Zurück zur Übersicht
22.05.2025
Erbschaftsteuer

FG Münster: Kein begünstigtes Wohnungsunternehmen trotz erheblicher Zusatzleistungen

Das FG Münster geht in seinem Urteil der Frage nach, ob der Betrieb eines Wohnungsunternehmens, das weniger als 300 Wohnungen vermietet, aber neben der Vermietung gewisse Zusatzleistungen erbringt, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert mit der Folge, dass kein schädliches Verwaltungsvermögen vorliegt (§13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG).

​Finanzgericht Münster, Urteil vom 10.10.2024, 3 K 751/22 F, BFH-anhängig: II R 39/24​

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt im Rahmen einer Bedarfsbewertung für Zwecke der Schenkungsteuer zutreffend Verwaltungsvermögen angesetzt hat oder ob insofern ein begünstigtes Wohnungsunternehmen i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG vorliegt.

An der H GmbH & Co. KG, waren Herr G und Frau W als Kommanditisten beteiligt. Die einzige persönlich haftende Gesellschafterin der KG, ohne Kapitalanteil, war die G GmbH. Die H GmbH & Co. KG hält umfangreichen Grundbesitz im Gesamthandsvermögen, den sie an Dritte zu Wohnzwecken vermietet. Zudem erbringt sie zahlreiche Dienstleistungen im Zusammenhang mit ihrer Vermietungstätigkeit.

Für ertragsteuerliche Zwecke behandelte das Finanzamt die Einkünfte der H GmbH & Co. KG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Frau W schenkte dem Kläger 2017 einen Teil ihres Kommanditanteils an der H GmbH & Co. KG.

Das Finanzamt stellte daraufhin für Zwecke der Schenkungsteuer fest, dass der vermietete Grundbesitz insgesamt dem Verwaltungsvermögen zuzurechnen sei (§ 13 b Abs. 4 Nr. 1 S. 1 ErbStG).

Gegen den entsprechenden Feststellungsbescheid erhob der Kläger Einspruch mit der Begründung, die H GmbH & Co. KG sei anhand der ertragsteuerlich maßgebenden Abgrenzungskriterien als gewerblich tätige Wohnungsvermietungsgesellschaft zu qualifizieren. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die von der H GmbH & Co. KG neben der Vermietung erbrachten Leistungen stellten keine Sonderleistungen dar, die zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führen würden. Die H GmbH & Co. KG habe im Schenkungszeitpunkt weniger als 300 Wohnungen verwaltet bzw. vermietet. Damit sei die in R E13b.17 Abs. 3 S. 2 ErbStR genannte Grenze von 300 Wohnungen unterschritten.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Die Rechtsauffassung des Finanzamts führe im Ergebnis dazu, dass nur Hotels oder Unternehmen mit mehr als 300 Wohnungen schenkungsteuerlich begünstigt werden könnten. Das widerspreche dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil es kleine Gewerbebetriebe benachteilige.

Entscheidung

Das FG Münster stellt in seiner Entscheidung fest, dass der Feststellungsbescheid des Finanzamtes inhaltlich nicht zu beanstanden ist.

Das Finanzamt habe den von der H GmbH & Co. KG vermieteten Grundbesitz zutreffend nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 S.1 ErbStG grundsätzlich als Verwaltungsvermögen eingeordnet.

Eine Nutzungsüberlassung an Dritte ist nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG u.a. dann nicht anzunehmen, wenn die überlassenen Grundstücke und Grundstücksteile zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordert. Diese Rückausnahme ist, wie die anderen Rückausnahmen in § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. a–f ErbStG, eng auszulegen. Die Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG ist hier nicht schon deshalb verwirklicht, weil die H GmbH & Co. KG die Vermietungstätigkeit wegen der optional angebotenen Zusatzleistungen im Rahmen eines ertragsteuerlich originär gewerblich tätigen Betriebs ausübt. Maßgeblich für Zwecke des § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG ist allein die Vermietungstätigkeit als solche.

Wenn die Nutzungsüberlassung von Grundstücken bzw. Grundstücksteilen an Dritte zusammen mit einem Bündel an zusätzlich zur Überlassung der Wohnimmobilien angebotenen, optionalen gewerblichen Leistungen erfolgt, führt dieser Umstand für sich betrachtet nicht dazu, dass die Merkmale der Rückausnahme i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG erfüllt sind. Der Gesetzgeber hat im Wortlaut des § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 1 und S. 2 Buchst. d ErbStG nicht auf die Gewerblichkeit der gesamten Tätigkeit des die Wohnimmobilie Überlassenden, sondern darauf abgestellt, ob der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. d. § 14 AO erfordert. Maßgeblich ist deshalb die Art und Weise der Vermietungstätigkeit als solcher.

Aus der gesetzlichen Definition des § 14 AO ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. d. R. durch die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG begründet wird. Eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG, die keine originär gewerbliche Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt, sondern lediglich vermögensverwaltend tätig ist, unterhält keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. d. § 14 S. 1 AO, auch wenn sie ertragsteuerrechtlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.

