Ländererlasse: Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG
In der Vergangenheit lösten bestimmte Erwerbsvorgänge von Beteiligungen an Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz unter Verwendung sog. RETT-Blocker keine Grunderwerbsteuer aus. Mit Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG durch das AmtshilfeRLUmsG hat der Gesetzgeber diese Gestaltungsmöglichkeit abgeschafft.
Hintergrund
Mit dem AmtshilfeRLUmsG wurde der § 1 Abs. 3a GrEStG in das Grunderwerbsteuergesetz eingefügt. Mit dieser Vorschrift wird die Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG durch den Tatbestand einer wirtschaftlichen Anteilsvereinigung ergänzt. Dadurch sollen Gestaltungen mit RETT-Blockern verhindert werden. Das Kriterium der „wirtschaftlichen Beteiligung“ ist erfüllt, wenn die durchgerechnete Beteiligungsquote mindestens 95 % beträgt. Ein nicht konzernverbundener Dritter muss somit auch wirtschaftlich mindestens 5,1 % der grundbesitzenden Gesellschaft übernehmen bzw. als Veräußerer behalten. Die Verschärfung ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem Tag des Bundestagsbeschlusses (06.06.2013) verwirklicht werden. Auf bereits implementierte RETT-Blocker-Strukturen wirkt sich die Gesetzesänderung nicht aus.
Ländererlasse vom 09.10.2013
Mit gleich lautenden Erlassen vom 09.10.2013 haben die obersten Finanzbehörden der Länder zur Vorschrift des § 1 Abs. 3a GrEStG Stellung genommen. Diese gleich lautenden Erlasse entsprechen weitestgehend dem Entwurf für die gleichlautenden Ländererlasse von September 2013. Zu den meisten der nachfolgenden Erklärungen beinhalten die Erlasse erläuternde Beispiele.
Allgemeines
Gem. § 1 Abs. 3a GrEStG liegt ein Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG auch dann vor, wenn ein Rechtsträger „eine wirtschaftliche“ Beteiligung in Höhe von mindestens 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft innehat. Wirtschaftliche Beteiligungen können in allen Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG vorliegen.
Wird zuerst ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht und führt anschließend ein weiterer Erwerbsvorgang zu einer wirtschaftlichen Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG, unterläge dieser Vorgang auch dann der Besteuerung, wenn dem Erwerber der Grundbesitz der Gesellschaft bereits aufgrund des vorangegangenen Erwerbs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sei. Allerdings sei die Anrechnungsregelung des § 1 Abs. 6 GrEStG zu beachten.
Die Regelung gelte für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften gleichermaßen, da die neue Vorschrift bei Personengesellschaften auf die vermögensmäßige Beteiligung abstelle. Die Grundsätze zu § 1 Abs. 3 GrEStG gelten, soweit nachfolgend nicht abweichend dargestellt, entsprechend.
Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3a GrEStG
Bestand bis zum 06.06.2013 bereits eine wirtschaftlich Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG in Höhe von mindestens 95 % an einer Gesellschaft, könne § 1 Abs. 3a GrEStG durch ganz oder teilweise Aufstockung der Beteiligung nicht mehr verwirklicht werden. Dies gelte auch für die nach dem Überschreiten der 95%-Grenze hinzuerworbenen Grundstücke. Die Besteuerung einer erstmaligen Verwirklichung des § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG bleibe davon unberührt.
Werde die wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 95 % auf einen anderen Rechtsträger übertragen, sei § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht.
Nachrangigkeit des § 1 Abs. 3a GrEStG
Die Vorschriften des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG gehen dem § 1 Abs. 3a GrEStG ausdrücklich vor (§ 1 Abs. 3a S. 1 HS. 1 GrEStG). Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3a GrEStG sei nur dann zu prüfen, wenn für den Erwerbsvorgang nicht bereits eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG in Betracht komme. Selbst dann, wenn die Steuer eines solchen Vorgangs nach § 1 Abs. 2a S. 3 GrEStG oder aufgrund einer Befreiungs- oder Vergünstigungsvorschrift nicht erhoben werde, sei die Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG ausgeschlossen.
Steuerbare Erwerbsvorgänge
Steuerbar gem. § 1 Abs. 3a GrEStG seien Rechtsvorgänge, die dazu führten, dass ein Rechtsträger erstmalig eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft innehabe. Dabei sei es unerheblich, ob der Rechtsträger diese wirtschaftliche Beteiligung unmittelbar, mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar hielte. § 1 Abs. 3a GrEStG sei wie § 1 Abs. 3 GrEStG stichtagsbezogen. Die Grundsätze zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 GrEStG gelten entsprechend.
Wirtschaftliche Beteiligung
Mit der Einführung der wirtschaftlichen Beteiligung stelle die neue Regelung auf die unmittelbare und/oder mittelbare Beteiligung am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft ab (§ 1 Abs. 3a S. 2 GrEStG). Damit gelte nicht die sachenrechtliche Betrachtungsweise, sondern die (rechtsformunabhängige) Beteiligung am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft.
Die Höhe einer mittelbaren Beteiligung am Kapital/Vermögen ergebe sich durch sog. „Durchrechnen“, also Multiplikation der Prozentsätze auf den verschiedenen Beteiligungsebenen (Beispiel: eine Beteiligung in Höhe von 5 % an einer zu 5 % an einer grundbesitzbesitzenden Gesellschaft beteiligten Gesellschaft ergebe eine mittelbare Beteiligung in Höhe von: 5 % * 5 % = 0,25 %). Die Summe aus unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen an einer Gesellschaft ergebe die „wirtschaftliche Beteiligung“. Habe ein Rechtsträger durch einen Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung von insgesamt mindestens 95 % inne, sei § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht.
Aufeinanderfolgen von Tatbeständen (§ 1 Abs. 6 GrEStG)
Sei einem steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG ein anderer grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgang (§ 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG) vorausgegangen, werde die Steuer gem. § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den nachfolgenden Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden sei. Gleiches gelte, wenn ein steuerbarer Rechtsvorgang im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG einem steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG nachfolge. Dies setze jedoch Grundstücks- und Erwerberidentität voraus.
Anwendung der §§ 3, 6 und 6a GrEStG
Die Grundsätze zur Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG gelten entsprechend.
Unter den Voraussetzungen des § 6a GrEStG seien Rechtsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG begünstigt.
Steuerschuldnerschaft
Steuerschuldner sei der Rechtsträger, der aufgrund des steuerbaren Rechtsvorgangs die wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft innehabe (§ 13 Nr. 7 GrEStG).
Verhältnis zu § 16 GrEStG
§ 16 GrEStG sei im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3a GrEStG anzuwenden. Die Grundsätze zur Anwendung des § 16 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG gelten entsprechend.
Anzeigepflicht und Inhalt der Anzeige
Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 7a GrEStG seien Rechtsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG anzuzeigen. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG müsse die Anzeige bei mehreren Beteiligten eine Beteiligungsübersicht enthalten.
Fundstelle
Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 09.10.2013, BStBl I 2013, S. 1364