Änderung des Leistungsortes und Mini-One-Stop-Shop bei Telekommunikations- und auf elektronischem Wege erbrachten Leistungen
Ab 01.01.2015 werden Telekommunikations-, Rundfunk und Fernsehleistungen sowie elektronische Dienstleistungen an Nichtunternehmer am Ort deren Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts besteuert. Der Erleichterung soll ein sog. Mini-One-Stop-Shop-Verfahren dienen. Diese Änderungen werden mit dem sog. Kroatiengesetz umgesetzt.
Hintergrund
Durch Umsetzung der Änderungen in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) in das nationale Recht mit dem Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (sog. Kroatiengesetz) werden ab dem 01.01.2015 Telekommunikations-, Rundfunk und Fernsehleistungen sowie elektronische Dienstleistungen an Nichtunternehmer an dem Ort besteuert, an dem der (private) Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat. Kauft eine natürliche Person in der EU bei einem in Deutschland ansässigen Internet-Händler z.B. ein e-Book oder ein Musik-Download, fällt künftig die Umsatzsteuer in dem jeweiligen EU-Bestimmungsland an und nicht mehr in Deutschland, dem Ansässigkeitsstaat des Anbieters (Ursprungsland). Zur Erleichterung des potenziellen Mehraufwands für Unternehmer wird ein sogenanntes „Mini-One-Stop-Shop“-Verfahren eingeführt.
Das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerrechtlichen Vorschriften wurde vom Bundestag am 03.07.2014 verabschiedet. Am 11.07.2014 hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Mit der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wird die europäische Vorgabe endgültig in das nationale Steuerrecht umgesetzt.
Zusammenfassung
Verlagerung des Orts der Leistung
Nach derzeit gültiger Regelung sind Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehleistungen sowie auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen an Nichtunternehmer an dem Ort steuerbar, von dem aus der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt (Ursprungslandprinzip, § 3a Abs. 1 UStG). Somit musste bisher ein in Deutschland ansässiger Unternehmer, welcher elektronische Dienstleistungen an private Verbraucher in anderen EU-Ländern erbringt, diese Umsätze mit der deutschen Umsatzsteuer besteuern und in seiner deutschen Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Umsatzsteuererklärung deklarieren.
Nach § 3 Abs. 5 UStG in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung verlagert sich der Ort der Leistung bei derartigen Leistungen an Nichtunternehmer an den Ort, wo der (private) Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Sitz hat (Bestimmungslandprinzip). Somit verlagert sich der Leistungsort bei solchen Leistungen generell an den Ort des Leistungsempfängers – unabhängig davon, ob es sich bei diesem um ein Unternehmen oder um eine Privatperson handelt. Ist der Leistungsempfänger ein Unternehmer, geht die Steuerschuld nach dem Reverse-Charge-Verfahren (wie bisher) auf den Leistungsempfänger über, worauf der leistende Unternehmer in seiner Rechnungen ohne Umsatzsteuer hinweisen muss.
Da bei B2C-Leistungen („Business to Consumer“) eine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nicht in Betracht kommt, wäre der leistende Unternehmer bei Erbringung derartiger elektronischer Leistungen an Privatpersonen ab 01.01.2015 grundsätzlich verpflichtet, sich in jedem Empfängerstaat, umsatzsteuerlich registrieren zu lassen und die Umsatzsteuer mit dem Steuersatz des Landes des Leistungsempfängers auf der Rechnung auszuweisen und an das jeweilige zuständige Finanzamt abzuführen.
Auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen
Insofern die neue Regelung Telekommunikations-, Rundfunk- sowie Fernsehleistungen betrifft, ist eine überschaubare Anzahl von Unternehmen betroffen. Anders ist es bei den auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen.
Nach Abschn. 3a.12 UStAE ist eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung eine Leistung, die über das Internet oder ein elektronisches Netz, einschließlich Netze zur Übermittlung digitaler Inhalte, erbracht wird und deren Erbringung auf Grund der Merkmale der sonstigen Leistung in hohem Maße auf Informationstechnologie angewiesen ist; d.h. die Leistung ist im Wesentlichen automatisiert, wird nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht und wäre ohne Informationstechnologie nicht möglich (vgl. Artikel 7 sowie Anhang I der MwStVO). In Abschn. 3a.12 UStAE werden exemplarisch Leistungen aufgelistet, die als elektronische Dienstleistungen (Positivbeispiele) zu qualifizieren sind, sowie einige Beispiele für Leistungen, die keine elektronische Dienstleistungen sind (Negativbeispiele).
