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06.06.2024
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

FG Hamburg: Herrschende Unternehmen im Sinne der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel

Zwei jeweils mit eigenen Anteilen an einer Gesellschaft beteiligte Personen sind im Verhältnis zu dieser Gesellschaft kein herrschendes Unternehmen im Sinne der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel gemäß § 6a Abs. 1 S. 3 GrEStG. Das Erfordernis der Vorbehaltensfristen in § 6a Abs. 1 S. 4 GrEStG ist nicht teleologisch auf Fälle des Missbrauchs zu reduzieren.

Sachverhalt

A und B waren je zur Hälfte Anteilseigner an der C GbR und an der Klägerin (GmbH). Die C GbR erwarb einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück. Ein Jahr später wurde die Erhöhung des Stammkapitals der Klägerin beschlossen, wobei A und B jeweils neue Geschäftsanteile übernehmen sollten. Die Einlagen auf die neuen Geschäftsanteile wurden jeweils durch die an der GbR gehaltenen Anteile erbracht.

Nach Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 6a GrEStG erfüllt.

Entscheidung

Das FG kommt zu dem Schluss, dass die begehrte „Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern“ gemäß § 6a Abs. 1 GrEStG zu versagen ist.

Zunächst führt das FG aus, dass es zu einem Übergang des Eigentums an dem Grundstück gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG gekommen ist. Durch Übertragung aller Gesellschaftsanteile der C GbR auf die Klägerin wächst das Vermögen der C GbR (hier: das streitgegenständliche Grundstück) der Klägerin zu (Anwachsung nach § 738 BGB).

Gesetzliche Grundlagen zur Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern

Grundsätzlich begünstigungsfähig sind nach § 6a S. 1 GrEStG die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgänge aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Nr. 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes, einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage wie z.B. die Erfüllung einer Sacheinlageverpflichtung. Die Nichterhebung der Steuer nach Satz 1 und 2 der Norm setzt jedoch gemäß Satz 3 weiterhin voraus, dass an dem dort näher bestimmten steuerbaren Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Satz 4 bestimmt, dass eine Gesellschaft im Sinne von Satz 3 abhängig ist, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95% ununterbrochen beteiligt ist.

Kein herrschendes Unternehmen und keine abhängigen Gesellschaften

Nach dem FG kann die Steuervergünstigung des § 6a Abs. 1 GrEStG für den im Streitfall besteuerten Rechtsvorgang nicht gewährt werden, weil an ihm kein herrschendes Unternehmen und
keine abhängigen Gesellschaften beteiligt waren. Im Übrigen sei auch die Vorbehaltensfrist
nicht gegeben.

Das FG hebt hervor, dass es im Streitfall kein Unternehmen gibt, das – mittelbar oder unmittelbar – an der C GbR oder an der Klägerin oder an beiden Gesellschaften zu mindestens 95% beteiligt war. A und B hielten jeweils 50% der Gesellschaftsanteile an der GbR und an der Klägerin und damit war keiner der beiden für sich genommen beherrschend. Eine Zusammenrechnung der Anteile von A und B – als „Personengruppe“ – kommt aus Sicht des FG nicht in Betracht. A und B sind eigenständige Rechtsträger und bilden zusammen kein herrschendes Unternehmen im Sinne von § 6a Abs. 1 S. 3 GrEStG, so das FG.

Weiter führt das FG aus, dass A und B als Personenmehrheit keine Rechtsträger waren. Eine bloße „Interessengleichheit“ mehrerer Rechtsträger vermag diese noch nicht zu „einem“ Unternehmen im Sinne der Vorschrift zu verbinden. Vor diesem Hintergrund könne der vom BFH formulierte (und in die gleichlautenden Ländererlasse vom 22.09.2020, BStBl. I 2020, S. 960 unter Gliederungspunkt 3.1 bzw. vom 11.03.2022, BStBl. I S. 367 aufgenommene) Satz „Herrschendes Unternehmen können folglich Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften, sowie natürliche und juristische Personen sein, die wirtschaftlich tätig sind.“ nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass mehrere Anteilseigner gemeinsam ein herrschendes Unternehmen sein können, ohne für das Halten der Anteile in gemeinsamer Trägerschaft rechtlich miteinander verbunden zu sein.

Die Intention des Gesetzgebers, Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen zu erleichtern (BtDrucks 17/147, 10) führe zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Der Gesetzgeber hat in den Sätzen 3 und 4 der Vorschrift die Anwendung der Begünstigung ausdrücklich auf bestimmte Konzernverhältnisse beschränkt und die Vergünstigung damit gerade nicht, wie die Klägerin meint, für jegliches wirtschaftliche Zusammenwirken gewährt.

