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15.12.2020
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BMF: Steuerliche Behandlung der Reisekosten von Arbeitnehmern

Das BMF hat ein aktualisiertes Schreiben zur steuerlichen Behandlung der Reisekosten von Arbeitnehmern veröffentlicht. Das BMF-Schreiben vom 25.11.2020 ersetzt die vorangegangene Verwaltungsanweisung vom 24.10.2014 und greift die jüngste BFH-Rechtsprechung zur Definition der ersten Tätigkeitsstätte, Mahlzeitengestellung und doppelten Haushaltsführung auf. 

Hintergrund

Mit der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts (siehe Deloitte Tax-News) ist für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte entscheidend, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden soll und dieser damit dauerhaft zuzuordnen ist. Der BFH hat in fünf Urteilen allgemeine Rechtsprechungsgrundsätze zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte nach der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts aufgestellt (siehe Deloitte-Tax News). Das BMF hat in dem Schreiben vom 25.11.2020 die gesetzliche Definition der ersten Tätigkeitsstätte mit den allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätzen konkretisiert.

Darüber hinaus nimmt das BMF die aktuelle Rechtsprechung im Bereich der Verpflegungsmehraufwendungen sowie Kürzungen von Verpflegungspauschalen bei Mahlzeitengestellung in ihre Verwaltungsgrundsätze auf und präzisiert die Anforderungen an die Haupt- und Zweitwohnung bei einer doppelten Haushaltsführung.

Verwaltungsanweisung

Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen sowie Ergänzungen gegenüber dem Vorgängerschreiben vom 24.10.2014 (siehe Deloitte Tax-News) dargestellt.

Definition der ersten Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 EStG)

Tätigkeitsstätte (Rn. 3)

  • Nach dem BMF ist Tätigkeitsstätte eine von der Wohnung getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung, die räumlich zusammengefasste Sachmittel umfasst, die der beruflichen Tätigkeit (vom Arbeitgeber, verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten) dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (vgl. BFH-Urteil vom 11.04.2019, VI R 12/17). Darunter fallen auch großflächige und infrastrukturell erschlossene Gebiete wie Werksanlagen, Betriebsgelände, o.ä., wenn sie organisatorisch, technisch oder wirtschaftlich im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen (vgl. BFH-Urteile vom 11.04.2019, VI R 40/16 und VI R 12/17).

Zuordnung mittels dienst- oder arbeitsrechtlicher Festlegung durch den Arbeitgeber (Rn. 9-11)

  • Für die Zuordnung der Tätigkeitsstätte mittels dienst- oder arbeitsrechtlicher Festlegung durch den Arbeitgeber soll es lediglich entscheidend sein, ob der Arbeitnehmer bei einer in die Zukunft gerichteten Prognose nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden soll. Dabei muss der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringen, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (vgl. BFH-Urteil vom 04.04.2019, VI R 27/17 und BFH-Urteil vom 11.04.2019, VI R 40/16).
  • Die Zuordnungsentscheidung kann auch außerhalb des Dienst- oder Arbeitsvertrages – mündlich oder konkludent – erfolgen und ist unabhängig davon, ob sich der Arbeitgeber der steuerlichen Folgen bewusst ist. Die Zuordnungsentscheidung bedarf keiner Dokumentation. Darüber hinaus kann sie sich aus weiteren Regelungen in Arbeits- oder Tarifverträgen, Einsatzplänen, o.ä. ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 04.04.2019, VI R 40/16 und VI R 27/17).

Dauerhafte Zuordnung (Rn. 14, 20)

  • Eine Zuordnung ist auch auf Dauer angelegt, wenn sie nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer jederzeit einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet werden könnte, führt nicht zu Annahme einer befristeten Zuordnung (vgl. BFH-Urteil vom 04.04.2019, VI R 27/17).
  • Wird ein befristetes Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf der Befristung schriftlich durch bloßes Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts bei ansonsten unverändertem Vertragsinhalt verlängert, liegt ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vor. Für die Frage, ob eine Zuordnung für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt, ist daher ab dem Zeitpunkt der Verlängerung auf das einheitliche Beschäftigungsverhältnis und nicht lediglich auf den Zeitraum der Verlängerung abzustellen (BFH-Urteil vom 10.04.2019, VI R 6/17).

