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27.02.2025
Erbschaftsteuer

BFH: Ein gleichbleibender pauschaler Holdingabschlag ist bei Ableitung des gemeinen Werts eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft nicht zu berücksichtigen

Der gemeine Wert eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft lässt sich nur dann aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, wenn die Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt, der die marktwirtschaftlichen Grundsätze von Angebot und Nachfrage vollzieht. Ein gleichbleibender pauschaler Holdingabschlag ist nicht zu berücksichtigen, wenn er nicht auf der konkreten Beschaffenheit des Wirtschaftsguts beruht und nicht auszuschließen ist, dass mit diesem auch persönliche Verfügungsbeschränkungen des Anteilsinhabers abgegolten werden sollen.

BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 49/22

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH. Sie war im Streitjahr 2009 als Holdinggesellschaft im In- und Ausland beteiligt. Gesellschafter waren mehrere natürliche Personen, teilweise über Holdinggesellschaften mittelbar an der Klägerin beteiligt.

§ 4 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin sah u.a. vor, dass Verfügungen über Gesellschaftsanteile an der Klägerin nur nach vorheriger Zustimmung eines dafür beauftragten Gesellschafters erfolgen konnten. Die Zustimmung durfte nur erteilt werden, wenn die Anteile an bestimmte Personen, insbesondere Abkömmlinge der Firmengründer, deren Ehegatten, den Abkömmlingen gleichgestellte Personen sowie bestimmten Gesellschaften und Stiftungen übertragen werden sollten. Die von der Gesellschafterversammlung im Jahr 2000 beschlossene Richtlinie für die Wahrnehmung der Aufgaben des beauftragten Gesellschafters bei Verfügungen über Geschäftsanteile sah für eine Zustimmung zum Verkauf vor, dass ein verkaufswilliger Gesellschafter, der keinen Käufer benennt, die Anteile dem Verwaltungsbüro zur Vermittlung des Verkaufs anbietet. Das Büro bot die Anteile seinerseits in der Reihenfolge des Verwandtschaftsgrades gemäß § 1589 BGB innerhalb des Familienstammes des verkaufswilligen Gesellschafters denjenigen Verwandten an, die ihrerseits Abkömmlinge waren, und zwar den Verwandten desselben Verwandtschaftsgrades jeweils unter sich zu gleichen Teilen.

Ferner sah die Richtlinie vor, dass für Verkäufe von Geschäftsanteilen grundsätzlich der von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelte gemeine Wert im Sinne des § 11 BewG maßgebend war. Dieser wurde dergestalt ermittelt, dass für Beteiligungen der Klägerin an börsennotierten Kapitalgesellschaften der Durchschnittskurs der letzten drei Monate zugrunde gelegt wurde. Der Wert für Beteiligungen der Klägerin an nicht börsennotierten Gesellschaften wurde auf der Grundlage der voraussichtlichen Umsätze oder Erträge unter Anwendung eines Vervielfältigers ermittelt. Dieser Vervielfältiger wurde aus dem Börsenwert von Wettbewerbern in der jeweiligen Branche und den Umsätzen oder Erträgen, die dem jeweiligen Börsenwert zugrunde lagen, abgeleitet. Von der Summe der Werte sämtlicher Beteiligungen wurde ein Marktwertabschlag von 20 % vorgenommen. Hiermit sollten Wertminderungen berücksichtigt werden. Gemäß der Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers vom 09.04.2009 gegenüber der Klägerin sei ein Abschlag ("Holding Discount") von 20 % im aktuellen Kapitalmarktumfeld angemessen, da der Holdingabschlag vergleichbarer Gesellschaften in den letzten drei Jahren durchschnittlich zwischen 20 % und 30 % betragen habe.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.11.2009 trat L Teilgeschäftsanteile unentgeltlich an seine drei Kinder ab. Die Klägerin gab eine Feststellungserklärung ab, in der sie den gemeinen Wert der abgetretenen Teilgeschäftsanteile mit jeweils 408 % angab. Diesen Wert hatte sie auf der Grundlage von 63 Verkäufen von Geschäftsanteilen in dem Zeitraum vom 05.12.2008 bis zum 27.11.2009 ermittelt. Die den Kaufpreisen zugrunde liegenden Anteilswerte hatte die Zentralabteilung Steuern der Klägerin nach dem von ihr angewandten "Net Asset Value"-Verfahren unter Berücksichtigung eines Marktwertabschlags von 20 % ermittelt. In 27 Fällen wurden die von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelten und den Vertragsparteien mitgeteilten Kaufpreise unter- oder überschritten. In sämtlichen Fällen wurden Kaufpreise von 260 % bis 408 % des Nennwerts der Geschäftsanteile vereinbart und gezahlt.

