BFH: Grunderwerbsteuerliche Konzernklausel auch bei Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft
Auch die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Kapitalgesellschaft kann nach der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel (§ 6a GrEStG) steuerbegünstigt sein. Lediglich die Nachbehaltensfrist muss insoweit eingehalten werden, als der nach Erlöschen des Einzelunternehmens als Alleingesellschafter an der Kapitalgesellschaft beteiligte (frühere) Einzelkaufmann diese Beteiligung in Höhe von mindestens 95% über weitere fünf Jahre halten muss.
BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 2/22
Sachverhalt

Frau Y war Eigentümerin eines inländischen Grundstücks, welches sich im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens von Y befand. Das Einzelunternehmen übertrug sein Vermögen als Ganzes im Wege der Ausgliederung auf die mit Gesellschaftsvertrag vom selben Tag neu gegründete GmbH (Klägerin). Frau Y ist alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der GmbH.
Das Finanzamt setzte gegenüber der GmbH Grunderwerbsteuer fest. Nach dem FG unterlag zwar der durch die Verschmelzung bewirkte Übergang des Eigentums an dem Grundstück von Y auf die GmbH nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Allerdings seien auch die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG erfüllt.
Entscheidung
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG bei der Ausgliederung des Einzelunternehmens der Y auf die zu diesem Zweck neu gegründete GmbH erfüllt sind.
(Gesetzliche) Grundlagen
Nach § 6a S. 1 Hs. 1 GrEStG wird die Steuer für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, Abs. 2, Abs. 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG nicht erhoben. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG betrifft die Verschmelzung, § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung und § 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwG die Vermögensübertragung.
Die Nichterhebung der Steuer setzt weiter voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (vgl. § 6a S. 3 GrEStG). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95% ununterbrochen beteiligt ist (vgl. § 6a S. 4 GrEStG).
Grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG
Nach dem BFH unterliegt der durch die Ausgliederung bewirkte Übergang des Eigentums an dem Grundstück auf die GmbH nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG
Der BFH sieht die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG als erfüllt an.
Nach dem Wortlaut des § 6a S. 1 GrEStG seien alle Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG erfasst, folglich auch die Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 152 UmwG.
Zum sog. herrschenden Unternehmen
Der BFH beruft sich auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19 (II R 50/13) und bestätigt, dass auch Umwandlungsvorgänge zwischen einem Alleingesellschafter und der von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft von § 6a GrEStG erfasst sind. § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG sehe ausdrücklich vor, dass eine Kapitalgesellschaft auf ihren Alleingesellschafter verschmolzen werden kann und dieser das Vermögen der Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolger übernimmt. Der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft könne herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG sein. Dasselbe gilt nach dem BFH auch für den umgekehrten Fall der Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG.
Zur Vor- und Nachbehaltensfrist
In Bezug auf die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a GrEStG, insbesondere im Hinblick auf den Bestand des dort bestimmten Abhängigkeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor und nach dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltens- und Nachbehaltensfrist), führt der BFH wiederum unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung aus, dass die Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss in Fällen der Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden.
Im Falle einer Ausgliederung eines Unternehmens eines Einzelkaufmanns auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Kapitalgesellschaft bewirkt die Eintragung der Ausgliederung im Handelsregister das Erlöschen der von dem Einzelkaufmann geführten Firma (vgl. § 155 S. 1 UmwG). Umwandlungsbedingt könne daher die Einzelfirma nicht mehr weiter an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, wohl aber der (frühere) Einzelkaufmann als Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft. Lässt der Gesetzgeber einerseits die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine Kapitalgesellschaft zu und schränkt andererseits den Anwendungsbereich des § 6a S. 1 GrEStG diesbezüglich nicht näher ein, sei § 6a S. 4 GrEStG dahingehend auszulegen, dass eine Nachbehaltensfrist umwandlungsbedingt insoweit eingehalten werden muss, als der nach Erlöschen des Einzelunternehmens als Alleingesellschafter an der Kapitalgesellschaft beteiligte (frühere) Einzelkaufmann diese Beteiligung in Höhe von mindestens 95% über weitere fünf Jahre halten muss.
Systematik und Gesetzeszweck
Der BFH weist daraufhin, dass eine solche Auslegung des § 6a GrEStG ihren Anknüpfungspunkt in der Systematik der Vorschrift findet. § 6a S. 1 GrEStG differenziere nicht danach, in welcher Richtung, horizontal auf eine Schwestergesellschaft oder vertikal auf die Muttergesellschaft, eine Gesellschaft verschmolzen wird, sondern begünstigt alle dort genannten Umwandlungsvorgänge gleichermaßen, auch wenn nur ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft an dem Umwandlungsvorgang beteiligt sind. Hätte der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG nur auf solche Umwandlungsvorgänge beschränkt sein sollen, bei denen bereits ein Verbund aus mehreren Unternehmen besteht und nach dem Umwandlungsvorgang auch weiter besteht, hätte dies in § 6a S. 1 GrEStG seinen Niederschlag finden müssen (vgl. auch BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 16/19 (II R 36/14)).
Nach dem BFH entspricht diese Auslegung auch dem Zweck des § 6a GrEStG, nämlich Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen zu erleichtern. Dies schließe – entgegen der Auffassung des BMF – auch solche Umwandlungsvorgänge ein, durch die ein Konzern beendet oder neu begründet wird.
Betroffene Normen
§§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 6a GrEStG
Streitjahr 2019
Anmerkungen
Einordnung des o.g. Urteils in die bisherige Rechtsprechung
Der BFH bestätigt mit dem o.g. Urteil seine bisherige Rechtsprechung zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19 (II R 50/13)) und führt dies fort. Mit Urteil vom 21.08.2019 (II R 15/19 (II R 50/13)) hatte der BFH bereits entschieden, dass die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel des § 6a GrEStG bei einer Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf ihren Alleingesellschafter zur Anwendung kommt. Dasselbe gilt nun – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Gleichlautende Ländererlasse vom 25.05.2023, Rz. 2.1, siehe Deloitte Tax-News) - auch für den umgekehrten Fall der Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft.
Vorinstanz
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 30.06.2021, 2 K 121/21
Fundstelle
BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 2/22
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, S. 329, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 16/19 (II R 36/14), BStBl. II 2020, S. 333, siehe Deloitte Tax-News
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleichlautende Ländererlasse vom 25.05.2023, BStBl. I 2023, S. 995, siehe Deloitte Tax-News