Im Ergebnis sei also festzustellen, dass die von A und B geschaffene Struktur - zwei (oder mehrere) Gesellschaften (hier: Klägerin und GbR), an denen bestimmte Einzelpersonen (hier B und A) im gleichen Verhältnis beteiligt sind - kein Konzern im Sinne des § 6a Abs. 1 GrEStG ist und somit nicht Gegenstand der vom Gesetzgeber erkennbar zielgerichtet geregelten Begünstigung ist.

Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist

Das FG weist darauf hin, dass die begehrte Vergünstigung auch wegen Nichteinhaltung des gesetzlichen Erfordernisses bestimmter Vorbehaltensfristen zu versagen sein dürfte. § 6a S. 4 GrEStG verlangt dem Wortlaut nach das Bestehen des Abhängigkeitsverhältnisses für einen Zeitraum von fünf Jahren vor dem steuerbaren Rechtsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren danach (Nachbehaltensfrist). Selbst wenn die Klägerin und die GbR von A und B als herrschendem Unternehmen abhängige Gesellschaften wären, hätten sie auf die Steuervergünstigung keinen Anspruch, weil die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren nicht eingehalten worden wäre – beide Gesellschaften sind im Jahr 2020 gegründet worden und der streitgegenständliche Rechtsvorgang fand im Jahr 2021 statt.

Auch aus der Rechtsprechung des BFH zur Auslegung des § 6a Abs. 1 S. 4 GrEStG ergebe sich nichts anderes (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 19/19 (II R 63/14)). Nach Ansicht des BFH sei die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass die dort genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Beispielsweise muss bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen in Fällen der Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden.

Nach dem Hessischen Finanzgericht (vgl. Urteil vom 18.10.2022, 5 K 914/21) müsse bei der Einbringung von Gesellschaftsanteilen in eine bestehende GmbH die Vorbehaltensfrist auch eingehalten werden. Das FG Hamburg schließt sich im Streitfall dieser Auffassung an und lehnt eine weitergehende teleologische Reduktion des Fristenerfordernisses in Fällen, in denen ein etwaiger Missbrauch zum Zwecke der Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen erscheint, ab. Vor diesem Hintergrund könne für die Anwendung des § 6a GrEStG auf die Einhaltung der Fristen des § 6a S. 3 und 4 GrEStG nach dem Gesetzeszweck nur dann verzichtet werden, wenn die Frist allein aus Rechtsgründen des gesetzlich förderungswürdigen Umwandlungs- oder Einbringungsvorgangs tatsächlich nicht eingehalten werden kann.

Anmerkungen

Bisherige Rechtsprechung zur Anwendung der Konzernklausel des § 6a GrEStG

Wichtige (grundlegende) Fragen zur Anwendung der Konzernklausel des § 6a GrEStG sind bereits vom BFH entschieden worden (vgl. BFH-Urteile vom 21. und 22.08.2019, II R 15/19, II R 16/19, II R 17/19, II R 18/19, II R 19/19, II R 20/19, II R 21/19 und vom 28.09.2022, II R 13/20). Der BFH hat dabei die Regelungen sowohl für den in der Norm verwendeten Begriff des herrschenden Unternehmens als auch für die von der Steuerbegünstigung erfassten Umwandlungsvorgänge eher weit ausgelegt (siehe Deloitte Tax News sowie Deloitte Tax News zu II R 13/20)

Auffassung der Finanzverwaltung zur Konzernklausel des § 6a GrEStG

Mit Schreiben vom 25.05.2023 haben die obersten Finanzbehörden der Länder ihren Erlass zur Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel des § 6a GrEStG überarbeitet (siehe Deloitte Tax News). Das Vorgängerschreiben vom 22.09.2020 wurde ersetzt.

Betroffene Norm

§ 6a GrEStG
Streitjahr 2021

Fundstelle

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 13.03.2024, 3 K 156/22

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 19/19 (altes Az. II R 63/14), siehe Deloitte Tax News

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.10.2022, 5 K 914/21, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19 (altes Az. II R 50/13), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 16/19 (altes Az. II R 36/14) , siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 17/19 (altes Az. II R 58/14), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 18/19 (altes Az. II R 62/14), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 20/19 (altes Az. II R 53/15), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19 (altes Az. II R 21/19), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 28.09.2022, II R 13/20, siehe Deloitte Tax News

Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 25.05.2023, siehe Deloitte Tax News

 

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senoir Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: 089290368711

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Denise Käshammer
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dkaeshammer@deloitte.de
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