BFH: Kein Anfall von Schenkungsteuer bei zinsloser Stundung eines nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs
Sachverhalt
Die Klägerin, die von ihren Eltern durch ein gemeinschaftliches Testament als Schlusserbin eingesetzt worden war, stundete im Hinblick darauf durch notariell beurkundeten Vertrag den ihr nach dem Tod des zuerst versterbenden Elternteils zustehenden Pflichtteilsanspruch dem überlebenden Elternteil gegenüber bis zu dessen Tod. Nachdem zunächst der Vater und dann die Mutter verstorben waren, sah das Finanzamt in der zinslosen Stundung des der Klägerin nach dem Tod des Vaters zustehenden Pflichtteilsanspruchs eine freigebige Zuwendung der Klägerin an die Mutter und setzte dafür gegenüber der Klägerin Schenkungsteuer fest.
Entscheidung
In der zinslosen Stundung des Pflichtteilsanspruchs liegt keine freigebige Zuwendung der Tochter an die Mutter. Macht der Pflichtteilsberechtigte - wie im Streitfall die Tochter - das vorübergehende Nichtgeltendmachen des Pflichtteilsanspruchs nicht von einer Verzinsung abhängig, liegt keine freigebige Zuwendung vor. Dies ergibt sich aus der Behandlung des nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs durch das ErbStG. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen u.a. der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Die Erbschaftsteuer dafür entsteht mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG). Dem bloßen Entstehen des Anspruchs mit dem Erbfall kommt erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu. Der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilanspruchs beleibt steuerfrei (§ 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG).
Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs geschieht im Interesse des Berechtigten und soll ausschließen, dass bei ihm auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt. Mit diesen Regelungen wäre es unvereinbar, würde man eine der Schenkungsteuer unterliegende Zuwendung des Pflichtteilberechtigten an den Verpflichteten darin sehen, dass er das vorübergehende Nichtgeltendmachen des Pflichtteilanspruchs nicht von einer Verzinsung abhängig macht. Anders liegt es hingegen, wenn ein bereits geltend gemachter Pflichtteilsanspruch unverzinslich gestundet wird.
Vorinstanz
FG Münster, Urteil vom 08.12.2008, Az. 3 K 2849/06 Erb, EFG 2009, S. 1042.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 31.03.2010, Az. II R 22/09, DStR 2010, S. 1330.
