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25.11.2021
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BMF: Lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung bzw. Übertragung von Vermögensbeteiligungen ab 2021

Das BMF äußert sich in einem aktuellen Schreiben betreffend die lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung bzw. Übertragung von Vermögensbeteiligungen ab 2021 ausführlich zu Anwendungsfragen zu dem durch das Fondsstandortgesetz neugefassten § 3 Nr. 39 EStG sowie dem (wieder-)eingeführten § 19a EStG.

Hintergrund

 

Mit dem Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland vom 28.05.2021 (Fondsstandortgesetz, siehe Deloitte Tax-News) wurde u.a. der Steuerfreibetrag für Vorteile des Arbeitnehmers aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Vermögensbeteiligungen auf 1.440 Euro erhöht (§ 3 Nr. 39 EStG). Daneben wurde § 19a EStG (wieder-)eingeführt, der ein Wahlrecht zur aufgeschobenen Besteuerung des Sachbezugs durch vergünstigt überlassene Vermögensbeteiligungen an Arbeitnehmer vorsieht.

Mit seinem am 16.11.2021 veröffentlichten Schreiben nimmt die Finanzverwaltung nun zu Auslegungs- und Anwendungsfragen im Zusammenhang mit den Regelungen des § 3 Nr. 39 EStG und § 19a EStG ausführlich Stellung.

Verwaltungsanweisung

Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen und Ergänzungen im Zusammenhang mit der Regelung des § 3 Nr. 39 EStG gegenüber dem Vorgängerschreiben vom 08.12.2009 sowie die erstmaligen Ausführungen der Finanzverwaltung zu § 19a EStG dargestellt. Darüber hinaus enthält das Schreiben Anwendungsbeispiele, auf die an dieser Stelle nicht explizit eingegangen wird.

Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 39 EStG (Änderungen ggü. Vorgängerschreiben)

Begünstigte Vermögensbeteiligungen:

Nach Auffassung des BMF fallen sog. virtuelle Beteiligungen, also schlichte schuldrechtliche Bonusversprechen des Arbeitgebers, nicht unter die Regelung für begünstigte Vermögensbeteiligungen. Darüber hinaus qualifizieren Aktienoptionen nicht als Vermögensbeteiligungen i. S. d. Vermögensbildungsgesetzes. Jedoch kann sich z.B. nach Ausübung einer Aktienoption und dem darauffolgenden vergünstigten Bezug von Aktien ein steuerlich begünstigter Tatbestand ergeben.

Bewertung der Vermögensbeteiligung (§ 3 Nr. 39 S. 4 EStG)

Nach Auffassung des BMF ist die Vermögensbeteiligung nach § 3 Nr. 39 S. 4 EStG grundsätzlich mit dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Überlassung anzusetzen. Das neue BMF-Schreiben berücksichtigt die Grundsätze des BFH-Urteils vom 07.05.2014, VI R 73/12, siehe Deloitte Tax-News. Mit dem Urteil hat der BFH entschieden, dass für die Bewertung des geldwerten Vorteils nicht der Zeitpunkt des Zuflusses maßgeblich ist, sondern sich die Bewertung nach den Wertverhältnissen bei Abschluss des für beide Seiten verbindlichen Veräußerungsgeschäfts richtet. 

Das neue BMF-Schreiben enthält darüber hinaus weitere Ausführungen zur Ermittlung des gemeinen Wertes verschiedener Vermögensbeteiligungen.

Zufluss des geldwerten Vorteils:

Der Zeitpunkt des Zuflusses des geldwerten Vorteils ist grundsätzlich der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Vermögensbeteiligung. Im Einklang mit der ergangenen BFH-Rechtsprechung liegt nach dem neuen BMF-Schreiben der Zufluss von Arbeitslohn nicht vor, solange es dem Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, über die Vermögensbeteiligung zu verfügen (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2011, VI R 37/09, siehe Deloitte Tax-News https://www.deloitte-tax-news.de/arbeitnehmerentsendung-personal/steuerrecht/bfh-zuflusszeitpunkt-verbilligter-arbeitnehmeraktien.html). Vertragliche Sperr- und Haltefristen hemmen den Zufluss hingegen nicht (vgl. BFH-Urteil vom 30.09.2008, VI R 67/05).

