Zurück zur Übersicht
02.09.2021
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BMF: Verwaltungsgrundsätze zur Anwendung der Übergangsregelungen der neuen Grunderwerbsteuervorschriften

Die Finanzbehörden der Länder haben am 29.06.2021 gleichlautende Erlasse zu den Übergangsregelungen zum Gesetz zu Änderung des GrEStG verabschiedet (sog. Übergangserlasse). Inhaltlich geben diese in weiten Teilen die gesetzlichen Neuregelungen wieder. Es verbleiben daher einige Zweifelsfragen hinsichtlich der zeitlichen Anwendung der neuen Grunderwerbsteuerregelungen.

Hintergrund

Am 17.05.2021 wurde im Bundesgesetzblatt das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes veröffentlicht (siehe Deloitte Tax-News). Gegenstand des Gesetzes ist es, missbräuchliche Gestaltungen bei der Grunderwerbsteuer, insbesondere im Rahmen von Share Deals, einzudämmen. Zu diesem Zweck wurde, in Anlehnung an die bestehende Regelung in § 1 Abs. 2a GrEStG für Personengesellschaften, die Vorschrift § 1 Abs. 2b GrEStG für Kapitalgesellschaften eingeführt, wonach ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand verwirklich wird, wenn innerhalb von 10 Jahren mindestens 90% der Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Die maßgeblichen Beteiligungsquoten für die Entstehung der Grunderwerbsteuer wurden einheitlich von 95% auf 90% abgesenkt und der Beobachtungszeitraum von 5 auf 10 Jahre verlängert. Zusätzlich wurden die Vor- und Nachbehaltensfristen hinsichtlich der Begünstigungsvorschriften für Personengesellschaften auf 10 bzw. 15 Jahre verlängert. Daneben wird mit § 1 Abs. 2c GrEStG eine Begünstigungsvorschrift neu geschaffen, welche Anteilsübergänge an börsengelisteten Unternehmen bei EU/EWR- und bestimmten Drittstaatsbörsen (derzeit USA, Hong Kong und Australien) aus dem Anwendungsbereich der Grunderwerbsteuer ausnimmt.

Die Finanzbehörden der Länder haben dazu am 29.06.2021 gleichlautende Erlasse zu den Übergangsregelungen der neuen Grunderwerbsteuervorschriften erlassen (sog. Übergangserlasse), welche kürzlich veröffentlicht wurden.

Übergangserlasse

Im Folgenden werden die wesentlichen Punkte der Erlasse sowie noch offene Zweifelsfragen kurz dargestellt.

Allgemeine Übergangsregelungen

Grundsätzlich gilt, dass die neuen bzw. geänderten Regelungen des GrEStG erstmals auf Erwerbe anwendbar sind, welche nach Ablauf des 30.06.2021 verwirklicht werden.

Übergangsregelungen bei grundbesitzenden Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG)

Gesellschafter von grundbesitzenden Personengesellschaften, welche zum 01.07.2021 insbesondere bereits seit 5 Jahren beteiligt waren und damit nach altem Recht als sog. Altgesellschafter qualifizieren, behalten diesen Status auch für Zwecke des neuen Rechts. Dagegen qualifizieren Gesellschafter von grundbesitzenden Personengesellschaften, welche bis zum 01.07.2021 noch nicht seit 5 Jahren beteiligt waren und auch aus anderen Gründen keine Altgesellschafter zum 30.06.2021 waren, erst nach Ablauf der verlängerten Haltefrist von 10 Jahren als Altgesellschafter. Anteilsübergänge auf Altgesellschafter werden bei der Prüfung der 90%-Quote nicht berücksichtigt.

Auf Anteilseignerwechsel bei einer unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft vor dem 01.07.2021 ist rückwirkend die abgesenkte Beteiligungsgrenze von 90% maßgeblich. Somit sind Kapitalgesellschaften, welche unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind und deren Gesellschafterbestand sich vor dem 01.07.2021 innerhalb der 5-Jahresfrist zu mindestens 90% geändert hat, zum 01.07.2021 für Zwecke der Anwendung des neuen Rechts als Neugesellschafter zu qualifizieren.

Für Fälle, in denen sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft bis zum 30.06.2021 innerhalb von 5 Jahren um mindestens 90%, aber weniger als 95% geändert hat, gilt das bisherige Recht bis maximal zum 30.06.2026 weiter. Somit kann in diesen Fällen bis 30.06.2026 das Erreichen bzw. Überschreiten der 95%-Grenze innerhalb von 5 Jahren weiterhin Grunderwerbsteuer auslösen.

Übergangsregelungen bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG)

Die Übergangserlasse wiederholen hier den Wortlaut des Gesetzes. Demnach sind nur solche Anteilsübergänge zu berücksichtigen, die nach dem 30.06.2021 erfolgen. Alle mit Ablauf des 30.06.2021 Beteiligten gelten als Altgesellschafter. Die in den Übergangserlassen aufgeführten Beispiele behandeln jedoch lediglich Fälle der Übertragung einer unmittelbaren Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft.

