BFH: Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft
Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG (a.F.) gilt, weil an ihr mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. Eine zuvor bereits bestehende Beteiligung des neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist unerheblich.
BFH, Urteil vom 31.07.2024, II R 28/21
Sachverhalt
An einer grundbesitzenden KG (Klägerin) war als Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung u.a. T beteiligt. Als Kommanditisten hielten R 10 % und die R-GmbH 90 % der Anteile an der KG. Alleingesellschafter der R-GmbH war R, welcher diese Anteile treuhänderisch für die in der Schweiz ansässige L-AG hielt. Im Jahr 2016 übertrug R 100 % seiner Anteile an der R-GmbH auf T. Weiterhin übertrug R seine 10 %-ige Beteiligung als Kommanditistin an der KG auf die M-Verwaltungs-GmbH. Für die KG als Treugeberin hielt die A-AG als Treuhänderin eine 100%-ige Beteiligung an der B-GmbH, welcher über die C-GmbH 100 % Anteile an der jeweils grundbesitzenden E-GmbH und F-GmbH nachgeordnet war.
Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer fest, da es der Auffassung war, dass die Änderung im Gesellschafterbestand der KG aufgrund des Übergangs der 100 %-igen Beteiligung an der R-GmbH von R auf T nebst Austausch der Treuhänder hinsichtlich der Beteiligung an der grundbesitzenden KG nach § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2015 der Grunderwerbsteuer unterlag.
Nach dem FG war keine Grunderwerbsteuer festzusetzen, da T nicht als „neuer Gesellschafter“ i.S.d. § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG anzusehen ist, da er seit mehr als fünf Jahren an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gewesen ist.
Entscheidung
Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zum Ergebnis, dass die Übertragung aller Anteile der R-GmbH von R auf T zusammen mit der zeitgleichen Übertragung der 10% Anteile an der KG von R auf die M-Verwaltungs-GmbH zu einer vollständigen Änderung des Gesellschafterbestands der KG im Sinne des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG (a.F.) führt. Nach dem BFH gilt die R-GmbH nach § 1 Abs. 2a S. 1 und 4 GrEStG (a.F.) in vollem Umfang als neue Gesellschafterin der KG, da T nicht als Altgesellschafter anzusehen ist.
Gesetzliche Grundlagen
Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (vgl. § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG (a.F.)).
Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gelten die Sätze 4 und 5 (vgl. § 1 Abs. 2a S. 3 GrEStG). Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (vgl. § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG a.F.). Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend (vgl. § 1 Abs. 2a S. 5 GrEStG).
Neugesellschafter in Bezug auf die Kapitalgesellschaft
Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG gilt, ist nach dem BFH nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. „Neue Gesellschafter“ seien danach solche Personen, die zuvor nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren. Eine zuvor schon bestehende Beteiligung eines neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft sei nicht ausschlaggebend. Selbst wenn der neu an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter vor seinem Anteilserwerb bereits Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft war, werde er für die Anwendung des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG nicht zum Altgesellschafter der Kapitalgesellschaft. Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sind nach dem BFH nur in Bezug auf die Kapitalgesellschaft, an der sie beteiligt sind, Alt- oder Neugesellschafter, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft (gleiche Auffassung die Finanzverwaltung in Tz. 5.2.3.2 der Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018).
„Ebenenkonzept“ bei beteiligten Kapitalgesellschaften
Der BFH hebt hervor, dass nach der Entstehungsgeschichte und der Systematik des § 1 Abs. 2a S. 1 bis 4 GrEStG die Formulierung „neue Gesellschafter“ im Sinne des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG sich nur auf die beteiligte Kapitalgesellschaft bezieht. Für die unmittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft habe der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG eine Fiktion geschaffen und dabei auf eine horizontale Ebenenbetrachtung abgestellt. Sind mindestens 95 % der Anteile an der an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen, gilt diese Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin. Es gelte ein horizontales "Alles- oder Nichts-Prinzip". Ein vertikales Hindurchrechnen der Beteiligungen wie bei Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a S. 2 GrEStG) sei nicht vorgesehen.
Dieses durch den Gesetzgeber festgelegte "Ebenenkonzept" bei beteiligten Kapitalgesellschaften gilt nach dem BFH auch für die Frage, ob Anteile der Kapitalgesellschaft auf "neue Gesellschafter" übergegangen sind. In Bezug auf die an der Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft ist damit auch der zuvor unmittelbar an der Personengesellschaft beteiligte Gesellschafter ein "neuer Gesellschafter", wenn er nicht mehr als fünf Jahre vor dem Übergang der Anteile an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Für die Fiktion des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG sei lediglich seine (neue) Beteiligung an der unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft ausschlaggebend.
Zurückverweisung an das FG
Der BFH kann nicht abschließend entscheiden, da er aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen kann, ob (am 31.12.2016) der Grundbesitz der E-GmbH und der F-GmbH der KG nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG gehörte. Das FG habe im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Grundstücke der E-GmbH und der F-GmbH der KG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind.
Betroffene Norm
§ 1 Abs. 2a GrEStG (a.F.)
Streitjahr 2016
Anmerkungen
Gesetzesänderung
Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021 (BGBl. I 2021, S. 983, siehe Deloitte Tax-News) wurde die relevante Beteiligungsquote für die sog. Ergänzungstatbestände (u.a. § 1 Abs. 2a GrEStG) ab 01.07.2021 von 95% auf 90% gesenkt. Des Weiteren wurde der maßgebliche Betrachtungszeitraum von 5 auf 10 Jahre verlängert.
Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 10.03.2021, 7 K 101/18, EFG 2022, S. 257
Fundstelle
BFH, Urteil vom 31.07.2024, II R 28/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 17.06.2020, II R 18/17, BStBl. II 2021, S. 318
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 (u.a. zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG), siehe Deloitte Tax-News