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20.02.2025
Erbschaftsteuer

BFH: Zur Ableitung des Werts eines GmbH-Anteils aus einem festgelegten Einziehungskurs als Preis im Rahmen einer Veräußerung unter fremden Dritten

Der BFH macht deutlich, welche Anforderungen an einen Preis zu stellen sind, der bei Bewertung eines GmbH-Anteils als im Rahmen einer Veräußerung unter fremden Dritten herangezogen werden soll. Der Einziehungskurs von stets 400% des jeweiligen Nennkapitals genügt diesen Anforderungen nicht. Zudem ist bei zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten (§ 11 Abs. 2 BewG) der Substanzwert nicht als Mindestwert maßgeblich. 

BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 15/21

Sachverhalt

Die Klägerin zu 1. ist eine GmbH und Familienholdinggesellschaft, die insbesondere Beteiligungen an anderen Gesellschaften hielt. Die Kläger zu 2. und 3. sind Erben ihrer 2014 verstorbenen Mutter (M). M gehörten ca. 9,95 % der Anteile an der GmbH.

Bereits seit dem Jahr 2009 waren mehrfach Einziehungen von Teilgeschäftsanteilen an der GmbH jeweils zu einem Einziehungskurs von 400 % des jeweiligen Nennkapitals sowie ein Anteilsverkauf unter Gesellschaftern zu einem Veräußerungspreis von 400 % des Nennkapitals erfolgt. Im Februar 2015 erfolgten zwei Einziehungen von Teilgeschäftsanteilen an der Klägerin zu 1. zu einem Einziehungskurs von 400 %. Die jeweils verbliebenen Anteile wurden verhältnismäßig aufgestockt. Im Jahr 2018 wurde ein weiterer Anteil an der Klägerin zu 1. unter Gesellschaftern zu einem Kurs von 380 % des Nennkapitals verkauft.

Das Finanzamt stellte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit Feststellungsbescheid vom 16.11.2015 den Wert der Anteile an der Klägerin zu 1. erklärungsgemäß mit dem Vierfachen des Nominalwerts fest. Aufgrund einer Konzernbetriebsprüfung bei der Klägerin zu 1. änderte das FA die Wertfeststellung unter Ansatz des Substanzwerts. Der Bescheid wurde der Klägerin zu 1. bekanntgegeben. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der Wert des Anteils zutreffend anhand des Substanzwerts der Gesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelt worden sei. Es könne dahinstehen, ob die aufgrund in der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1. am 07.02.2015 beschlossenen Einziehungen zu einem Einziehungskurs von 400 % des Nennkapitals als Verkäufe unter fremden Dritten im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG angesehen werden könnten. Jedenfalls sei nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG der Substanzwert stets als Mindestwert anzusetzen. Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG.

Entscheidung

Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Zwar ist das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG als Untergrenze auch auf einen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG abgeleiteten Wert aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten Anwendung findet. Das Urteil des FG stellt sich indes aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Eine Ableitung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin zu 1. nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus zeitnahen Verkäufen unter Heranziehung eines Einziehungskurses von 400 % des Nennwerts kommt nicht in Betracht.