§ 19a EStG – Aufgeschobene Besteuerung geldwerter Vorteile aus Vermögensbeteiligungen

Begünstigter Personenkreis (§ 19a Abs. 1 S. 1 EStG):

Der begünstigte Personenkreis des § 19a EStG entspricht dem des § 3 Nr. 39 EStG.

Begünstigte Vermögensbeteiligung (§ 19a Abs. 1 S. 1 und 2 EStG)

Die begünstigten Vermögensbeteiligungen des § 19a EStG entsprechen grundsätzlich den des § 3 Nr. 39 EStG. Anders als bei § 3 Nr. 39 EStG gelten Vermögensbeteiligungen an anderen Unternehmen desselben Konzerns i. S. d. § 18 AktG (sog. Konzernklausel) nicht als Vermögensbeteiligungen an dem Unternehmen des Arbeitgebers i. S. d. § 19a Abs. 1 S. 1 EStG. Entsprechende Vermögensbeteiligungen sind folglich nicht begünstigt. 

Darüber hinaus müssen Vermögensbeteiligungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Die Übertragung im Zusammenhang mit Gehaltsumwandlungen und anderen in § 8 Abs. 4 EStG genannten Sachverhalten sind nicht begünstigt.

Berücksichtigung des Freibetrags nach § 3 Nr. 39 EStG (§ 19a Abs. 1 S. 3 EStG):

Bei der Ermittlung des Vorteils i. S. d. § 19a Abs. 1 S. 1 EStG ist der Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG abzuziehen, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

Bewertung der Vermögensbeteiligung (§ 19a Abs. 1 S. 5 EStG):

Die Bewertung der Vermögensbeteiligung erfolgt entsprechend den Regelungen des § 3 Nr. 39 S. 3 EStG.

Zustimmungserfordernis des Arbeitnehmers (§ 19 Abs. 2 EStG):

Die vorläufige Nichtbesteuerung nach § 19a Abs. 1 EStG ist grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers anzuwenden. Die Zustimmung ist bis zum Abschluss des Lohnsteuerabzugsverfahrens und damit bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig (vgl. § 41c Abs. 3 S. 1 EStG). Eine Nachholung der vorläufigen Nichtbesteuerung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer ist ausgeschlossen (§ 19 Abs. 2 S. 2 EStG).

Fördervoraussetzungen (§ 19a Abs. 3 EStG):

Eine vorläufige Nichtbesteuerung nach § 19a Abs. 1 S. 1 EStG ist nur dann anzuwenden, wenn das Unternehmen des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Vermögensbeteiligung auf den Arbeitnehmer die Schwellenwerte des Artikel 2 Abs. 1 des Anhangs der Empfehlung der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) nicht überschreitet und im vergangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und die Gründung des Unternehmens nicht mehr als zwölf Jahre vor dem Zeitpunkt der Übertragung liegt.

Bei den Schwellenwerten sind Partnerunternehmen und verbundene Unternehmen zu berücksichtigen und auf den Stichtag des letzten Rechnungsabschlusses abzustellen. Die Mitarbeiterzahl berechnet sich nach der Zahl der Jahresarbeitseinheiten.

Hinsichtlich der KMU-Definition gelten derzeit folgende Schwellenwerte:

  • Weniger als 250 Mitarbeiter
  • Jahresumsatz höchstens 50 Mio. Euro oder Jahresbilanzsummer höchstens 43 Mio. Euro

Nachgeholte Besteuerung (§ 19 Abs. 4 EStG):

Die Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Vermögensbeteiligung erfolgt nach § 19a Abs. 4 S. 1 EStG erst zu einem späteren Zeitpunkt, i. d. R. bei Veräußerung oder unentgeltlichen Übertragung, spätestens jedoch nach zwölf Jahren oder bei der Beendigung des Dienstverhältnisses. Tritt einer der dort genannten Fälle ein, so unterliegen bisher nicht besteuerte Vorteile zu diesem Zeitpunkt der Besteuerung und dem Lohnsteuerabzug.