Verpflegungsmehraufwendungen

Vereinfachung bei der Ermittlung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen (§ 9 Abs. 4a S. 2-5 EStG) (Rn. 47-51)

  • Bei der Höhe der Verpflegungsmehraufwendungen im Inland berücksichtigt das BMF die im JStG 2019 erhöhten und aktuell geltenden (ab dem 01.01.2020) Pauschalen von 28 Euro bei einer Abwesenheit von 24 Stunden und 14 Euro bei einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden sowie bei An- und Abreisetagen (siehe Deloitte Tax-News).
  • Bei Auswärtstätigkeiten im Ausland gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei inländischen Auswärtstätigkeiten. Die im Ausland geltenden Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen betragen bei einer Abwesenheit von 24 Stunden 120% und für den An- und Abreisetag oder einer Abwesenheit von 8 Stunden 80% der jeweiligen Auslandstagegelder nach dem Bundesreisekostengesetz.

Vereinfachung der steuerlichen Erfassung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten während einer auswärtigen Tätigkeit

Bewertung und Besteuerungsverzicht bei üblichen Mahlzeiten (§ 8 Abs. 2 S. 8-9 EStG) (Rn. 61)

  • Das BMF weist klarstellend darauf hin, dass die Preisgrenze von 60€ bei sog. üblichen Mahlzeiten unabhängig von im Inland oder Ausland zur Verfügung gestellten Mahlzeiten greift.

Kürzung der Verpflegungspauschalen (§ 9 Abs. 4a S. 8-10 EStG) (Rn. 74-76, 88-89)

  • Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Imbisse (z.B. belegte Brötchen, Kuchen und Obst) führen weiterhin zu einer Kürzung der Verpflegungspauschale. Dagegen erfüllen kleinere Knabbereien und unbelegte Backwaren nicht die Kriterien für eine Mahlzeit und führen zu keiner Kürzung der Pauschale (vgl. BFH-Urteil vom 03.07.2019, VI R 36/17, siehe Deloitte Tax-News).
  • Die Zurverfügungstellung einer Mahlzeit durch den Arbeitgeber (oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten) i. S. von § 9 Abs. 4a S. 8 EStG erfordert nicht, dass der Arbeitnehmer die Mahlzeit auch tatsächlich einnimmt. Aus welchen Gründen der Arbeitnehmer eine ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit ebenfalls unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.2020, VI R 16/18).
  • Bei der Hingabe von Essensmarken durch den Arbeitgeber wird weiterhin daran festgehalten, dass diese innerhalb der Dreimonatsfrist keine vom Arbeitgeber gestellte Mahlzeit darstellen und keine Kürzung vorzunehmen ist. Es handelt sich um eine Verbilligung der vom Arbeitnehmer selbst veranlassten und bezahlten Mahlzeit. Nach Ablauf der Dreimonatsfrist sind die an diese Arbeitnehmer ausgegebenen Essenmarken (Essensgutscheine, Restaurantschecks) abweichend von R 8.1 Abs. 7 Nr. 4 Buchst. a S. 1 Doppelbuchst. dd LStR 2015 mit dem maßgebenden Sachbezugswert zu bewerten. Der Ansatz des Sachbezugswerts setzt voraus, dass die übrigen Voraussetzungen der R 8.1 Abs. 7 Nr. 4 Buchst. a LStR 2015 vorliegen.
  • Der Werbungskostenabzug des Arbeitnehmers für eine auf eigene Veranlassung eingenommene Verpflegung anstelle der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeit ist ausgeschlossen. Es bleibt bei der typisierenden Kürzung der steuerlichen Verpflegungspauschalen (§ 9 Abs. 4a Satz 8 EStG).

Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG)

Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung

  • Hauptwohnung (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG) (Rn. 102)
    Eine Hauptwohnung ist am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen, wenn der Steuerpflichtige von dieser Wohnung seine erste Tätigkeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten kann in der Regel als zumutbar angesehen werden (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2017, VI R 31/16).
    Zur Ermittlung, ob die Hauptwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen ist, kann die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG) zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte herangezogen werden. Beträgt die Entfernung zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte mehr als 50 km, ist davon auszugehen, dass sich die Hauptwohnung außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte befindet.
  • Zweitwohnung oder –unterkunft (Rn. 103)
    Eine Zweitwohnung oder -unterkunft in der Nähe des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte steht einer Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte gleich. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitstätte belegen ist, wenn die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG) zwischen Zweitwohnung oder -unterkunft und erster Tätigkeitsstätte nicht mehr als 50 km beträgt. Liegt die Zweitwohnung mehr als 50 km von dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte entfernt, ist zu prüfen, ob die erste Tätigkeitsstätte von der Zweitwohnung oder -unterkunft noch in zumutbarer Weise täglich erreicht werden kann. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten ist dabei als zumutbar anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 19.04.2012, VI R 59/11, siehe Deloitte Tax-News).

Berufliche Veranlassung (Rn. 104)

  • Von dem Beziehen einer Zweitwohnung oder –unterkunft aus beruflichen Gründen soll aus Vereinfachungsgründen auszugehen sein, wenn sich die Fahrtstrecke zur ersten Tätigkeit halbiert.

Ehegatten/Lebenspartner (Rn. 105, 114)

  • Für Ehegatten müssen die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung jeweils gesondert erfüllt sein, um für jeden von ihnen die beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung anerkennen zu können.
  • Bei Arbeitnehmern, die mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartner einen gemeinsamen Haushalt führen, kann eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung ohne entsprechenden Nachweis unterstellt werden.

Höhe der Unterkunftskosten (Höchstbetrag 1.000 Euro) (Rn. 108, 109)

  • Der Höchstbetrag umfasst keine Aufwendungen für Hausrat, Einrichtungsgegenstände oder Arbeitsmittel, mit denen die Zweitwohnung ausgestattet ist. Soweit diese nicht überhöht sind, können sie als sonstige notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 04.04.2019, VI R 18/17). Übersteigen die Anschaffungskosten der Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung insgesamt nicht den Betrag von 5.000 Euro (einschließlich Umsatzsteuer), ist davon auszugehen, dass es sich um notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung handelt.
  • Bei der Anmietung einer möblierten Zweitwohnung oder –unterkunft kann die Miete im Schätzwege für die Miete für die Überlassung der Wohnung und der Einrichtung und Ausstattung aufgeteilt werden (BFH-Urteil vom 04.04.2019, VI R 18/17).
  • Bei Beendigung der doppelten Haushaltsführung ist eine Vorfälligkeitsentschädigung wegen vorzeitiger Ablösung einer Grundschuld aufgrund der Veräußerung der Zweitwohnung nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 03.04.2019, VI R 15/17).

Reisenebenkosten (Rn. 128-131)

  • Das BMF ergänzt die Reisenebenkosten um die tatsächlichen Aufwendungen für Telekommunikation.
  • Bei Kraftfahrern werden notwendige Mehraufwendungen die einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kraftfahrzeug des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug entstehen, ab dem 01.01.2020 einheitlich im Kalenderjahr mit einer Pauschale von 8 € für jeden Kalendertag berücksichtigt, sofern der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale nach § 9 Abs. 4a S. 3 Nr. 1 und 2 sowie S. 5 Nr. 1 und 2 EStG beanspruchen könnte. Die Pauschale kann auch von mitfahrenden Arbeitnehmern beansprucht werden, die ebenfalls im Fahrzeug übernachten. Dies gilt nur, wenn der Arbeitgeber keine weiteren Erstattungen für Übernachtungskosten leistet oder der Arbeitnehmer keine weiteren Übernachtungskosten als Werbungskosten geltend macht. Die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5b EStG müssen erfüllt sein.

Anwendung

Das BMF-Schreiben tritt an Stelle des BMF-Schreibens vom 24.10.2014 und ist in allen offenen Fällen anzuwenden. 

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 25.11.2020, IV C 5 - S 2353/19/10011

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