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14.07.2022
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Zurechnung von Grundstücken einer Untergesellschaft

Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO; maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist der Obergesellschaft nur dann zuzurechnen, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Der Erwerb eines Grundstücks durch die Untergesellschaft führt daher nicht automatisch zu einem grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerb durch die Obergesellschaft. Auch stellt das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar. 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG (Obergesellschaft), war als Gründungsgesellschafterin zunächst zu 99,97 % (nach Kapitalerhöhung zu 99,99 %) an der X-AG (Untergesellschaft) beteiligt. Die Untergesellschaft erwarb – nach der Kapitalerhöhung – Grundstücke. Im Anschluss erwarb die Obergesellschaft die restlichen 0,01 % der Aktien der Untergesellschaft und war dann zu 100 % beteiligt. Kommanditistin der Obergesellschaft war die A-KG, deren Kommanditist wiederum A war. A hielt darüber hinaus 100 % der Anteile an einer luxemburgischen Personengesellschaft (A-S.e.c.s.).

Im Jahr 2011 brachte A seine Beteiligung an der A-KG in die A-S.e.c.s. ein. Im Jahr 2013 verkaufte die Obergesellschaft 5,1% der Anteile an der Untergesellschaft an eine luxemburgische Kapitalgesellschaft (B-S.a.r.l.), deren alleinige Gesellschafterin die A-S.e.c.s. war, und wechselte ihre Rechtsform in eine KGaA.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Grundstücke der Untergesellschaft der Obergesellschaft zuzurechnen seien und sah in der Einbringung der Beteiligung an der Obergesellschaft in die A-S.e.c.s. im Jahr 2011 einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG a.F., der jedoch nach § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG a.F. steuerbefreit sei. Den Verkauf der Anteile i.H. von 5,1% an der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft im Jahr 2013 und der im gleichen Jahr durchgeführte Wechsel der Rechtsform der Obergesellschaft qualifizierte das Finanzamt als schädliche Anteilsminderung i.S. des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG a.F. und versagte die Steuerfreistellung rückwirkend.

Das FG war dagegen der Auffassung, dass die Grundstücke der Untergesellschaft der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen seien und der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. nicht erfüllt sei.

Entscheidung

Der BFH kam ebenfalls zu dem Schluss, dass die Grundstücke der Untergesellschaft nicht der Obergesellschaft zuzurechnen seien und sieht in der Einbringung der Beteiligung an der Obergesellschaft keine Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F.

Gesetzliche Grundlage

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95% (nach derzeitiger Rechtslage 90 %) der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a GrEStG a.F.).

Grunderwerbsteuerliche Zuordnung

Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich nach dem BFH weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO; maßgebend sei vielmehr die grunderwerbsteuerliche Zurechnung. Danach „gehört“ ein inländisches Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG a.F. fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2014, II R 26/12).

Ein Grundstück „gehört“ nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war (vgl. BFH-Urteile vom 15.12.2010, II R 45/08 und vom 11.12.2014, II R 26/12).

Umgekehrt „gehört“ ein Grundstück (noch) nicht der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile am Gesellschaftsvermögen nicht aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Mehrstöckige Beteiligungen

Nach dem BFH gelten diese Grundsätze auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ein Grundstück der Untergesellschaft ist der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat.

Der Erwerb eines Grundstückes durch die Untergesellschaft sowie eine Beteiligung an der Untergesellschaft begründet keine Zurechnung

Diese Sichtweise sei nach dem BFH auch durch den Regelungszweck des § 1 Abs. 2a GrEStG gedeckt. Aus § 1 Abs. 2a GrEStG wie auch aus § 1 Abs. 2b bis 3a GrEStG folgt, dass Grundstücke einer Gesellschaft dem Gesellschafter nicht automatisch, sondern nur dann zuzurechnen sind, wenn die jeweiligen Erwerbstatbestände aufgrund von Vorgängen des Rechtsverkehrs erfüllt sind.

