Niedersächsisches FG: Arbeitslohn bei Firmenfeier zur Verabschiedung eines Arbeitnehmers
Veranstaltet ein Arbeitgeber anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers einen Empfang, ist entgegen der Verwaltungsauffassung (R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR) auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 Euro unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob es sich um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) oder um ein privates Fest des Arbeitnehmers handelt.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 23.04.2024, 8 K 66/22, BFH-anhängig: VI R 18/24
Sachverhalt
Ein Bankinstitut (Arbeitgeber) veranstaltete anlässlich der Verabschiedung seines bisherigen Vorstandsvorsitzenden einen Empfang in den Geschäftsräumen der Unternehmenszentrale, im Rahmen dessen auch der neue Vorstandsvorsitzende vorgestellt wurde. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war ein vom Verwaltungsrat bestimmtes Organisationsgremium zuständig. Der Empfang fand in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers statt, der auch die Gesamtaufwendungen für den Empfang übernahm und allein als Gastgeber des Empfangs auftrat.
Bei den ca. 300 geladenen Gästen handelte es sich um frühere und jetzige Vorstandsmitglieder, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden, Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des bisherigen Vorstandsvorsitzenden als Gäste geladen.
Das Finanzamt erkannte die Veranstaltung nicht als Betriebsveranstaltung an, da nicht alle Arbeitnehmer eingeladen waren und rechnete die Aufwendungen für den Empfang dem bisherigen Vorstandsvorsitzenden als Arbeitslohn zu. Gegen den Arbeitgeber wurde ein Haftungsbescheid erlassen. Dagegen legte er Einspruch und anschließend Klage ein.
Entscheidung
Das FG kommt entgegen der Auffassung des Finanzamtes zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Aufwendungen für die Firmenfeier nicht um Arbeitslohn des Arbeitnehmers (bisheriger Vorstandsvorsitzender) handelt, soweit diese rechnerisch nicht auf den Arbeitnehmer und seine eingeladenen Familienangehörigen entfallen.
Zuwendung von Arbeitslohn
Die Zuwendung von Arbeitslohn ist nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft eine objektive Bereicherung erfährt. Eine objektive Bereicherung des Arbeitnehmers ist jedoch dann nicht gegeben, wenn die Bewirtung der Gäste anlässlich eines Festes des Arbeitgebers erfolgt. Ob ein Empfang, den ein Arbeitgeber beispielsweise anlässlich eines besonderen Ereignisses eines seiner Mitarbeiter ausrichtet, als Fest des Arbeitgebers oder als das des Arbeitnehmers erscheint, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 28.01.2003, VI R 48/99) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Lohnsteuerrichtlinien
- Verabschiedung eines Arbeitnehmers, R 19.3 Abs. 2 Nr. 3
Übliche Sachleistungen des Arbeitgebers, z.B. aus Anlass der Verabschiedung eines Arbeitnehmers, führen nicht zu Arbeitslohn. Betragen die Aufwendungen des Arbeitgebers einschl. Umsatzsteuer jedoch mehr als 110 Euro je teilnehmender Person, sind die Aufwendungen dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers hinzuzurechnen.
- Empfang anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers, R 19.3 Abs. 2 Nr. 4
Übliche Sachleistungen bei einem Empfang anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers sind nicht als Arbeitslohn anzusehen, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) handelt. Die anteiligen Aufwendungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmer selbst, seine Familienangehörigen sowie private Gäste des Arbeitnehmers entfallen, gehören jedoch zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn die Aufwendungen des Arbeitgebers mehr als 110 Euro je teilnehmender Person betragen.
Verwaltungsauffassung nicht sachgerecht
Diese Verwaltungsauffassung ist nach Auffassung des FG nicht widerspruchsfrei und stehe nicht mit den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 28.01.2003, VI R 48/99, in Einklang. Die Unterscheidung der Aufwendungen in solche anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers, die bei Überschreiten der Freigrenze von 110 Euro insgesamt zu Arbeitslohn des Arbeitnehmers führen sollen, und in solche anlässlich eines runden Geburtstages, die lediglich bei Überschreiten der Freigrenze von 110 Euro hinsichtlich des betroffenen Arbeitnehmers und seiner privaten Gäste zu Arbeitslohn führen sollen, sei nicht nachvollziehbar.
BFH-Urteil vom 28.01.2003, VI R 48/99
Der BFH hat in dem genannten Urteil für den Fall eines besonderen runden Geburtstags eines Arbeitnehmers entscheidend darauf abgestellt, dass zwar der Geburtstag des Arbeitnehmers als Anlass des Festes dafürspreche, dass es sich um ein Fest des Arbeitnehmers handele. Aus den übrigen Umständen könne sich jedoch ergeben, dass es sich gleichwohl um ein Fest des Arbeitgebers handele.
Es spreche dafür, dass es sich um ein Fest des Arbeitgebers handele, wenn der Empfang in den Räumen des Arbeitgebers stattfindet, der Arbeitgeber als Gastgeber auftrete und er die Gästeliste bestimmt. Weiterhin sei entscheidend, ob es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre sowie Mitarbeiter des Arbeitgebers handele oder um private Freunde und Bekannte des Arbeitnehmers.
Schließlich sei zu berücksichtigen, ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweise oder ob das nicht der Fall sei. Stelle sich der Empfang danach als Fest des Arbeitgebers dar, sei eine private Mitveranlassung unschädlich.
Ergebnis im Streitfall
Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des BFH erscheint es dem FG umso mehr gerechtfertigt, die hinsichtlich eines Fests des Arbeitgebers aus Anlass eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers aufgestellten Grundsätze auch für den Fall der Verabschiedung eines Arbeitnehmers anzuwenden.
Daher stelle sich im Streitfall der Empfang unter Berücksichtigung aller Umstände als betriebliche Veranstaltung dar. Denn der Arbeitgeber habe als Einladender die Gästeliste bestimmt, den Empfang in den eigenen Geschäftsräumen durchgeführt und neben der Verabschiedung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden zugleich den geladenen Gästen auch den neuen Vorstandsvorsitzenden vorgestellt. Die persönliche Ehrung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden als Anlass für den Empfang trete daneben in den Hintergrund, ebenso wie die im Vergleich zur Gesamtgästezahl sehr geringe Anzahl der auf persönliche Veranlassung des Arbeitnehmers geladenen Gäste aus dessen familiären Umfeld.
Somit führt die Kostentragung durch den Arbeitgeber – abgesehen von den auf den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden selbst und dessen Familienangehörigen entfallenden Aufwendungen – nicht zu einer Zuwendung von Arbeitslohn an den Arbeitnehmer.
Betroffene Norm
R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 LStR
Anmerkung
Die Zulassung der Revision, die mittlerweile auch beim BFH anhängig ist, ist erfolgt, da die von der Verwaltung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 LStR vorgenommene Unterscheidung zwischen einer Verabschiedung oder einem runden Geburtstag eines Mitarbeiters nicht sachgerecht erscheint.
Fundstelle
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 23.04.2024, 8 K 66/22, BFH-anhängig: VI R 18/24
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 28.01.2003, VI R 48/99, BStBl. II 2003, S. 724