FG Münster: Kein Zufluss von Arbeitslohn bei Gesellschafter-Geschäftsführer durch Gutschriften auf Zeitwertkonto
Mit Urteil vom 27.02.2014 hob der BFH das Urteil des FG Münster auf. Die Klägerin habe vom beklagten Finanzamt keine Lohnsteueranrufungsauskunft mit dem von ihr begehrten Inhalt verlangen können. Die Auffassung des Finanzamtes, dass Gutschriften von Arbeitszeit auf einem Zeitwertkonto bei GmbH-Geschäftsführern zu Einnahmen führen, widerspräche weder ersichtlich dem Gesetz noch – da diese Frage bisher höchstrichterlich nicht geklärt sei – der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das FG könne eine Lohnsteueranrufungsauskunft nur darauf überprüfen, ob sie – was vorliegend nicht der Fall ist – evident fehlerhaft ist. Die zugrunde liegende Rechtsfrage, ob Gutschriften von Arbeitszeit auf einem Zeitwertkonto auch bei GmbH-Geschäftsführern zu Einnahmen führen, ist damit allerdings weiterhin offen.
BFH, Urteil vom 27.02.2014, IV R 23/13
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FG Münster
Gutschriften von Arbeitszeit auf einem Zeitwertkonto führen auch bei GmbH-Geschäftsführern nicht zu Einnahmen, gleichgültig, ob die Geschäftsführer gleichzeitig beherrschende Gesellschafter oder Minderheitsgesellschafter sind.
Sachverhalt
Die Klägerin (eine GmbH) teilte dem Finanzamt (Beklagter) im Jahr 2009 mit, dass sie ein flexibles Arbeitszeitmodell mit Arbeitszeitkonten auf freiwilliger Basis für ihre Mitarbeiter anbieten möchte. Der Mitarbeiter verzichtet auf einen frei bestimmbaren Teil seines Gehalts bei gleichbleibender Arbeitszeit. Die Mehrarbeitszeit wird auf einem Arbeitszeitkonto erfasst und dem Arbeitnehmer gutgeschrieben. Später kann der Arbeitnehmer sein Zeitwert-Guthaben beanspruchen und sich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freistellen lassen.
Die Klägerin beantragte eine verbindliche Auskunft dahingehend, dass Gutschriften auf den Zeitwertkonten keinen Zufluss von Arbeitslohn darstellen. Das Finanzamt erteilte die gewünschte Auskunft, wies aber darauf hin, dass Zeitwertkonten bei Arbeitnehmern, die gleichzeitig als Organ bestellt oder beherrschende Gesellschafter sind, steuerlich nicht anerkannt werden (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 17.06.2009).
Entscheidung
Gutschriften auf dem Zeitwertkonto führen auch bei Geschäftsführern nicht zu Einnahmen, gleichgültig, ob die Geschäftsführer gleichzeitig beherrschende Gesellschafter oder Minderheitsgesellschafter sind.
Nur zugeflossener Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer. Einnahmen und damit auch Arbeitslohn sind zugeflossen, wenn und sobald der Steuerpflichtige wirtschaftlich darüber verfügen kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Einnahmen bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.
Den Arbeitnehmern fließt mit den Wertgutschriften auf ihrem Zeitwertkonto auch nach Auffassung des Finanzamtes grundsätzlich kein Arbeitslohn zu. Es erfolgen insoweit weder Barauszahlungen noch Gutschriften auf ihren Konten bei einem Kreditinstitut. Die Beträge, auf die der Arbeitnehmer verzichtet, gelangen nicht zur Auszahlung. Sie werden dem Zeitwertkonto gutgeschrieben und der Arbeitnehmer kann über sie zunächst wirtschaftlich nicht verfügen. Das ist erst in der Freistellungsphase möglich, so dass auch erst in der Freistellungsphase ein zu versteuernder Zufluss anzunehmen ist.
Auch für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer oder Gesellschafter-Geschäftsführer, die lediglich eine Minderheitsbeteiligung an der GmbH halten, ist in diesem Modell nicht von einem Zufluss im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zeitwertkonto auszugehen. Auch sie erzielen, unabhängig von ihrer arbeits- und sozialrechtlichen Einordnung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, deren Zufluss sich nach § 11 EStG richtet und der somit nicht schon im Zeitpunkt der Fälligkeit des Arbeitslohnes erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 14.02.1984 und vom 14.06.1985).
Grundsätzlich haben es beherrschende oder Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer, die Zugriff auf die Zahlungsmittel der GmbH haben, zwar selbst in der Hand, sich fällige Beträge auszahlen zu lassen. Im Streitfall werden die zur Einzahlung bestimmten Beträge aufgrund der vorab geschlossenen, zivilrechtlichen Vereinbarung über die Ansammlung von Wertguthaben auf einem Zeitwertkonto, jedoch gerade nicht als Arbeitslohn zur Auszahlung fällig.
Eine andere Behandlung der Gesellschafter-Geschäftsführer gegenüber „normalen“ Arbeitnehmern ist nicht sachgerecht. Der Geschäftsführer einer GmbH ist steuerrechtlich grundsätzlich Arbeitnehmer. Als Organ der Gesellschaft ist er in die GmbH eingegliedert und muss den Regelungen im Anstellungsvertrag und den Weisungen der Gesellschafter aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen folgen (BFH-Urteil vom 19.02.2004). Auch der Umstand, dass Gesellschafter-Geschäftsführer keine festen Arbeitszeiten haben und sich Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit nicht entgelten lassen, steht der Anwendbarkeit des Modells und der Annahme fehlenden Zuflusses im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zeitwertkonto nicht entgegen, weil auf dem Zeitwertkonto kein Arbeitszeitguthaben, sondern Arbeitsentgelt angesammelt wird.
Anmerkung
BFH-Urteil vom 11.11.2015: vGA
Mit Urteil vom 11.11.2015, I R 26/15 (siehe Deloitte Tax-News) hat der BFH entschieden, dass bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer Gutschriften (Zeiteinheiten oder Wertguthaben) auf einem Zeitwertkonto zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung führen.
Betroffene Normen
§ 42e EStG, § 11 Abs. 1 EStG, § 19 EStG
Streitjahr 2009
Fundstelle
BFH, Urteil vom 27.02.2014, IV R 23/13
Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.03.2013, 12 K 3812/10 E
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 11.11.2015, I R 26/15, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 17.06.2009, IV C 5 – S 2332/07/004
BFH, Urteil vom 03.02.2011, VI R 4/10, BStBl II 2011, S. 456
BFH, Urteil vom 14.02.1984, VIII R 221/80, BStBl II 1984, S. 480
BFH, Urteil vom 14.06.1985, VI R 127/81, BStBl II 1986, S. 62