Nach Abschn. 3a. 12 UStAE gehören zu elektronischen Dienstleistungen unter anderem die Bereitstellung von Websites, Webhosting, Fernwartung von Programmen und Ausrüstungen; die Bereitstellung von Software und deren Aktualisierung; die Bereitstellung von Bildern (z.B. Gewährung des Zugangs zu oder das Herunterladen von Desktop-Gestaltungen, Fotos, Bildern), die Bereitstellung von Musik, Filmen, Spielen, einschließlich Glücksspielen und Lotterien; Online-Versteigerungen; Internet Service-Pakete und andere (vgl. Abschn. 3a 12 UStAE).
Da die Auflistung nicht abschließend ist, können viele weitere Dienstleistungen, die den Positivbeispielen ähnlich sind, als elektronische Dienstleistungen qualifiziert werden. Es ist daher empfehlenswert, jede einzelne Dienstleistung im Licht der neuen Regelung zu überprüfen.
„Mini-One-Stop-Shop“
Um den erheblichen Mehraufwand abzumildern wird ab 01.01.2015 ein sogenannter „Mini-One-Stop-Shop-Mechanismus“ für derartige elektronische Leistungen europaweit ab 01.01.2015 in Kraft treten.
Der Mini-One-Stop-Shop (MOSS oder M1SS), zu deutsch die kleine einzige Anlaufstelle (KEA), ist ein neues Besteuerungsverfahren, das dem leistenden Unternehmen ermöglicht, sich für die o.g. Umsätze in dem EU-Mitgliedsstaat registrieren zu lassen, in dem er ansässig ist. Demzufolge muss ein deutscher Unternehmer sich nicht in sämtlichen Mitgliedstaaten der Leistungserbringung registrieren lassen, sondern hat lediglich in seinem Ansässigkeitsstaat eine gesonderte Erklärung mit allen Umsätzen aus elektronischen B2C-Dienstleistungen innerhalb der EU abzugeben und die gesamte Umsatzsteuer einmalig abzuführen.
Das besondere Verfahren der Abgabe der Umsatzsteuererklärung für einen anderen Mitgliedsstaat für in Deutschland ansässige Unternehmer, welche Umsätze nach § 3a Abs. 5 (in der Fassung ab 01.01.2015) an Nichtunternehmer in anderen EU-Staaten erbringen, ist in § 18 Abs. 4h UStG (in der Fassung ab 01.01.2015) normiert.
Für im Drittland ansässige Unternehmer, die elektronische Dienstleistungen an private Abnehmer mit Wohnsitz in der EU erbringen, gibt es bereits ein vergleichbares Verfahren, das in Deutschland ebenfalls bei dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) durchgeführt wird (§18 Abs. 4c UStG).
Laut § 18 Abs. 4h n.F. sollen sich die Unternehmer für die Teilnahme an dem besonderen Verfahren elektronisch beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) anmelden. Die Erklärungen sind (zusätzlich zu den normalen Umsatzsteuer-Voranmeldungen und ggf. Zusammenfassenden Meldungen) bis zum 20. Tag nach Quartalsende über ein Internetportal des BZSt abzugeben und die berechnete Steuer an das BZSt zu entrichten. Die eingereichten Steuererklärungen werden dann zusammen mit der entrichteten Mehrwertsteuer vom BZSt über ein sicheres Kommunikationsnetz an die entsprechenden Mitgliedstaaten des Verbrauchs übermittelt.
Die Teilnahme am besonderen Verfahren ist freiwillig. Alternativ kann sich der Unternehmer im jeweiligen Empfängerland umsatzsteuerlich registrieren lassen und entsprechende Umsätze den dortigen Finanzbehörden melden und die geschuldete Steuer an diese abführen.