Das FG hätte nicht dahinstehen lassen dürfen, ob die in der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1. beschlossenen Einziehungen zu einem Einziehungskurs von 400 % des Nennkapitals als Verkäufe unter fremden Dritten im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG angesehen werden könnten. Denn anders als das FG meint, findet der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG als Untergrenze auf einen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten abgeleiteten Wert keine Anwendung. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so erfolgt die Bewertung der Anteile nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG darf die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft nicht unterschritten werden. § 11 Abs. 2 BewG ist dahingehend auszulegen, dass eine Begrenzung mit dem Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG dann nicht erfolgt, wenn eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG möglich ist. Diese Auslegung ist aus teleologischen, systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen geboten und entspricht der weit überwiegenden Meinung in der Literatur sowie der Ansicht der Finanzverwaltung (R B 11.5 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019). Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich zunächst nicht eindeutig, ob der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG als Untergrenze auch auf eine Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BewG Anwendung findet. Auch aus der Gesetzesbegründung lässt sich keine eindeutige Aussage zum Verhältnis des Substanzwerts zur Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen entnehmen. Dass der Mindestwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG keine Anwendung bei der Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten findet, ergibt sich jedoch aus dem Zweck der Norm, den gemeinen Wert der Anteile an einer Kapitalgesellschaft zu ermitteln (teleologische Auslegung) und aus der inneren Systematik (systematische Auslegung). § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG enthält das Bewertungsziel des Gesetzgebers und entspricht § 9 Abs. 1 BewG sowie den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, nach denen die einzelnen Vermögensgegenstände wegen der zugrunde liegenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit einem Annäherungswert an den gemeinen Wert zu bewerten sind (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts BVerfG vom 07.11.2006 - 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, Leitsatz 2.a). Ist die Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen zwischen fremden Dritten möglich und damit das verfassungsrechtlich gebotene Bewertungsziel nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG erreicht, ist kein Grund ersichtlich den durch Ableitung aus zeitnahen Verkäufen gefundenen gemeinen Wert durch einen anderen, namentlich höheren Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG zu ersetzen.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Dies führt jedoch nicht zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das FG, da sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO). Ein Ansatz der Anteile an der Klägerin zu 1. mit einem Einziehungskurs in Höhe von 400 % des Nennkapitals als Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG kommt nicht in Betracht, so dass nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG der Substanzwert als Mindestwert anzusetzen ist. Maßgebend für die Ableitung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BewG ist der Preis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) tatsächlich erzielt wurde. Gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 - II R 7/18, BFHE 271, 190, BStBl II 2021, 665). Ob die Parteien einen Preis vereinbart haben, der demjenigen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht, ist nach ständiger Rechtsprechung nach den Gesamtumständen des Einzelfalles unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe zu entscheiden, zu denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehören. Bei der Ableitung des gemeinen Werts sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BewG). Zur Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten können solche Verkäufe nicht herangezogen werden, bei denen regelmäßig derselbe Preis (insbesondere der Nominalwert) zugrunde gelegt wird. Ein solcher Ansatz zeigt, dass die Beteiligten den Preis gerade nicht unter den Bedingungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe, zu denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehören, gebildet haben. Nach diesen Grundsätzen kommt eine Ableitung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin zu 1. aus dem Einziehungskurs in Höhe von 400 % des Nennkapitals nicht in Betracht. Der Einziehungskurs wurde nicht für jeden Einzelfall einzeln ausgehandelt, sondern über Jahre hinweg aufgrund der unveränderten Ausschüttungspraxis der Klägerin zu 1. gleichbleibend angesetzt, ohne die veränderten Vermögensverhältnisse der Gesellschaft und ihrer Beteiligungsgesellschaften zu berücksichtigen.

Ist eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, nicht möglich, so ist nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln. Ob der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG eine andere im Geschäftsverkehr anerkannte Methode im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ist, kann dahinstehen. Jedenfalls darf ein nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ermittelter Wert den Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht unterschreiten. Ein nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ermittelter Wert könnte daher nur gleich hoch oder höher sein als der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG.

Betroffene Normen

§§ 9, 11 BewG, Art. 3 Abs 1 GG

Anmerkungen

Der BFH macht in der vorliegenden Entscheidung deutlich, welche Anforderungen an einen Preis für GmbH-Geschäftsanteile zu stellen sind, damit dieser als im Rahmen einer Veräußerung unter fremden Dritten vereinbart anzusehen ist. Der BFH betont, wie wichtig das Element des Aushandelns des Preises mit Blick auf jede einzelne Veräußerung ist. Vor diesem Hintergrund entspricht der immer gleichbleibende Einziehungskurs von 400% des Nennwerts des Geschäftsanteils nicht den Anforderungen an einen Preis, der zwischen fremden Dritten ausgehandelt worden ist.

Aufgrund der Entscheidung des BFH sollten Klauseln in Gesellschaftsverträgen, die im Fall von Übertragungen der Gesellschaftsanteile bestimmte feste Preisvorgaben machen angepasst werden. Ferner sollte bei mehreren Veräußerungen hintereinander darauf geachtet werden, dass die Aushandlung des Preises dokumentiert ist. Ein Indiz hierfür ist, wenn die Preise jeweils voneinander abweichen und sich an den Ertragsaussichten und am Gesamtvermögen der Gesellschaft orientieren. Es muss in jedem Fall unmissverständlich deutlich werden, dass Veräußerer und Erwerber den Preis frei aushandeln können. Andernfalls kommt es im Rahmen einer Bewertung für Erbschafts- und Schenkungsteuerzwecke zu einem Rückgriff auf den Substanzwert als Mindestwert.

Vorinstanz

FG Münster, Urteil v. 15. April 2021, Az: 3 K 3724/19 F, DStRE 2022, 279

Fundstelle

BFH, Urteil vom 25. September 2024, II R 15/21

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