Fünftelregelung:

Sind seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung mindestens drei Jahre vergangen, sind die zu besteuernden Vorteile nach der sog. Fünftelungsregelung ermäßigt zu besteuern (§ 19a Abs. 4 S. 2 i. V. m. § 34 Abs. 1 und § 39b Abs. 3 S. 9 und 10 EStG). Die weiteren Voraussetzungen für die Tarifermäßigung (z. B. das Vorliegen einer Zusammenballung) sind nicht zu prüfen und als erfüllt anzusehen.

Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht:

Eine Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht oder eine Verlagerung der Ansässigkeit im Sinne eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ins Ausland löst keine Besteuerung aus, soweit nicht zeitgleich einer der in § 19 Abs. 4 S. 1 EStG genannten Tatbestände eintritt. Ebenso führt eine fiktive Veräußerung im Rahmen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG oder nach § 17 Abs. 5 EStG für sich allein nicht zu einer Besteuerung nach § 19a Abs. 4 EStG.

Teilweise Veräußerung oder Übertragung der Vermögensbeteiligung:

Werden Teile der Vermögensbeteiligungen veräußert oder unentgeltlich übertragen, so unterliegt der Besteuerung nur der Vorteil, der damit im Zusammenhang steht und bisher nicht besteuert worden ist. Vorbehaltlich eines anderen Nachweises wird davon ausgegangen, dass die zuerst übertragenen Vermögensbeteiligungen zuerst veräußert werden.

Beendigung des Dienstverhältnisses (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG):

Ein durch den Betriebsübergang nach § 613a BGB bedingter Arbeitgeberwechsel führt zu keiner Beendigung, sondern zur Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses (vgl. BFH-Urteil vom 16.07.1997, XI R 85/96)

Übernimmt der bisherige Arbeitgeber bei Beendigung des Dienstverhältnisses die Lohnsteuer, so ist der übernommene Abzugsbetrag nicht Teil des zu besteuernden Arbeitslohns (§ 19a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 S. 2 EStG). Damit wird der Vorteil des Arbeitnehmers aus der Steuerübernahme steuerfrei gestellt. Die Lohnsteuer ist bei der Übernahme durch den Arbeitgeber nicht höher, als in dem Fall, in dem der Arbeitnehmer die Lohnsteuer trägt. Die Regelung gilt für die Annexsteuern (ggf. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) entsprechend.

Betrieblich veranlasste Wertminderung der Vermögensbeteiligung (§ 19a Abs. 4 S. 4 bis 6 EStG):

Ist in den in § 19a Abs. 4 S. 1 EStG genannten Fällen der gemeine Wert der
Vermögensbeteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen des Arbeitnehmers niedriger als der nach § 19a Abs. 1 EStG nicht besteuerte Vorteil, so unterliegt nur der zu diesem Zeitpunkt anzusetzende gemeine Wert der Vermögensbeteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen der Besteuerung (§ 19a Abs. 4 S. 4 EStG). In diesen Fällen gilt neben den geleisteten
Zuzahlungen nur der tatsächlich besteuerte Vorteil als Anschaffungskosten i. S. d. §§ 17 und 20 EStG (§ 19a Abs. 4 S. 5 EStG).

Gesellschaftsrechtlich veranlasste Wertminderung der Vermögensbeteiligung:

Sofern die Wertminderung der Vermögensbeteiligung nicht betrieblich veranlasst ist oder auf einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme, insbesondere einer Ausschüttung oder Einlagenrückgewähr, beruht, ist der nicht besteuerte Vorteil weiterhin Bemessungsgrundlage für die Besteuerung (§ 19a Abs. 4 S. 5 EStG).

