mangels inländischen Listenpreises den amerikanischen Listenpreis (53.977 Euro) heran. Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass als Bemessungsgrundlage die tatsächlichen Anschaffungskosten des Klägers für den Erwerb des Fahrzeugs in Höhe von 78.900 Euro heranzuziehen seien. Das Finanzamt folgte dem. Das FG gelangte hingegen zu der Überzeugung, dass der Bruttoabgabepreis des Importfahrzeughändlers von 75.999 Euro maßgeblich sei.
Entscheidung
Das FG habe zu Recht entschieden, dass für die Anwendung der 1%-Regelung bei einem Importfahrzeug, der zu schätzende inländische Bruttolistenpreis sich an dem Bruttoabgabepreis des Importfahrzeughändlers orientieren könne, wenn keine Vergleichbarkeit mit einem bau- und typengleichen inländischen Fahrzeug bestehe.
Die Norm des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG stellt zur Bewertung der privaten Nutzungsentnahme nicht auf die tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeugs, sondern auf den Listenpreis ab. Diese vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenneupreises bezwecke also nicht, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs abzubilden. Der Bruttolistenneupreis erweise sich vielmehr als generalisierende Bemessungsgrundlage. Der tatsächliche geldwerte Vorteil entspreche dem Betrag, der vom Steuerpflichtigen für eine vergleichbare Nutzung aufgewandt werden müsste und den er durch die Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs erspare (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2012, VI R 51/11). Mit der Anknüpfung an die Preisempfehlung des Automobilherstellers habe der Gesetzgeber eine einheitliche Grundlage für die Bewertung der Nutzungsvorteile geschaffen.
Die vom FG gemäß § 162 Abs. 1 S. 1 AO vorgenommene Schätzung des Bruttolistenpreises sei zunächst dem Grunde nach zulässig, da für das Fahrzeug kein inländischer Listenpreis vorhanden und es auch nicht mit einem bau- und typengleichen inländischen Fahrzeug vergleichbar war. Dabei sei das FG zu Recht davon ausgegangen, dass nicht der ausländische Listenpreis anstelle des inländischen Listenpreises angesetzt werden könne. Denn der ausländische Listenpreis spiegele nicht die Preisempfehlung des Herstellers wider, die für den Endverkauf des Fahrzeugmodells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gelte.
Auf dieser Grundlage habe das FG zu Recht nicht auf die tatsächlichen Anschaffungskosten des Steuerpflichtigen, sondern auf die typischen Abgabepreise des Fahrzeugimporteurs bzw. des Importfahrzeughändlers abgestellt. Diesen Abgabepreis habe es anhand der Abgabepreise anderer Importeure bei gleichen oder ähnlichen Fahrzeugen überprüft und sei auf dieser Basis auf einen geschätzten und insoweit auch generalisierten Bruttolistenpreis gelangt, der im Streitfall als Bemessungsgrundlage im Rahmen der Anwendung der 1%-Regelung zu gelten habe.
Betroffene Normen
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG, § 162 Abs. 1 S. 1 AO
Streitjahr 2013
Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 16.11.2016, 9 K 264/15, EFG 2017, S. 122
Fundstelle
BFH, 09.11.2017, III R 20/16, BStBl II 2018 Seite 278
Weitere Fundstelle
BFH, Urteil vom 13.12.2012, VI R 51/11, BStBl II 2013, S. 385, siehe Deloitte Tax-News