Das FA stellte den Wert der von L abgetretenen Geschäftsanteile abweichend vom erklärten Wert fest. Zur Begründung führte es aus, dass der Ermittlung des Werts der Anteile durch die Klägerin mit dem „Net Asset ­Value“ grundsätzlich gefolgt werden könne. Ein Holdingabschlag von 20 % könne jedoch nicht anerkannt werden, so dass die Anteile mit 510 % ihres Nennwerts anzusetzen seien.

Den Einspruch der Klägerin wies das FA als unbegründet zurück und führte aus, die der Wertermittlung der Klägerin zugrunde liegenden Verkäufe hätten nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter fremden Dritten stattgefunden. Familienangehörige seien keine fremden Dritten. Der Kaufpreis für die Geschäftsanteile sei nicht am freien Markt gebildet, sondern von der Klägerin ermittelt und den Verkäufern und Käufern bindend vorgegeben worden. Da somit eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen ausscheide, dürfe der als „Net Asset Value“ bezeichnete Wert, der den Substanzwert der Klägerin darstelle, nicht unterschritten werden. Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Mit seiner Revision rügt das FA einen Verfahrensverstoß und die Verletzung des § 9 Abs. 2 und 3 BewG sowie des § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 BewG.

Entscheidung

Zutreffend ist das FG zwar davon ausgegangen, dass der Substanzwert bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten nicht die Untergrenze bildet. Es hat jedoch die Voraussetzungen für die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BewG unzutreffend bejaht.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, die am Stichtag nicht an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so erfolgt die Bewertung der Anteile nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG darf die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft nicht unterschritten werden. Maßgebend für die Ableitung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BewG ist der Preis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) tatsächlich erzielt wurde. Gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist (ständige Rechtsprechung). Entscheidend für einen gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist, dass die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten eine nach ausschließlich marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Verhandlung und Preisbildung zulassen und diese nicht beeinträchtigen. Ob die Parteien einen Preis vereinbart haben, der demjenigen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht, ist nach st. Rspr. nach den Gesamtumständen des Einzelfalls unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe zu entscheiden, zu denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehören. Bei der Ableitung des gemeinen Werts sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BewG). Eine Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kann u.U. auch dann anzunehmen sein, wenn einzelne Merkmale eines freien Marktes nicht in vollem Umfang vorliegen. Von einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist erst dann nicht mehr auszugehen, wenn die Beschränkungen ihrem Gesamtbild nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen unter Heranziehung der Verkehrsauffassung nicht mehr entsprechen und eine marktwirtschaftliche Preisbildung erheblich beeinträchtigt haben. 