Wenn sich jedoch ein Unternehmer für die Inanspruchnahme der kleinen einzigen Anlaufstelle entscheidet, muss er die Regelung einheitlich in allen Mitgliedsstaaten anwenden, in denen er derartige elektronische Dienstleistungen erbringt und in denen er weder einen Sitz noch eine Betriebsstätte hat. Dass die Regelung optional ist, bedeutet nicht, dass der Unternehmer diese nur in Bezug auf einzelne Mitgliedstaaten anwenden kann.
Die näheren Einzelheiten werden in einem von der EU-Kommission herausgegebenen EU-Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer vom 23.10.2013 beschrieben.
Die Registrierung für die Teilnahme am besonderen Verfahren soll laut dem EU-Leitfaden ab 01.10.2014 bis 31.12.2014 mit Wirkung zum 1. Januar 2015 möglich sein. Für Anträge deutscher Unternehmer stellt das Bundeszentralamt für Steuern ein Online-Portal zur Verfügung. Weitergehende Informationen zum Verfahren Mini-One-Stop-Shop werden, wie das Bundesfinanzministerium (BMF) mitteilt, rechtzeitig (voraussichtlich bis zum 01.10.2014) auf der Homepage des Bundeszentralamts für Steuern unter www.bzst.bund.de veröffentlicht.
Praxishinweis
Die Unternehmer, welche Telekommunikations-, Rundfunk und Fernsehleistungen sowie auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Dienstleistungen erbringen, sollten zunächst feststellen, ob sie grenzüberschreitend die von der Neuregelung betroffenen Leistungen erbringen. Der Kundenkreis sollte überprüft werden um festzustellen, ob die einschlägigen Dienstleistungen in unterschiedlichen EU-Staaten an Privatpersonen erbracht werden. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich auch, die betreffenden elektronischen Dienstleistungen von anderen Leistungen genau abzugrenzen. Des Weiteren sollten sich die Unternehmer - unter pragmatischen Gesichtspunkten - frühzeitig entscheiden, welche Vorgehensweise für sie sinnvoller wäre: den Mini-One-Stop-Shop-Mechanismus zu nutzen und sich daher für das besondere Verfahren in dem Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 31.12.2014 beim BZSt anzumelden oder, alternativ, sich in den jeweiligen Empfängerländern registrieren zu lassen.
Je nachdem, welche Entscheidung getroffen wird, sollten die internen Prozesse und die IT-Systeme im Unternehmen rechtzeitig umgestellt sowie die erforderlichen Informationen beschafft und eingepflegt werden. Die Unterschiede in den Steuersätzen sowie in den Rechnungsanforderungen in den jeweiligen EU-Ländern sollten in Betracht gezogen werden. Anschließend es ist auch empfehlenswert, die betriebswirtschaftlichen Folgen der neuen Regelung abzuschätzen.
Betroffene Normen
§ 3a Abs. 4 u. 5 UStG
§ 18 UStG
§ 18h –neu- UStG
Weiterer Beitrag
Fundstellen
Beschlussempfehlung Finanzausschuss Bundestag, BT-Drs. 18/1995
Bundestag, Gesetzesbeschluss, BR.-Drs. 291/14
EU-Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer vom 23.10.2013
Mehrwertsteuer auf elektronische Dienstleistungen neu geregelt, BMF Pressemitteilung vom 11.07.2014
Endert, Trinks: Elektronische Dienstleistungen in der Umsatzsteuer – Praxisprobleme und aktuelle Entwicklungen, SteuK 2013, 397.
Weitere Fundstellen
Stellungnahme Bundesrat und Gegenäußerung Bundesregierung, BT-Drs. 18/1776 vom 18.06.2014, siehe Deloitte Tax-News
Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates zum Entwurf des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BR-Drs. 184/1/14
Regierungsentwurf: Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, siehe Deloitte Tax-News
EU-Verordnung Nr. 967/2012 vom 9. Oktober 2012 zur Änderung der Durchführungsverordnung Nr. 282/211 hinsichtlich der Sonderregelungen für nicht ansässige Steuerpflichtige, die Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen
EU-Durchführungsverordnung Nr. 1042/2013 vom 7. Oktober 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 bezüglich des Ortes der Dienstleistung