Hessisches FG: Grunderwerbsteuerliche Konzernklausel bei Einbringung in eine bestehende Vorrats-GmbH
Bei Einbringung einer Beteiligung an einer grundbesitzenden KG in eine bereits bestehende Vorrats-GmbH ist für die Grunderwerbsteuerbefreiung des § 6a GrEStG die Vorbehaltensfrist gem. § 6a S. 4 GrEStG zwingend zu wahren.
Sachverhalt
An einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG waren sieben Gesellschafter (allesamt natürliche Personen) als Kommanditisten beteiligt. Die Kommanditisten erwarben im Jahr 2013 jeweils als Alleingesellschafter eine eigene Vorrats-GmbH. In 2014 brachten sie ihren jeweiligen Kommanditanteil an der GmbH & Co. KG in die ihnen gehörige Vorrats-GmbH im Wege der Sachkapitalerhöhung steuerlich gem. §§ 20 ff. UmwStG mit Wirkung zum 01.01.2014 zu Buchwerten ein und traten zeitgleich ihren Kommanditanteil an die jeweilige GmbH ab. Das Finanzamt ging wegen der Änderung im Gesellschafterbestand von einem Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 2a GrEStG aus und setzte dementsprechend gegenüber der GmbH & Co. KG Grunderwerbsteuer fest.
Entscheidung
Das FG kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es durch die Einbringung der Kommanditanteile aller Kommanditisten in ihre GmbHs bei der grundbesitzenden KG zur Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG gekommen ist und die Steuerbefreiungsvorschrift des § 6a GrEStG aufgrund der Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist nicht anwendbar ist.
Gesetzliche Grundlagen
Ändert sich bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft der Gesellschafterbestand innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies gem. § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG als ein auf die Übereignung des inländischen Grundstücks auf die neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft, welches grundsätzlich der Grunderwerbsteuer unterliegt. Die Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG kann dabei in einem einzelnen Rechtsvorgang oder in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 25.11.2015, II R 18/14).
Nach § 6a S. 1 Hs. 1 GrEStG wird jedoch für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1-3 UmwG, einer Einbringung – wie im Streitfall – oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben. Voraussetzung ist, dass an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a S. 3 GrEStG). Abhängig im Sinne von Satz 3 ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor (Vorbehaltensfrist) und nach (Nachbehaltensfrist) dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95% ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a S. 4 GrEStG).
Verwirklichung des Erwerbstatbestandes gem. § 1 Abs. 2a GrEStG
Mit der Einbringung der Kommanditanteile sind nach Ansicht des FG die GmbHs durch die zugleich erfolgte Abtretung zivilrechtlich zu neuen Kommanditisten der KG geworden, so dass sich unmittelbar der Gesellschafterbestand der KG dergestalt geändert hat, dass mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen der KG (hier: 100%) auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Bezogen auf die grundbesitzende KG ist es laut FG demnach zur Verwirklichung des Steuertatbestandes des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG gekommen.
Keine Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 6a GrEStG
Nach Auffassung des FG kommt eine Steuerbefreiung gem. § 6a GrEStG nicht zur Anwendung.
Die Befreiungsvorschrift nach § 6a GrEStG ist bei einem Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG aus Sicht des FG zwar grundsätzlich teilaktsbezogen anwendbar und kann zu einer quotalen Anwendung auf einzelne Teilakte (hier die sieben Einbringungen in die GmbHs) führen, wenn für den Teilakt die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Begünstigung nach § 6a GrEStG ist in den Fällen des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG insoweit anteilig zu gewähren, als durch den begünstigungsfähigen Vorgang der Tatbestand des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG erfüllt wird oder der begünstigungsfähige Vorgang innerhalb der vorangehenden Fünfjahresfrist zur Erfüllung des Tatbestands beiträgt; die Begünstigung ist hierbei auf die vermögensmäßige Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers an der Personengesellschaft begrenzt (vgl. gleichlautende Ländererlasse vom 22.09.2020, Tz. 2.4).
Bezogen auf jeden der sieben Teilakte zur Verwirklichung des Rechtsvorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG waren nach Ansicht des FG aber nicht jeweils ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft i.S. des § 6a GrEStG beteiligt. Zwar könnten die Kommanditisten als „Unternehmen“ i.S. des § 6a GrEStG verstanden werden, da sie über ihre Kommanditanteile und hiernach als Alleingesellschafter einer GmbH wirtschaftlich tätig waren. Allerdings handele es sich bei den GmbHs nicht um von den Alleingesellschaftern „abhängige“ Gesellschaften i.S. des § 6a GrEStG. Hierfür müssten die Kommanditisten am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der GmbHs innerhalb von fünf Jahren vor und nach dem Rechtsvorgang beteiligt sein. Die Vorbehaltensfrist sei vorliegend jedoch hinsichtlich aller Teilakte des Rechtsvorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG – den sieben Einbringungen in die GmbHs – nicht eingehalten, da die Kommanditisten an ihren jeweiligen GmbHs bei Einbringung noch nicht fünf Jahre beteiligt waren.
Kein Verzicht auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist
Auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist kann für die streitgegenständlichen Einbringungen aus Sicht des FG auch nicht im Wege einer teleologischen Reduktion verzichtet werden. Anders als in den vom BFH kürzlich entschiedenen Fällen, in denen die Vergünstigung des § 6a GrEStG auch bei Nichteinhaltung der Vor- bzw. Nachbehaltensfrist gewährt wurde (vgl. BFH-Urteile jeweils vom 21.08.2019, II R 21/19-II R 56/15, II R 15/19-II R 50/13 und vom 22.08.2019 II R 17/19-II R 62/14), beruhe die Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist im Streitfall nicht auf umwandlungsbedingten oder einbringungsbedingten Gründen. Im Streitfall liege kein Einbringungsvorgang vor, bei dem eine beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, die GmbHs seien vielmehr bereits vor dem begünstigten Einbringungsvorgang gegründet wurden.
Betroffene Normen
§ 6a GrEStG
Streitjahr 2019
Anmerkungen
FG Hessen, Urteil vom 18.10.2022, 5 K 272/21, rechtskräftig
In seinem teilweise inhaltsgleichen Urteil vom 18.10.2022 (5 K 272/21) ist das FG Hessen für den Fall einer Abspaltung zur Übernahme nach § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG, die den grunderwerbsteuerlichen Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG verwirklicht, zu dem Ergebnis gekommen, dass eine teleologische Reduktion der für die Steuerbefreiung nach § 6a S. 4 GrEStG erforderlichen Vorbehaltensfrist ebenfalls nicht in Betracht kommt, wenn die abhängige Gesellschaft bereits vor dem Umwandlungsvorgang bestand und daher die Einhaltung der vorgenannten Frist möglich ist. Das FG Hessen hatte die Revision zugelassen, die aber nicht eingelegt wurde, sodass das Urteil rechtskräftig wurde.
Fundstelle
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.10.2022, 5 K 914/21, BFH-anhängig:
II R 46/22
teilweise inhaltsgleich:
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.10.2022, 5 K 272/21, rechtskräftig
Weitere Fundstellen
BFH, Urteile jeweils vom 21.08.2019, II R 21/19 -II R 56/15, BStBl II 2020, S. 344; II R 15/19 -II R 50/13, BStBl II 2020, S. 329 und vom 22.08.2019 II R 17/19 -II R 62/14, BStBl II 2020, S. 348, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 25.11.2015, II R 18/14, BStBl II 2018, S. 783, siehe Deloitte Tax-News
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 22.09.2020, BStBl I 2020, S. 960, siehe Deloitte Tax-News