BFH: Leistungen Dritter als grunderwerbsteuerliche Gegenleistung
Zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gehören bei der Veräußerung eines Grundstücks an eine Gesellschaft auch Leistungen eines Dritten an den Grundstücksveräußerer für den Erwerb von Anteilen an der künftig grundbesitzenden Gesellschaft, wenn der Hauptzweck dieser Leistungen darin besteht, den Grundstücksveräußerer zur Übertragung des Grundstücks an die Gesellschaft zu veranlassen.
BFH, Urteil vom 25.04.2023, II R 19/20
Sachverhalt

Streitig war die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Klägerin ist die F-GmbH. Die A-GmbH war Eigentümerin einer Immobilie. Die Käuferinnen C-AG und D-GmbH beabsichtigten die Immobilie der A-GmbH zu erwerben. Der Erwerb erfolgte allerdings über mehrere Anteilskauf- und Übertragungsverträge.
Im ersten Schritt erwarb die A-GmbH sämtliche Anteile an der F-GmbH. Am selben Tag übertrug sie der F-GmbH die Immobilie. Als Kaufpreis der Immobilie wurde nur ein Teilbetrag des tatsächlichen Grundstückswerts festgelegt. Die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem tatsächlichen Grundstückswert stellte die F-GmbH in die Kapitalrücklage ein. Zwischen der C-AG bzw. der D-GmbH und der A-GmbH war bereits im Vorfeld die Übertragung von 94,9% bzw. 5,1% der Anteile an der F-GmbH gegen Zahlung der o.g. Differenz zwischen dem Kaufpreis der F-GmbH und dem tatsächlichen Grundstückswert vereinbart worden.
Das Finanzamt setzte gegenüber der F-GmbH Grunderwerbsteuer fest. Als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer berücksichtigte das Finanzamt neben dem vertraglich vereinbarten Kaufpreis für die Immobilie auch die Gegenleistung, die die C-AG und die D-GmbH auf Basis des Anteilskauf- und Übertragungsvertrags an die A-GmbH zu erbringen hatte. Nach Auffassung des Finanzamts handelt es sich hierbei um eine Gegenleistung nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG. Das FG gab dem Finanzamt Recht.
Entscheidung
Der BFH schließt sich der Auffassung des Finanzamts an und kommt zu dem Ergebnis, dass die von der C-AG und der D-GmbH erfolgte Zahlung an die A-GmbH auf Basis des Anteilskauf- und Übertragungsvertrags eine Gegenleistung nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG darstellt und somit in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen ist.
Kaufpreis = Gegenleistung bei einem Grundstückskauf
Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis. Zum Kaufpreis gehört alles, was der Käufer vereinbarungsgemäß an den Verkäufer leisten muss, um den Kaufgegenstand zu erhalten (vgl. BFH-Urteil vom 10.05.2017, II R 16/14). Der BFH bestätigt auch, dass auch ein im Verhältnis zum Grundstückswert niedriger Kaufpreis als Gegenleistung nach § 8 Abs. 1 GrEStG anzusehen sein kann (vgl. BFH-Beschluss vom 26.02.2003, II B 54/02).
Bei Leistungen Dritter Hauptzweck entscheidend
Allerdings gehören zur Gegenleistung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auch Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt.
Der BFH hebt in der aktuellen Entscheidung hervor, dass eine Leistung eines Dritten im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG in ihrem Hauptzweck darauf gerichtet sein muss, dass der Verkäufer das Grundstück dem Erwerber überlässt (vgl. BFH-Urteil vom 18.09.1985, II R 168/82). Die Zweckrichtung einer Leistung sei aus der Sicht des Leistenden (Dritten) zu bestimmen. Für die Bestimmung der Gegenleistung sei nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich tatsächlich verpflichtet haben.
Im Streitfall zielt der Hauptzweck der Leistungen der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH auf die Übertragung der Immobilie auf die F-GmbH ab, so der BFH. Dies könne u.a. auch daraus geschlossen werden, dass für den Fall des Scheiterns des Anteilskaufvertrags eine Pflicht zur Rückabwicklung der Grundstücksübertragung einschließlich eines Antrags auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung bestanden habe.
Zivilrechtliche Selbständigkeit des Anteilskaufvertrags und des Übertragungsvertrags nicht entscheidend
Der BFH bejaht zwar die zivilrechtliche Selbständigkeit des Anteilskauf- und des Übertragungsvertrags. Die Leistung eines Dritten nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG müsse sich jedoch nicht aus dem Übertragungsvertrag selbst, sondern könne sich aus einer anderen vertraglichen Vereinbarung (hier dem Anteilskaufvertrag) ergeben. Hier sei eine Gesamtschau beider Verträge angezeigt.
Keine unzulässige Doppelbesteuerung
Nach dem BFH liegt im Streitfall auch keine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Zwar kommen im Streitfall grundsätzlich zwei grunderwerbsteuerliche Tatbestände, nämlich § 1 Abs. 1 GrEStG (Grundstücksübertragung) und § 1 Abs. 3 GrEStG (Anteilsübertragung), in Betracht. Dennoch seien die jeweiligen Gegenleistungen im Sinne des § 8 GrEStG gesondert zu ermitteln.
Betroffene Norm
§ 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG
Streitjahr: 2014
Vorinstanz
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 17.06.2020, 5 K 2191/15
Fundstelle
BFH, Urteil vom 25.04.2023, II R 19/20
Weitere Fundstellen:
BFH, Urteil vom 10.05.2017, II R 16/14, BStBl. II 2017, S. 964
BFH, Beschluss vom 26.02.2003, II B 54/02, BStBl. II 2003, S. 483
BFH, Urteil vom 18.09.1985, II R 168/82