Übergangsregelungen zur Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG)

In den Übergangserlassen wird klargestellt, dass die Börsenklausel auf alle offenen Fälle anzuwenden ist. Diese gilt damit auch für vor dem 01.07.2021 verwirklichte Fälle.

Übergangsregelungen bei Anteilsvereinigungen (§ 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 3a GrEStG)

Das neue Recht gilt für alle Erwerbe und die Begründung schuldrechtlicher Übertragungsansprüche ab dem 01.07.2021.

Sofern vor dem 01.07.2021 eine Beteiligung von mindestens 90%, aber weniger als 95% bestand, gilt die alte Rechtslage ohne zeitliche Begrenzung fort. Wird daher eine Beteiligung nach dem 30.06.2021 von bislang mindestens 90%, aber weniger als 95%, auf 95% oder mehr aufgestockt, löst dies Grunderwerbsteuer aus.

Übergangsregelungen zu Befreiungsvorschriften für Personengesellschaften (§§ 5, 6 und 7 GrEStG)

Die verlängerten Vor- und Nachbehaltensfristen sind nur dann nicht anzuwenden, wenn die Fristen nach den alten Regelungen bereits vor dem 01.07.2021 abgelaufen waren. Andernfalls gelten diese auch für vor dem 01.07.2021 verwirklichte Vorgänge.

Fazit

Die Übergangserlasse geben weitgehend den Wortlaut des Gesetzes wieder und beinhalten überwiegend Beispielsfälle, welche die Übertragung von unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften behandeln. Fragestellungen zu mittelbaren Beteiligungen werden kaum behandelt. Dementsprechend bleiben diverse in der steuerlichen Literatur diskutierte Fragen offen.

So ist beispielsweise keine Aussage zur Altgesellschafterstellung von mittelbar über Personengesellschaften an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften beteiligten Gesellschaftern enthalten. Weiterhin ist nicht gesichert, ob zum 01.07.2021 mittelbar über eine Kapitalgesellschaft Beteiligte nach Verwaltungsansicht zumindest in Bezug auf diese Kapitalgesellschaft als Altgesellschafter gelten.

Überdies haben die gleichlautenden Erlasse offengelassen, ob die bislang für grundbesitzende Personengesellschaften nach der Finanzverwaltung geltende Ausnahme für Verkürzungen von Beteiligungsketten auch für grundbesitzende Kapitalgesellschaften gelten soll. Nach dieser bisher für grundbesitzende Personengesellschaften vorgesehenen Ausnahme entsteht keine Grunderwerbsteuer, wenn sich lediglich die Kette der an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften verkürzt, solange der unmittelbare Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft unverändert bleibt. Aufgrund des nahezu identischen Wortlauts der neuen Regelung für grundbesitzende Kapitalgesellschaften und nach dem Sinn und Zweck sowie nach der Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes, wäre eine solche Ausnahme auch für grundbesitzende Kapitalgesellschaften unseres Erachtens angebracht.

Schließlich hat die Finanzverwaltung keine Stellung zu der praxisrelevanten Frage genommen, wie der Fall der Unterzeichnung eines Kaufvertrags hinsichtlich der Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft („Signing“) vor dem 01.07.2021 und einer anschließenden dinglichen Übertragung der verkauften Anteile („Closing“) nach dem 30.06.2021 aus Sicht der Finanzverwaltung zu behandeln ist.

Dementsprechend verbleibt eine erhebliche Unsicherheit bei der Anwendung der Übergangsregelungen. Es ist zwar zu erwarten, dass die Finanzverwaltung in einiger Zeit weitere Erlasse zu der Auslegung der Neuregelungen des Grunderwerbsteuergesetzes veröffentlichen wird. Inwiefern diese zu den offenen Fragestellungen, insbesondere bei der Übertragung von mittelbaren Beteiligungen, klärende Aussagen enthalten werden, bleibt jedoch abzuwarten.

Fundstelle

Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 29. Juni 2021

Ihre Ansprechpartner

Maria de Orofino
Director

mdeorofino@deloitte.de
Tel.: +49 89 290366927

Alexander Vincenc
Director

avincenc@deloitte.de
Tel.: +49 89 290368337

Margot Morgenweck
Senior Manager

mmorgenweck@deloitte.de
Tel.: +49 211 8772 2519

Ihre Ansprechpartner

Ellen Calvez
Senior Manager

ecalvez@deloitte.de
Tel.: +49 711 16554 7143

Ihre Ansprechpartner

Maria de Orofino
Director

mdeorofino@deloitte.de
Tel.: +49 89 290366927

Alexander Vincenc
Director

avincenc@deloitte.de
Tel.: +49 89 290368337

Margot Morgenweck
Senior Manager

mmorgenweck@deloitte.de
Tel.: +49 211 8772 2519

Ihre Ansprechpartner

Ellen Calvez
Senior Manager

ecalvez@deloitte.de
Tel.: +49 711 16554 7143

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.