Bestätigung der Höhe des nicht besteuerten Vorteils durch das Betriebsstättenfinanzamt (§ 19a Abs. 5 EStG:

Das Betriebsstättenfinanzamt hat nach der Übertragung einer Vermögensbeteiligung an einen Arbeitnehmer im Rahmen einer gebührenfreien Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) den vom Arbeitgeber nicht besteuerten Vorteil zu bestätigen. Die Bestätigung der Höhe des nicht besteuerten Vorteils setzt voraus, dass - in der Regel durch den Arbeitgeber - sowohl der ermittelte Wert als auch Unterlagen zur Wertermittlung dem Betriebsstättenfinanzamt vorgelegt werden. Anspruch auf eine Anrufungsauskunft haben der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer als Beteiligte, ggf. auch ein die Pflichten des Arbeitgebers erfüllender Dritter. 

Bindungswirkung der Anrufungsauskunft:

Die Anrufungsauskunft entfaltet lediglich eine Bindungswirkung im Lohnsteuerabzugsverfahren, nicht jedoch im Veranlagungsverfahren. Dem Arbeitnehmer steht es demnach im Jahr der nachzuholenden Besteuerung frei, im Veranlagungsverfahren oder Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid einen niedrigeren Wert des Vorteils nachzuweisen.

Mangels fehlender Bindungswirkung im Veranlagungsverfahren kann es hier auch zu einem höheren Wertansatz kommen, sofern der Wert für den Nichtbesteuerungszeitpunkt materiell-rechtlich unzutreffend ermittelt wurde. Ein höherer Wertansatz im Veranlagungsverfahren aufgrund eines zwischen Nichtbesteuerungs- und Besteuerungszeitpunkts gestiegenen gemeinen Werts hingegen ist - anders als der Ansatzeines niedrigeren Werts gem. § 19a Absatz 4 Satz 4 EStG - nicht zulässig.

Anrufungsauskunft unabhängig von § 19a Abs. 5 EStG:

Unabhängig von der Anrufungsauskunft nach § 19a Abs. 5 EStG kann eine Anrufungsauskunft zu steuerrechtlichen Einschätzungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Vermögensbeteiligungen gestellt werden (z. B. zu den einzubeziehenden Arbeitnehmern nach § 3 Nr. 39 EStG, zur nachzuholenden Besteuerung nach § 19a Abs. 4 EStG).

Aufzeichnung im Lohnkonto (§ 19 Abs. 6 EStG)

Der nicht besteuerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung der Vermögensbeteiligung und die übrigen Angaben der aufgeschobenen Besteuerung sind vom Arbeitgeber im Lohnkonto aufzuzeichnen. Die im Lohnsteuerabzugsverfahren maßgebliche sechsjährige Aufbewahrungsfrist verlängert sich und endet nicht vor Ablauf von sechs Jahren nach der nachgeholten Besteuerung.

Anwendung

Hinsichtlich der Ausführungen zu § 3 Nr. 39 EStG ersetzt das neue Schreiben das bisherige Schreiben vom 08.12.2009, das bis zum 31.12.2020 weiterhin anzuwenden ist. Die Anhebung des steuerfreien Höchstbetrags für Vorteile aus der Überlassung von Vermögensbeteiligungen (§ 3 Nr. 39 EStG) von 360 Euro auf 1.440 Euro ist am 01.07.2021 in Kraft getreten. Die Neuregelungen des § 19a EStG sind erstmals anzuwenden auf Vermögenbeteiligungen, die nach dem 30.06.2021 übertragen werden.

Betroffene Norm

§ 3 Nr. 39 EStG, § 19a EStG

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 16.11.2021

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 08.12.2009, IV C 5 - S 2347/09/10002, BStBl 2009 I, S. 1513.

BFH, Urteil vom 07.05.2014, VI R 73/12, BStBl II 2014, S. 904, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 30.06.2011, VI R 37/09, BStBl II 2011, S. 923, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 30.09.2008, VI R 67/05, BStBl 2009 II, S. 282

BFH, Urteil vom 16.07.1997, XI R 85/96, BStBl II, S. 666

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