Zurück zur Übersicht
26.04.2011
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BVerfG-Vorlage: Bemessung der Grunderwerbsteuer nach Grundbesitzwerten verfassungswidrig?

Mit Urteil vom 23.06.2015 hat das BVerfG entschieden, dass die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig sei.
BVerfG, Beschluss vom 23.06.2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, siehe Deloitte Tax-News
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
BVerfG-Vorlage
Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die weitere Anwendung der § 11 GrEStG i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG und §§ 138 ff. BewG für die GrESt verfassungswidrig ist, weil sie aufgrund des einheitlichen Steuersatzes der GrESt zu willkürlichen und zufälligen Besteuerungsergebnissen führen und daher mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sind. AdV wegen verfassungsrechtlicher Zweifel gegen die Bemessung der GrESt nach Grundbesitzwerten ist nicht zu gewähren.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revsionsklägerin (Klägerin), eine US-amerikanische Gesellschaft, hatte alle Anteile an einer deutschen GmbH erworben, zu deren Vermögen in Deutschland gelegene Grundstücke gehörten. Für diese Anteilsübertragung (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer (GrESt) auf der Grundlage der für die Grundstücke der GmbH festgestellten Grundbesitzwerte fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das BVerfG sind geboten, weil der BFH § 11 GrEStG i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG und §§ 138 ff. BewG für mit dem Grundgesetz unvereinbar hält.

Die GrESt wird nach einem einheitlichen Steuersatz für sämtliche Erwerbsvorgänge erhoben. Im Regelfall bestimmt sich die Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. In den Ausnahmefällen des § 8 Abs. 2 des GrEStG, zu denen u.a. die praktisch bedeutsamen Grundstücksübergänge aufgrund von Umwandlungen sowie Anteilsvereinigungen und -übertragungen gehören, bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach den Grundbesitzwerten. Diese werden nach §§ 138 ff. des BewG gesondert ermittelt. Das BVerfG hatte diese Bewertungsvorschriften im Jahr 2006 für die Erbschaft- und Schenkungsteuer als verfassungswidrig beanstandet (BVerfG, Beschluss vom 07.11.2006), weil sie zu zufälligen und willkürlichen Bewertungsergebnissen führten. Diesen verfassungswidrigen Zustand hat der Gesetzgeber ab 2007 für die Erbschaft- und Schenkungsteuer beseitigt und durch neue Bewertungsregeln ersetzt, hierauf aber für die GrESt verzichtet.

Nach Auffassung des BFH ist die weitere Anwendung der §§ 138 ff. BewG für die GrESt verfassungswidrig, weil sie aufgrund des einheitlichen Steuersatzes der GrESt zu willkürlichen und zufälligen Besteuerungsergebnissen führten und daher mit dem Gleichheitssatz unvereinbar seien.

Der BFH hat das BMF in dem Verfahren II R 64/08 (Frage, ob die in § 8 Abs. 2 GrEStG angeordnete Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S. des § 138 BewG als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist) durch Beschluss vom 27.05.2009 aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Das BMF ist dem Verfahren durch Schreiben vom 11.09.2009 beigetreten. Auch dieses Verfahren (II R 64/08) hat der BFH mit Entscheidung vom 02.03.2011 ausgesetzt und dem BVerfG die auch im vorliegenden Streitfall (II R 23/10) aufgeworfene Vorlagefrage vorgelegt.

Die Vollziehung der entsprechenden Grunderwerbsteuerbescheide ist nicht deshalb auszusetzen, weil die Verfassungsmäßigkeit der Bemessung der GrESt nach Maßgabe der Grundbesitzwerte ernstlich zweifelhaft ist (BFH, Beschluss vom 05.04.2011). Der BFH ist zwar, wie er in seinen Vorlagebeschlüssen vom 02.03.2011 (II R 64/08 und II R 23/10) an das BVerfG ausgeführt hat, von der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschriften überzeugt. Für die maßgebenden Vorschriften des § 11 GrEStG i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG und §§ 138 ff. BewG kann jedoch nicht angenommen werden, dass diese auf die Vorlagebeschlüsse des BFH hin vom BVerfG rückwirkend für nichtig erklärt werden. Nach der ständigen Spruchpraxis des BVerfG ist regelmäßige Folge einer - wie hier in Betracht kommenden - Verletzung des Gleichheitssatzes die Unvereinbarkeitserklärung. Dabei kommt eine befristete Fortgeltungsanordnung einer als verfassungswidrig erkannten Bestimmung u.a. aus Gesichtspunkten einer geordneten Finanz- und Haushaltsplanung in Betracht.

