FG München: Zuflusszeitpunkt von Arbeitslohn bei verdeckter Einlage eines Aktienoptionsrechts in eine KapGes
Aufhebung des FG-Urteils durch: BFH, Urteil vom 18.09.2012, VI R 90/10, nicht amtlich veröffentlicht
-----------------------------------------
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Bewertung eines Vorteils aus der Gewährung einer Aktienoption im Zusammenhang mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sowie den Zuflusszeitpunkt des geldwerten Vorteils.
Der Kläger war bei der E. GmbH als Geschäftsführer beschäftigt und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit Vertrag vom 29.10.2002 räumte die E. GmbH dem Kläger das Recht ein, einmalig 15.000 Stückaktien an der A. AG zum Kaufpreis von 0,65 Euro je Aktie zu erwerben (Optionsrecht). Mit Schreiben vom 29.11.2002 übertrug der Kläger sein Optionsrecht auf die Z. GmbH, an der er zu 100 % beteiligt war. Im Gegenzug sollte die Z. GmbH 0,10 Euro pro zu erwerbender Aktie, insgesamt 1.500 Euro zahlen. Der Kurswert der A. AG Aktie betrug zu diesem Stichtag 1,84 Euro. Der Betrag von 1.500 Euro wurde von der Z. GmbH am 15.01.2004 an den Kläger gezahlt. Mit Schreiben vom 09.01.2004 übte die Z. GmbH gegenüber der E. GmbH das Optionsrecht aus. Am 12.01.2004 wurden die Aktien der A. AG in das Depot der Z. GmbH eingeliefert. Der Kurswert zu diesem Zeitpunkt belief sich auf 5,41 Euro je Aktie. Das Finanzamt rechnete die Ausübung des Optionsrechts durch die Z. GmbH dem Kläger zu und bewertete den geldwerten Vorteil des Klägers im Rahmen des Einkommensteuerbescheids für 2004 mit 71.400 Euro. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage und macht geltend, der geldwerte Vorteil betrage 1.500 Euro und sei bereits mit Abschluss der Vereinbarung vom 29.11.2002 zugeflossen.
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet. Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit wurden zu Recht im Streitjahr 2004 um einen geldwerten Vorteil im Zusammenhang mit der Ausübung des Optionsrechts i.H.v. 71.400 Euro erhöht.
Die Gewährung eines Ankaufsrechts (Optionsrechts) kann zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit führen. Dabei fließt i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 1 EStG ein geldwerter Vorteil nicht bereits zum Zeitpunkt der Einräumung eines Optionsrechts auf den späteren Erwerb von Aktien zu, sondern regelmäßig erst im Zeitpunkt des preisgünstigen Erwerbs der Aktien nach Ausübung der Option. Mit der Einräumung der Option erlangt der Arbeitnehmer lediglich eine steuerlich unerhebliche Chance.
Die Übertragung des Optionsrechts an die Z. GmbH stellt nach Auffassung des Senats keine Veräußerung dar. Vielmehr handelt es sich um eine verdeckte Einlage. Denn der von der Z. GmbH zu zahlende Betrag von insgesamt 1.500 Euro entspricht offensichtlich nicht dem Verkehrswert des Optionsrechts. Eine verdeckte Einlage stellt im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG aber keine veräußerungsgleiche Verfügung über einen geldwerten Vorteil dar. Sie führt nicht in einer Weise zu einer objektiven Bereicherung, dass von einem Zufluss eines geldwerten Vorteils i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG gesprochen werden kann.
Auch eine teilentgeltliche Veräußerung scheidet nach Auffassung des Senats aus. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass der zu zahlende Betrag von 1.500 Euro nicht zeitnah mit der Übertragung des Optionsrechts an die GmbH entrichtet wurde. Vielmehr erfolgte die Zahlung erst nach Ausübung des Optionsrechts durch die Z. GmbH und Einbuchung der Aktien in das Depot der GmbH. Die Zahlung des Betrags stellt sich somit wirtschaftlich als teilweise Rückgewähr der Einlage des Klägers dar.
Eine verdeckte Einlage von Optionsrechten eines Arbeitnehmers in eine Kapitalgesellschaft führt ebenso wie eine unentgeltliche Abtretung von Lohnansprüchen (vgl. BFH-Urteil vom 13.05.1976) beim Einlegenden noch nicht bereits im Zeitpunkt der verdeckten Einlage, sondern erst im Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien ins Depot der Kapitalgesellschaft zum Lohnzufluss beim Arbeitnehmer. Vorliegend trat die Realisation der durch das Optionsrecht eingeräumten zunächst als steuerlich unerheblich zu qualifizierenden Chance auf preisgünstigen Vermögenserwerb durch die verdeckte Einlage noch nicht ein. Denn die Vermögenssituation des Klägers hat sich durch die verdeckte Einlage insgesamt nicht verändert. Die zunächst unmittelbar gehaltene Option wurde nach Einlage nun mittelbar über die Kapitalbeteiligung gehalten. Die Option änderte durch die verdeckte Einlage ihre rechtliche Qualität nicht. Dies gilt unabhängig von der Bewertung des Optionsrechts bei der GmbH.
Unerheblich ist, dass die Aktien unmittelbar auf Veranlassung des Arbeitgebers in das Depot der Z. GmbH eingeliefert wurden und nicht vorher in die Verfügungsmacht des Klägers gelangt waren. Die objektive Bereicherung des Klägers und damit der Zufluss von Arbeitslohn vollziehen sich im vorliegenden Fall über die durch die Einbuchung der Aktien erfolgte Wertsteigerung der 100%-Kapitalbeteiligung des Klägers an der Z. GmbH. Insoweit ist mit Einbuchung der Aktien im Depot der Z. GmbH über die Wertsteigerung der Kapitalbeteiligung eine objektive Bereicherung eingetreten. Durch die Einbuchung der Aktien im Depot der Z. GmbH ändert sich an der personellen Zurechnung der Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis nichts. Die Bewertung des geldwerten Vorteils bestimmt sich nach dem Kurswert zum Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot der Z. GmbH (5,41 Euro je Aktie) abzüglich des vereinbarten Kaufpreises (0,65 Euro). Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit wurden daher zu Recht im Streitjahr 2004 um einen geldwerten Vorteil i.H.v. 71.400 Euro (= 4,76 Euro/Stück * 15.000 Stück) als weiterer Arbeitslohn erhöht. Die Revision wurde zugelassen.
Betroffene Norm
§ 11 Abs. 1 EStG
Streitjahr 2004
Fundstellen
Finanzgericht München, Urteil vom 20.10.2010, 9 K 3804/08; BFH, Urteil vom 18.09.2012, VI R 90/10, nicht amtlich veröffentlicht
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 13.05.1976, IV R 83/75, BStBl II 1976, S. 592