Ländererlass: Grunderwerbsteuer bei Treuhand- und Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnissen
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben ihren Erlass zu Erwerbsvorgängen i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen aktualisiert. Der aktuelle Erlass tritt an die Stelle der Ländererlasse vom 12.10.2007.
Hintergrund
Für die Grunderwerbsteuer sind Treuhandgeschäfte sowie Erwerbsvorgänge durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger von Bedeutung, wenn sie Anteile einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz betreffen. Treuhänder ist dabei grundsätzlich, wer von einem anderen, dem Treugeber, Vermögensrechte (z.B. Gesellschaftsanteile) zu eigenem Recht erworben hat und diese Rechte zwar im eigenen Namen, aber nicht (ausschließlich) im eigenen Interesse ausübt. Der unentgeltliche Auftrag (§ 662 BGB) sowie der entgeltliche Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB) verpflichten den Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger, ein ihm vom Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn übertragenes Geschäft (z.B. Erwerb von Gesellschaftsanteilen) für diesen vorzunehmen.
Verwaltungsanweisung
Zu Erwerbsvorgängen i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit der Begründung, Übertragung oder Rückgängigmachung von Treuhand- und Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnissen nehmen die obersten Finanzbehörden der Länder in einem aktualisierten Erlass Stellung. Nachfolgend werden die wesentlichen Punkte dargestellt:
Erwerbsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandverhältnissen:
- Begründung eines Treuhandverhältnisses
Überträgt ein Gesellschafter mind. 95 % der Anteile an einer Gesellschaft auf einen Treuhänder, so entsteht die Steuer aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, wenn für den Treuhänder durch Rechtsgeschäft ein Anspruch auf Übertragung begründet wird (sog. eigennützige Treuhand). Besteht nur die Pflicht des Treuhänders aus Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag, die Anteilsübertragung anzunehmen, nicht aber das Recht, diese zu verlangen (sog. uneigennützige Treuhand), unterliegt die Übertragung der Anteile mangels Übertragungsanspruch der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. - Rückübertragung der Anteile auf den Treugeber
Überträgt der Treuhänder die Anteile auf den Treugeber zurück und beruht die Rückübertragung auf einer rechtsgeschäftlich begründeten aufschiebend bedingten Verpflichtung, entsteht die Steuer aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Erfolgt die Rückübertragung in Erfüllung eines dem Treugeber zustehenden Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB, so unterliegt der Vorgang der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Bei Erfüllung der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen findet § 3 Nr. 8 S. 1 GrEStG ebenso wie § 16 Abs. 2 GrEStG Anwendung. - Verschaffung eines Übertragungsanspruchs
Verschafft ein Gesellschafter, der mind. 95 % der Anteile einer Gesellschaft innehat, einem Treugeber einen auf diese Anteile bezogenen Übertragungsanspruch, unterliegt der Erwerb des Übertragungsanspruchs der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Überträgt daraufhin der Treuhänder dem Treugeber auch die Anteile entsteht, nachdem bereits der Erwerb der Rechte als Treugeber grunderwerbsteuerpflichtig gewesen ist, keine weitere Steuer. - Übertragung der Anteile auf einen Dritten, Treuhänderwechsel, Treugeberwechsel und Auflösung des Treuhandverhältnisses
Überträgt der Treuhänder die ihm übertragenen mind. 95 % der Gesellschaftsanteile im Einvernehmen mit dem Treugeber auf einen Dritten oder auf einen anderen Treuhänder (Treuhänderwechsel), unterliegt dies der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG. Überträgt der Treugeber seine Rückübertragungsansprüche auf einen Dritten (Treugeberwechsel), entsteht die Steuer aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Durch die Auflösung des Treuhandverhältnisses wird kein weiterer grunderwerbsteuerbarer Vorgang verwirklicht.
Erwerbsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Auftrags- und Geschäftsbesorgungsverhältnissen:
- Begründung eines Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses
Erwirbt ein Auftragnehmer oder Geschäftsbesorger mind. 95 % der Anteile einer Gesellschaft für den Auftraggeber bzw. den Geschäftsherrn, erwirbt dieser gleichzeitig den Anspruch auf Übertragung der Anteile aus § 667 BGB. Der Erwerb der Anteile durch den Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Erwirbt er die Anteile sukzessive von mehreren Personen, wird bei Erreichung des Quantums von 95 % eine Anteilsvereinigung in der Hand des Auftragnehmers bzw. Geschäftsbesorgers i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Der Herausgabeanspruch des Auftraggebers bzw. Geschäftsherrn unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG.
Durch die Übertragung der Anteile auf den Auftraggeber bzw. den Geschäftsherrn entsteht, nachdem bereits der Erwerb der Rechte als Auftraggeber bzw. Geschäftsherr hinsichtlich der bei Begründung des Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterlegen hat, insoweit keine weitere Steuer. - Übertragung und Auflösung des Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses
Hinsichtlich der Übertragung und Auflösung eines Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Übertragung und Auflösung von Treuhandverhältnissen.
Ergänzende Hinweise:
- Bei Personengesellschaften ist der Vorrang des § 1 Abs. 2a GrEStG zu beachten (siehe Ländererlasse vom 12.11.2018 zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG). Bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden Personengesellschaften ist die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend. Hingegen ist bei Beteiligungen an zwischengeschalteten Personengesellschaften die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2017, Ländererlasse vom 12.11.2018 zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden PersGes).
- Sind mehrere Treuhänder oder Treugeber bzw. mehrere Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger beteiligt, so ist zu beachten, dass ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang jeweils nur vorliegt, wenn mind. 95 % der Anteile in einer Hand vereinigt werden. Die dargestellten Regelungen sind in diesem Fall daher nur eingeschränkt anwendbar.
Anwendung
Der Erlass ist in allen offenen Fällen anzuwenden.
Betroffene Norm
§ 1 Abs. 3 GrEStG
Fundstelle
Finanzministerium Baden-Württemberg, Erlass (koordinierter Ländererlass) vom 19.09.2018, 3-S 4501/65, BStBl I 2018, S. 1074
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15, BStBl II 2018, S. 667, siehe Deloitte Tax-News
Finanzministerium Baden-Württemberg, Erlass (koordinierter Ländererlass) vom 12.10.2007, 3-S 4501/25, BStBl I 2007, S. 761
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 12.11.2018 (zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG), siehe Deloitte Tax-News
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 12.11.2018 (zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden PersGes), siehe Deloitte Tax-News (unter Anmerkung)