Daraus folgt, dass der bloße Erwerb eines Grundstücks durch die Untergesellschaft nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. bei mehrstöckigen Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften führt.

Keine Zurechnung durch einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG

Nach Auffassung des BFH kann der Obergesellschaft auch nicht allein wegen der Beteiligung an einer Untergesellschaft deren Grundstück nach § 1 Abs. 2 GrEStG zugerechnet werden. Anders als z.B. einem Treugeber, der aufgrund der Treuhandabrede bei einem Grundstückserwerb durch den Treuhänder zugleich den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht, stehe einem Gesellschafter die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück der Gesellschaft nicht zu. Die Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene reiche für eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht aus.

Keine Besteuerungslücke

Da die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG jeweils auch den mittelbaren Übergang von Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften erfassen, besteht keine Notwendigkeit, einer Obergesellschaft allein aufgrund ihrer Beteiligung an einer Untergesellschaft deren Grundstücke zuzurechnen. Der BFH sieht daher keine Gefahr einer Besteuerungslücke.

Anwendung auf den Streitfall

Nach dem BFH ist § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. im Streitfall nicht erfüllt, weil im Zeitpunkt der wirksamen Übertragung der Anteile, der Obergesellschaft im Jahr 2011 kein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. „gehörte“. Die Grundstücke, die die Untergesellschaft erworben hatte, waren der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen. Sie hatte in Bezug auf diese Grundstücke zuvor keinen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG a.F. verwirklicht. Die Mehrheitsbeteiligung an der Untergesellschaft allein führe nicht dazu, der Obergesellschaft die Grundstücke beim Erwerb durch die Untergesellschaft zuzurechnen.

Steuerbefreiung i.S. des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG

Mangels Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a GrEStG hat der BFH offengelassen, ob die späteren Umstrukturierungen zu einem rückwirkenden Wegfall der Begünstigung nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG a.F. hätten führen können.

Betroffene Normen

​§ 1 Abs. 2a GrEStG a.F., § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG a.F.

Streitjahr ​2011

Anmerkungen

Neue Rechtslage

Die Entscheidung betrifft § 1 GrEStG in der Fassung vor der Grunderwerbsteuer Reform vom 17.05.2021 (siehe Deloitte-Tax News). Offen ist, wie der BFH in einem vergleichbaren Fall nach der neuen Rechtslage entscheiden würde. Fraglich ist auch, ob eine Doppelbesteuerung resultieren kann, wenn § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG gleichzeitig verwirklicht werden. Nach den Ländererlassen vom 10.05.2022 zur Anwendung des § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG sind beide Vorschriften gleichrangig, es besteht also kein Vorrang (siehe Deloitte-Tax News).

FG Hessen, Urteil vom 30.09.2020, 5 K 2390/17

Das FG Hessen kam mit Urteil vom 30.09.2020 (5 K 2390/17, BFH-anhängig: II R 33/20) im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. zu dem Ergebnis, dass die grunderwerbsteuerliche Zurechnung eines Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft i. S. des § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. nicht immer eine eigene Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Erwerbstatbestandes der Gesellschaft, um deren Anteile es geht, voraussetzt. Nach dem FG ist einer Obergesellschaft auch die bestehenden grunderwerbsteuerlichen Zuordnungen der beherrschten Untergesellschaft als eigene im Sinne einer grunderwerbsteuerlichen „Vermögenszugehörigkeit“ zuzurechnen.

Vorinstanz

Finanzgericht München vom 24.10.2018, 4 K 1101/15, siehe Deloitte Tax-News​ (unter Anmerkungen)

Fundstelle

BFH, Urteil vom 01.12.2021, II R 44/18, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen.

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 11.12.2014, II R 26/12, BStBl. II 2015, S. 402.

BFH, Urteil vom 15.12.2010, II R 45/08, BStBl. II 2012, S. 292.

Finanzgericht Hessen, Urteil vom 30.09.2020, 5 K 2390/17, siehe Deloitte Tax-News

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