BFH: Grunderwerbsteuerliche Konzernklausel bei Anteilsübertragungen im Ausland
Die sog. Verlängerung der Beteiligungskette, bei der der übertragende Alleingesellschafter zugleich Alleingesellschafter der erwerbenden Gesellschaft ist, unterliegt auch bei ausländischen Gesellschaften nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer, wenn der Gesellschaft, deren Anteile übertragen werden, ein inländisches Grundstück gehört. Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel findet im Streitfall keine Anwendung, da es sich bei der Anteilsübertragung nicht um eine entsprechende Umwandlung im Sinne des § 6a S. 2 i.V.m. S. 1 GrEStG a.F. handelt.
BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 36/21
Sachverhalt

Eine in Irland ansässige Muttergesellschaft (A) war seit mehr als fünf Jahren über eine ebenfalls in Irland ansässige Tochtergesellschaft (B) mittelbar an weiteren Gesellschaften beteiligt, die über inländischen Grundbesitz verfügten. Im Streitjahr 2010 wurde die Klägerin nach dem Recht der Britischen Jungferninseln gegründet. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war die A. Kurz darauf übertrug A alle Anteile an der B gegen eine (symbolische) Gegenleistung auf die Klägerin.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG vorliegt und die Voraussetzungen des § 6a GrEStG nicht erfüllt sind. Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts.
Entscheidung
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Übertragung der Anteile an der B auf die Klägerin der Grunderwerbsteuer unterliegt und die Steuerbefreiung nach der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel (§ 6a GrEStG) nicht zur Anwendung kommt.
(Gesetzliche) Grundlagen
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile einer Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG gilt Entsprechendes bei der Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist.
Nach § 6a S. 1 Halbsatz 1 GrEStG a.F. wird die Steuer für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG nicht erhoben. Nach § 6a S. 2 GrEStG gilt S. 1 auch für entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaats der EU oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Anwendung findet.
Grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG
Nach der Ansicht des BFH stellt die Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden B auf die Klägerin einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei es unerheblich, dass A auch alleinige Anteilseignerin der Klägerin gewesen sei. Entscheidend sei, dass die Anteile an der B und damit die (mittelbar) in deren Vermögen befindlichen Grundstücke mit der Anteilsübertragung dem Vermögen der Klägerin (erstmalig) zugeordnet wurden.
Nach dem BFH verstößt § 1 Abs. 3 GrEStG auch nicht gegen die Kapitalansammlungsrichtlinie. Aus dem Wortlaut dieser Richtlinie ergebe sich eindeutig, dass sie auf grunderwerbsteuerbare Rechtsvorgänge keine Anwendung finde.
Keine Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG
Weiterhin hält der BFH fest, dass zudem kein begünstigungsfähiger Vorgang nach § 6a GrEStG vorliegt. Das FG habe im Streitfall unter Anwendung des maßgeblichen ausländischen Rechts festgestellt, dass es sich bei dem die Grunderwerbsteuer auslösenden Vorgang nicht um eine "entsprechende Umwandlung" im Sinne des § 6a S. 2 GrEStG handelt. Denn die Anteilsübertragung sei nach den maßgeblichen Vorschriften im Wege der Einzelrechtsnachfolge durch rechtsgeschäftliche Übertragung erfolgt. A habe der Klägerin die Anteile an der B für eine symbolische Gegenleistung übertragen. Dieser Vorgang trage keine Merkmale einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin kurz vor der Übertragung gegründet worden sei und man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass bereits bei deren Gründung beabsichtigt gewesen sei, die Anteile an der B auf die Klägerin zu übertragen. Daraus entwickele sich kein Rechtsvorgang, der mit einer Ausgliederung zur Neugründung nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG vergleichbar sei.
Kein Verstoß gegen die Niederlassungs- oder Kapitalfreiheit
Der BFH weist daraufhin, dass sich die Klägerin nicht auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) berufen kann, da es sich bei ihr um eine Drittstaatengesellschaft handelt. Die Niederlassungsfreiheit entfalte auch nicht deswegen Wirkung für die Klägerin, weil sie zusammen mit der in Irland ansässigen Gesellschaft die Grunderwerbsteuer als Gesamtschuldnerin schuldet.
Nach dem BFH wird auch die Kapitalverkehrsfreiheit nicht verletzt. Da die Kapitalverkehrsfreiheit lediglich eine Benachteiligung der ausländischen Gesellschaften und ihrer Anteilseigner verbietet, aber eine Besserstellung gegenüber reinen Inlandssachverhalten nicht erfordere, seien nur solche (ausländischen) Vorgänge erfasst, die einem Umwandlungsvorgang im Sinne von § 6a GrEStG entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2021, VIII R 9/19).
Kein Verstoß gegen das Beihilfeverbot
Der BFH bestätigt weiter, dass § 6a GrEStG auch keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Die Vorschrift wirke zwar selektiv, indem sie bestimmte Gesellschaften im Hinblick auf die bei einem Rechtsträgerwechsel anfallende Grunderwerbsteuer begünstige, doch sei dies durch die Natur und den Aufbau des Systems der Grunderwerbsteuer gerechtfertigt (vgl. EuGH-Urteil vom 19.12.2018, C-374/17; BFH-Urteil vom 22.08.2019, II R 18/19 (II R 62/14)).
Betroffene Normen
§§ 1 Abs. 3, 6a GrEStG
Streitjahr 2010
Anmerkungen
Neue Rechtslage
Mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013 (BGBl. I 2013, S. 1809, siehe Deloitte Tax-News) wurde der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG um nach § 1 Abs. 3a steuerbare Rechtsvorgänge ergänzt, die Einbeziehung von nach § 1 Abs. 2 steuerbaren Rechtsvorgängen neu gefasst und die Begünstigung auch auf „Einbringungen und anderen Vorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage“ erweitert. Diese Änderungen traten am 07.06.2013 in Kraft.
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, 23.09.2021, 8 K 1125/17 GrE, EFG 2021, S. 1926, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 36/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 01.07.2021, VIII R 9/19, BStBl. II 2022, S. 359, siehe Deloitte Tax-News
EuGH, Urteil vom 19.12.2018, C-374/17, EU:C:2018:1024, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 18/19 (II R 62/14), BStBl. II 2020, S. 352, siehe Deloitte Tax-News