Betroffene Normen

§ 11 GrEStG, § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG, §§ 138 ff BewG
Streitjahr 2001

Anmerkungen

Auch das Finanzgericht des Saarlandes hat die AdV wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit abgelehnt, Beschluss vom 08.12.2010, 2 V 1538/10, EFG 2011, S. 741, rechtskräftig.
Das Finanzgericht Hamburg gewährte mit Beschluss vom 12.11.2010, 3 V 153/10 (siehe Deloitte Tax-News), AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Ansatzes von Grundbesitzwerten für die Grunderwerbsteuer. Mit Beschluss vom 04.05.2011 hob der BFH, II B 151/10, das Urteil des Finanzgerichts Hamburg auf – das Rechtschutzbedürfnis sei durch eine vorläufige Steuerfestsetzung gewahrt. Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit gleich lautenden Erlassen vom 17.06.2011 (sowie davor schon mit gleich lautenden Erlassen vom 01.04.2010, siehe Deloitte Tax-News) angeordnet, dass Festsetzungen der Grunderwerbsteuer, Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 GrEStG sowie Feststellungen der Grundbesitzwerte vorläufig vorzunehmen sind.

Das Finanzgericht des Saarlandes hat die AdV wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit ebenso wie der BFH abgelehnt, Beschluss vom 08.12.2010, 2 V 1538/10, EFG 2011, S. 741, rechtskräftig

Auch das FG Köln hat nun mit Beschluss vom 20.12.2013, 4 V 2879/13 die Gewährung von AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsbewertung i.S. der §§ 138 ff. BewG für Zwecke der Grunderwerbsteuer abgelehnt. In Grunderwerbsteuerfällen sei grundsätzlich keine AdV zu gewähren, da der Steuerpflichtige sich bewusst für den Erwerb – sei es mit Gegenleistung und wie vorliegend durch eine Umwandlung – entscheide und somit die Verwirklichung des die Steuer auslösenden Ereignisses bewusst herbeiführe.
FG Köln, Beschluss vom 20.12.2013, 4 V 2879/13, Beschwerde zugelassen

Vorinstanzen

Finanzgericht Köln, Urteil vom 15.07.2009, 5 K 683/06, EFG 2010, S. 1627, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News, Vorinstanz zu II R 23/10 
Finanzgericht Münster, Urteil vom 17.09.2008, 8 K 4809/06 GrE, EFG 2008, 1996, Vorinstanz zu II R 64/08 
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Beschluss vom 02.12.2010, 3 V 134/10, EFG 2011, S. 735, Vorinstanz zu II B 153/10
BFH, Beschluss vom 27.05.2009, II R 64/08, BStBl II 2009, S. 856 

Fundstellen

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.06.2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, siehe Kurzdarstellung Deloitte Tax-News
Pressemitteilung Nr. 55/2015 vom 17.07.2015
BFH, Beschluss vom 02.03.2011, II R 23/10
BFH, Beschluss vom 02.03.2011, II R 64/08, BFH/NV 
BFH, Beschluss vom 05.04.2011, II B 153/10

Weitere Fundstellen

BVerfG, Beschluss vom 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BStBl II 2007, S. 192
BFH-Beschluss vom 04.05.2011, II B 151/10
FG Hamburg, Beschluss vom 12.11.2010, 3 V 153/10, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht des Saarlandes, Beschluss vom 08.12.2010, 2 V 1538/10, EFG 2011, S. 741, rechtskräftig.

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.