Für die i. R. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG vorzunehmende Prüfung kommt es darauf an, ob die Vermietung der Wohnungen als solche einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert. Dafür sind die ertragsteuerrechtlich maßgebenden Abgrenzungskriterien zur Einstufung einer Vermietungstätigkeit als private Vermögensverwaltung oder als gewerbliche Tätigkeit heranzuziehen. Ist die Wohnungsvermietung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als private Vermögensverwaltung einzustufen, liegt kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor. Es genügt nicht, dass sich die Wohnungen im Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen Gesellschaft befinden. Die Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung ist im Regelfall private Vermögensverwaltung und kein Gewerbebetrieb. Dies gilt auch, wenn es sich um einen großen Wohnungsbestand handelt, dessen Vermietung einen erheblichen Einsatz von Arbeitskraft mit sich bringt. Erst wenn die bloße Vermögensnutzung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse hinter der Bereitstellung einer einheitlichen gewerblichen Organisation bzw. einer gewerblichen Betätigung zurücktritt, ist eine gewerbliche Vermietungstätigkeit anzunehmen. Die Grundstücksvermietung hat dann einen gewerblichen Charakter, wenn besondere Umstände gegeben sind. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn bei der Vermietung eine Tätigkeit entfaltet wird, die über das normale Maß einer Vermietertätigkeit hinausgeht.

Von einer gewerblichen Vermietungstätigkeit ist auszugehen, wenn der Vermieter bestimmte ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen, wie z.B. die Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen oder der Bewachung des Gebäudes, erbringt oder wegen eines besonders schnellen, sich aus der Natur der Vermietung ergebenden Wechsels der Mieter oder Benutzer der Räume eine Unternehmensorganisation erforderlich ist. Auf die Zahl der vermieteten Wohnungen kommt es nicht.

Anwendung auf den Streitfall

Die von den Mietern im Rahmen der Mietverträge erhaltenen Leistungen sind im Wesentlichen diejenigen, die bei jedem Mietverhältnis erbracht werden. Primär geht es um die Überlassung von (teils möblierten) Räumlichkeiten zur nicht nur kurzfristigen Wohnnutzung. Die von der H GmbH & Co. KG ohne gesonderte Vergütung im Rahmen der Mietverträge erbrachten Überwachungstätigkeiten an sozialen Brennpunkten betrifft nur eine kleine Zahl der Mietobjekte und prägt die Vermietungstätigkeit der KG als solche nicht. Auch der wegen der besonderen Mieterstruktur erforderliche Aufwand von Seiten des Vermieters führt nicht dazu, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine einheitliche gewerbliche Organisation bzw. eine gewerbliche Betätigung die Vermögensnutzung zurücktreten lassen würde. 

Das Gesamtbild eines Gewerbebetriebs, hinter dem die bloße Vermögensnutzung zurücktreten würde, entsteht auch nicht dadurch, dass die Vermietungstätigkeit im Streitfall mit den originär gewerblichen und gesondert vergüteten Tätigkeitsbereichen der H GmbH & Co. KG wie Stromhandel, Mediendienstleistungen, Überwachungs- sowie Reinigungs-, Hausmeister- und Handwerkerleistungen in einem engen Zusammenhang steht und sich das konkrete Geschäftsmodell erst aus dem Zusammenwirken aller Bereiche ergibt. Denn die Nutzungsüberlassung der Wohnungen bietet den wesentlichen Geschäftskern. Die anderen Tätigkeitsfelder knüpfen daran an, stehen aber nicht im Vordergrund, sondern haben eine dienende Funktion.

Zulassung der Revision

Das FG Münster lässt die Revision zu. Allerdings dürfte nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung die Rückausnahmevorschrift des § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG auch bei großen Wohnungsunternehmen, die ertragsteuerlich als gewerblich eingestuft werden, in der Praxis nur höchst selten zur Anwendung kommen.

Betroffene Normen

​§ 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG, § 14 AO 

Anmerkungen

Das Urteil des FG Münster macht wieder einmal deutlich, dass an die Qualifikation als erbschaft- und schenkungsteuerlich begünstigtes Wohnungsunternehmen strenge Anforderung gestellt werden. Erbringt ein Vermieter neben der bloßen Vermietung von zahlreichen Wohnungen weitere Zusatzleistungen, so führen diese Zusatzleistungen nicht zwangsläufig dazu, dass die vermieteten Wohnungen nicht als schädliches Verwaltungsvermögen einzuordnen wären. Das Urteil des FG Münster macht insofern deutlich, dass es sich um erhebliche Sonderleistungen handeln muss, die von den Zusatzleistungen, die man von einem Vermieter derartiger Wohnungen grundsätzlich erwarten kann, abweichen.

Zugleich verdeutlicht das Urteil des FG Münster, dass die seitens der Finanzverwaltung geforderte Anzahl von mehr als 300 Wohnungen – zumindest aus Sicht der Rechtsprechung – nicht das allein entscheidende Kriterium ist. Aus Sicht der Rechtsprechung kann es daher durchaus möglich sein, auch mit einer geringeren Anzahl von Wohnungen als begünstigtes Wohnungsunternehmen i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG eingeordnet zu werden. Dies gilt jedoch nur, sofern ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. d. § 14 AO angenommen werden kann.

Interessant wird sein, wie der Bundesfinanzhof sich in diesem Fall positioniert. Das FG Münster hatte die Revision zugelassen, und die Revision ist unter dem Aktenzeichen II R 39/24 anhängig.

Fundstelle

​Finanzgericht Münster, Urteil vom 10.10.2024, 3 K 751/22 F, BFH-anhängig: II R 39/24​

Ihre Ansprechpartner

Markus Schmitz
Partner

mschmitz@deloitte.de
Tel.: +4989290368408

Britta Hoewer-Zillig
Manager

bhoewer@deloitte.de
Tel.: +4989290368644

Ihre Ansprechpartner

Markus Schmitz
Partner

mschmitz@deloitte.de
Tel.: +4989290368408

Britta Hoewer-Zillig
Manager

bhoewer@deloitte.de
Tel.: +4989290368644

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.