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12.06.2024
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

FG Sachsen: Grunderwerbsteuerliche Konzernklausel auch bei Einbringung zur Neugründung

Überträgt eine Muttergesellschaft die Anteile an einer Tochterkapitalgesellschaft, welche mittelbar sämtliche Anteile an Personengesellschaften mit inländischem Grundbesitz hält, auf eine neugegründete Tochterkapitalgesellschaft, liegt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG vor. Auch wenn in diesem Zusammenhang die Vorbehaltensfrist infolge der Neugründung der Tochtergesellschaft nicht eingehalten werden kann, steht dies der Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel nach § 6a GrEStG nicht entgegen.

Sachverhalt

Die C Company hielt mittelbar sämtliche Anteile an den beiden Klägerinnen, die jeweils in der Rechtsform einer Personengesellschaft in Deutschland belegenen Grundbesitz halten. Der Staat Z übertrug sämtliche Anteile an der C Company auf eine von ihm kurz zuvor gegründete I Company.

Das Finanzamt setzte gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG Grunderwerbsteuer für die Klägerinnen fest. Die Klägerinnen waren der Auffassung, dass die Steuervergünstigung für Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a GrEStG zur Anwendung kommt.

Entscheidung

Das FG gab der Klage statt und kam zum Ergebnis, dass die Anteilsübertragung nach § 6a GrEStG steuervergünstigt ist.

Grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Nach dem FG führt die Übertragung der 100%igen Anteile der C Company an die I Company zu einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes bei den Klägerinnen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG sind erfüllt.

Keine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG

Das FG stellt klar, dass die Voraussetzungen der Steuervergünstigung gem. § 6 Abs. 3 S. 1 i. V.m. § 1 S. 1 GrEStG im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG sei § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG einschränkend dahingehend auszulegen, dass Kapitalgesellschaften, die durch die Änderung ihrer Beteiligungsverhältnisse in voller Höhe bzw. um mindestens 95% als Neugesellschafter anzusehen sind, nicht mehr im Sinn von § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG am Vermögen der (fiktiven) neuen Gesamthandsgemeinschaft beteiligt sind (vgl. BFH-Urteil vom 29.02.2012, II R 57/09). Darüber hinaus könne für Zwecke des § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG nicht durch die unmittelbar oder mittelbar an der grundstücksbesitzenden Gesamthand beteiligte Kapitalgesellschaft auf die dahinterstehenden Beteiligten durchgeschaut werden. Kapitalgesellschaften werden im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG als nicht transparent angesehen. Folglich komme es für die Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht darauf an, dass der Staat Z auch nach Anteilsübertragung weiterhin zu jeweils 100% an dem obersten Rechtsträger beteiligt sei.

Gewährung der Steuervergünstigung für Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a GrEStG

Gesetzliche Grundlagen: Gemäß § 6a S. 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, Abs. 2, 2a, 3 oder 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwStG, einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben. Nach § 6a S. 3 GrEStG setzt die Nichterhebung der Steuer voraus, dass an dem in S. 1 genannten Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Abhängig in diesem Sinn ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mind. 95 % ununterbrochen beteiligt war (§ 6a S. 4 GrEStG).

Nach dem FG ist die steuerbare Anteilsübertragung nach § 6a S. 1 GrEStG steuervergünstigt. Es liege eine dem § 6a S. 1 GrEStG unterfallende Einbringung vor, da dem Staat Z im Gegenzug für die Einbringung sämtlicher Anteile an der C Company neue Anteile an der I Company gewährt wurden. Die Anwendung der Steuervergünstigung über den Wortlaut des § 6a S. 1 GrEStG hinaus ergebe sich aus dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (vgl. Art. 24 OECD-MA). Das FG führt weiter aus, dass der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG nicht auf Unternehmen im Sinn des Umsatzsteuergesetzes beschränkt sei (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 19/19 (II R 63/14) und II R 16/19 (II R 36/14)). Mangels näherer gesetzlicher Einschränkung gelte die Vorschrift für alle Rechtsträger im Sinn des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind. Folglich sei der Staat Z als herrschendes Unternehmen und die I Company als abhängige Gesellschaft anzusehen. Die wirtschaftliche Betätigung des Staates Z ergebe sich aus der über das Halten von Beteiligungen hinausgehenden Ausübung von unternehmerischen Tätigkeiten in Form von Darlehensgewährungen, Investitionen sowie dem Betrieb eigenwirtschaftlicher Einrichtungen.

§ 6a S. 3 und 4 GrEStG verlangen dem Wortlaut nach den Bestand des dort bestimmten Abhängigkeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahre nach (Nachbehaltensfrist) dem gemäß § 6a S. 1 GrEStG begünstigten Rechtsvorgang. Das FG weist daraufhin, dass die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt grundsätzlich nicht erfüllt ist, da die I Company erst kurz vor der Anteilsübertragung gegründet wurde. Allerdings habe der BFH für Umwandlungsvorgänge nach dem Umwandlungsgesetz entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 16/19), dass § 6a S. 4 GrStG dahingehend auszulegen sei, dass die dort genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Nach dem FG müsse diese Auslegung auch für den Streitfall gelten. Folglich liegen nach dem FG die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG vor.

Betroffene Norm

§ 6a GrEStG

Streitjahr: 2017

Fundstelle

Finanzgericht Sachsen, Urteil vom 09.11.2023, 2 K 939/20; BFH-anhängig: II R 33/23

Anmerkungen

Anhängiges Verfahren (II R 33/23)

Der BFH wird darüber zu entscheiden haben, ob die Vorbehaltensfrist im o.g. Streitfall als erfüllt anzusehen ist und somit § 6a S. 4 GrEStG auch bei der Einbringung zur Neugründung teleologisch zu reduzieren ist.

Der BFH hat bislang entschieden, dass in bestimmten Fällen (im Hinblick auf die Vorbehaltensfrist bei der Aufspaltung zur Neugründung, der Abspaltung zur Neugründung und der Ausgliederung zur Neugründung) die für die Steuerbegünstigung vorausgesetzten Vor- und Nachbehaltensfristen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können (vgl. BFH-Urteile vom 21. und 22.08.2019, II R 15/19, II R 16/19, II R 17/19, II R 18/19, II R 19/19, II R 20/19, II R 21/19, siehe Deloitte Tax News).

Hingegen hat das Hessische FG bei Einbringung einer Beteiligung an einer grundbesitzenden KG in eine bereits bestehende Vorrats-GmbH das Einhalten der Vorbehaltensfrist gemäß § 6a S. 4 GrEStG als nicht entbehrlich angesehen (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.10.2022, 5 K 914/21, BFH-anhängig: II R 46/22, siehe Deloitte Tax News).

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 29.02.2012, II R 57/09, DStR 2012, S. 1181

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 16/19 (altes Az. II R 36/14) , siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 17/19 (altes Az. II R 58/14), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 18/19 (altes Az. II R 62/14), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 20/19 (altes Az. II R 53/15), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19 (altes Az. II R 21/19), siehe Deloitte Tax News

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.10.2022, 5 K 914/21; BFH-anhängig: II R 46/22, siehe Deloitte Tax News

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: 089290368711

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dkaeshammer@deloitte.de
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