Vor diesem Hintergrund hat das FG unzutreffend angenommen, dass die in Bezug genommenen 63 Verkaufsfälle im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen sind. Das FG hat bei seiner Würdigung der Umstände des Einzelfalls außer Betracht gelassen, dass nach Ziff. II der Richtlinie bei der Veräußerung der Anteile in der Regel eine bestimmte Reihenfolge bei den Personen einzuhalten war, denen die Anteile zum Kauf angeboten wurden. Aufgrund der vorgegebenen Reihenfolge konnte sich ein frei ausgehandelter Preis, der auf Angebot und Nachfrage beruhte, nicht ohne Weiteres bilden. Dieses Vorgehen schließt es aus, dass sich bei mehreren Interessenten der Preis aufgrund der dann höheren Nachfrage erhöht und sich damit ein Preis in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage bildet. Für eine grundsätzliche Beschränkung und gegen eine freie Preisbildung bei den in Bezug genommenen Verkaufsfällen spricht zudem, dass die Verkaufspreise innerhalb eines bestimmten Zeitraums tatsächlich stets dieselben waren. Soweit das FG darauf abstellt, dass in 27 Verkaufsfällen von dem Wert der Zentralabteilung Steuern des aktuellen Monats abgewichen wurde, tragen die Feststellungen des FG nicht die Schlussfolgerung, die Preise seien deshalb frei ausgehandelt worden. Die zugrunde gelegten Werte haben in dem Großteil dieser Fälle der Höhe nach denen des Vormonats entsprochen. Es handelte sich somit gleichfalls um einen Wert, den die Zentralabteilung Steuern ermittelt hatte, und somit nicht um einen frei ausgehandelten Preis. Solche Beschränkungen bei der Preisbildung, die zu gleichen Preisen zwischen verschiedenen Käufern und Verkäufern führen, sind einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei Anteilen von Personengesellschaften, bei dem sich der Preis unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bildet, in aller Regel fremd. 

Eine Ableitung des gemeinen Werts aus den genannten Verkaufsfällen scheidet auch aufgrund des von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin vorgenommenen pauschalen Holdingabschlags in Höhe von 20 % aus. Bei dem vorgenommenen pauschalen Holdingabschlag handelt es sich um einen preisbildenden Faktor, der mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun hat und daher auszuklammern ist. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung für die Grundstücksbewertung entschieden hat, müssen die zur Ermittlung des gemeinen Werts (§ 9 Abs. 2 BewG) vorgenommenen Abschläge objektivierbar und wirtschaftsgutbezogen begründet sein, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2017 - II R 10/15, BFH/NV 2017, 1153, Rz 18, m.w.N.). In Bezug auf die Ermittlung des gemeinen Werts von Unternehmensanteilen ergibt sich insoweit kein Unterschied. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit dem pauschalierten und gleichbleibenden Abschlag entgegen § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BewG auch persönliche Verfügungsbeschränkungen mit abgegolten wurden. Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Verfügungsbeschränkungen für die Übertragung der Geschäftsanteile zählen zu den persönlichen Verhältnissen, die bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen sind (st. Rspr.).

Betroffene Normen

​§§ 9, 11 BewG

Anmerkungen

Der BFH arbeitet in dieser Entscheidung weiter heraus, unter welchen Voraussetzungen Gesellschaftsanteile einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der Bewertung für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke mit dem Preis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr tatsächlich erzielt wurde, und nicht mit dem Substanzwert als Mindestwert angesetzt werden dürfen. Der BFH betont die Freiwilligkeit auf Seiten beider Parteien, die nicht gegeben sein soll, wenn der Veräußerungspreis für die Anteile durch Gesellschaftsvertrag festgelegt ist oder wenn der Gesellschaftsvertrag oder ähnliche Regelungen das Recht zur Preisfestlegung einer dritten Person oder Stelle übertragen. Auch wird deutlich, dass ein immer gleichbleibender Preis und ein stets gleichbleibender Abschlag (hier: Holding Abschlag) für den BFH ein starkes Anzeichen dafür ist, dass gerade kein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ausgehandelter Preis für Gesellschaftsanteile vorliegt.

Um in der Praxis zu verhindern, dass im Rahmen der Bewertung für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke Verkaufspreise für Gesellschaftsanteile, die sich aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, nicht akzeptiert werden, sollte der Gesellschaftsvertrag keine Vorgaben für die Preisbildung im Rahmen einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen enthalten. Auch sollte die Entscheidung über den Preis keiner dritten Person übertragen sein. Ist der Verkaufspreis um einen Abschlag gemindert, so sollte dieser Abschlag im Einzelfall individuell festgelegt sein. Dies sollte seitens der Vertragsparteien entsprechend dokumentiert werden.

Vorinstanz

​Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.11.2022, 4 K 1832/20 F, DStRE 2023, S. 990

Fundstelle

BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 49/22,  DStR 2025, 268

 

Ihre Ansprechpartner

Britta Hoewer-Zillig
Manager

bhoewer@deloitte.de
Tel.: +4989290368644

Markus Schmitz
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