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09.03.2012
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Abgrenzungskriterien für die Inanspruchnahme des stromsteuerlichen Herstellungsprivilegs

Die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG wird nur für den Strom gewährt, dessen Verwendung mit der Stromerzeugung in einem engen Zusammenhang steht und der für die Aufrechterhaltung des Betriebs der Anlage erforderlich ist.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte betrieb u.a. eine Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage (MKV), mit der sie Strom erzeugte. Neben einer Rauchgasanlage, in der das bei der Verbrennung entstandene Rauchgas gereinigt wird, waren im Kesselgebäude der MKV zahlreiche technische Schalt- und Regelungsanlagen installiert. Die Umgebungstemperatur für einen störungsfreien Betrieb durfte höchstens 40° C betragen. Ferner befanden sich im Kesselgebäude fensterlose Räume, in denen sich das Bedienungspersonal rund um die Uhr aufhielt und die aus arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Gründen mit einer Beleuchtungsanlage und einer Klimaanlage versehen waren. Im Einzelnen handelte es sich um die Schaltanlagen, die Warte, den Gleichrichterraum, den Batterieraum, den Relaisraum und die Arbeits- und Sozialräume für das im 3-Schichtenbetrieb arbeitende Bedienungspersonal. Ferner setzte die Klägerin zur fachgerechten Entsorgung einer Gipssuspension aus den Filtern der Rauchgasreinigungsanlage zwei elektrisch betriebene Zentrifugen ein. Mit diesen Zentrifugen wurde der Wasseranteil von 70 % auf 20 % reduziert und aufgrund von Nebenbestimmungen zur Betriebsgenehmigung auf einer Sonderdeponie entsorgt.

Die Klägerin nahm für die verbrauchten Strommengen das Herstellerprivileg in § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG in Anspruch. Das beklagte Hauptzollamt (HZA) kam im Rahmen einer Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass die Stromverbräuche zur Beleuchtung und zur Klimatisierung sowie zum Antrieb der beiden Zentrifugen nicht mehr als zur Stromerzeugung im technischen Sinne zugeordnet werden können. Der Beklagte erhob mit Bescheid vom 27.10.2008 für die vorgenannten Verbräuche Stromsteuer nach. Den dagegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte zurück. Das Finanzgericht hingegen gab der von der Klägerin erhobenen Klage im vollem Umfang statt, da er für die beschriebenen Zwecke eingesetzte Strom von der Klägerin zur Stromerzeugung in Neben- und Hilfsanlagen der Stromerzeugungseinheit im technischen Sinne verbraucht habe (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV).

Gegen das Urteil des Finanzgerichts erhob das beklagte Finanzamt Revision beim Bundesfinanzhof.

Entscheidung

Der BFH hielt die Revision des Hauptzollamtes für begründet, hob das Urteil des Finanzgerichtes auf und wies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Klägerin hinsichtlich des für die Beleuchtung und Klimatisierung von Arbeits- und Sozialräumen verwendeten Stroms eine Steuerbefreiung unabhängig davon zustehe, ob die Verwendung des Stroms aufgrund der besonderen Gegebenheiten des Kraftwerkbetriebs erforderlich ist oder auf Umständen beruht die bei jedem Herstellungsbetrieb angetroffen werden können.

§ 9 Abs. 8 Satz 1 StromStG befreit den Strom von der Stromsteuer, der zur Stromerzeugung entnommen wird. § 12 Abs. 1 StromStV konkretisiert das Merkmal Strom zur Stromerzeugung. Danach wird der Strom, der u.a. in Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit insb. zur Wasseraufbereitung, Dampferzeugerwasserspeisung, Frischluftversorgung, Brennstoffversorgung oder Rauchgasreinigung verbraucht wird, der Erzeugung von Strom im technischen Sinne zugeordnet. § 12 Abs. 1 StromStV enthält eine nicht als abschließend zu betrachtende Aufzählung von Neben- und Hilfsanlagen. Der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass nur die Strommengen von der Steuer befreit sind, deren Verwendung in einem engen Zusammenhang mit der Stromerzeugung stehen. Der BFH führt aus, dass der Strom zur Stromerzeugung entnommen wird, der erforderlich ist, um die Generatorenleistung zu ermöglichen. Folglich sind solche Neben- und Hilfseinrichtungen in die Begünstigung mit einzubeziehen, ohne die eine Stromerzeugungslange nicht betrieben werden kann. Der BFH hatte bereits mit Urteil vom 09.09.2011, VII R 75/10, siehe Deloitte Tax-News) entschieden, dass Anlagen, die bei isolierter Betrachtung des Kraftwerkbetriebs nicht erforderlich sind, um die Stromerzeugung aufrecht zu erhalten, nicht der Stromerzeugung dienen.

Der Gesetzgeber habe in § 12 Abs. 1 StromStV die Anlagenbestandteile definiert, die zur Stromerzeugung notwendig sind. Neben den dort definierten Anlagen sind ferner solche Anlagen mit in die Begünstigung einzubeziehen, ohne die ein Kraftwerk nach den atomrechtlichen, gewerberechtlichen, umweltrechtlichen, wasserrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Auflagen überhaupt nicht betrieben werden kann. Maßgebendes Kriterium sind neben den technischen Erfordernissen die rechtlichen Anforderungen an den Betrieb einer Stromerzeugungsanlage. Hingegen sind Anlagen oder Anlagenbestandteile, denen im Hinblick auf die Stromerzeugung keine betriebsnotwendige Bedeutung zukommt, von der Stromsteuerbegünstigung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG auszuschließen. Zu den letztgenannten Einrichtungen gehören beispielsweise Einrichtungen zu Freizeitgestaltungen der Beschäftigten oder Kantinen.

Der BFH hat im Ergebnis die von der Klägerin begehrte Steuerbefreiung teilweise versagt. Einer rein technischen Betrachtung hat der BFH jedoch eine Absage erteilt. Es bedarf vielmehr jeweils einer Prüfung im Einzelfall, ob und inwieweit die Räume, die beleuchtet bzw. klimatisiert werden und die darin ausgeführten Tätigkeiten für den Betrieb einer solchen Anlage notwendig sind oder ob es sich um Räumlichkeiten handelt, in denen lediglich Arbeiten ausgeführt werden, die auch in einem anderen Herstellungsbetrieb anfallen können.

Folglich hat der BFH die Stromverbräuche für die Beleuchtung und Klimatisierung der vom Bedienpersonal genutzten des Kesselhauses als steuerbegünstigt ansehen. Ohne die im Kesselhaus untergebrachten Schaltanlagen, die Warte, den Gleichrichterraum, den Batterieraum und den Relaisraum kann die MKV nicht betrieben werden. Folglich sei der zur Beleuchtung und Klimatisierung dieser Räume verwendete Strom erforderlich um die Fähigkeit der Stromerzeugung aufrecht zu erhalten.

Gleiches galt im vorliegenden Fall für den Betrieb der Zentrifugen verwendeten Stroms, da in den Nebenbestimmungen zur Betriebsgenehmigung der Stromerzeugungsanlage die Entwässerung des Gipses ausdrücklich genannt war und ohne die Entwässerung des anfallenden Gipses die Anlage nicht betrieben werden konnte. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin ein anderes Unternehmen mit der Entwässerung des Gipses hätte beauftragen können.

Der BFH stellet im vorliegenden Fall Grundsätze auf, für welche Stromverbräuche das Herstellerprivileg nach § 9 Abs. 1.Nr. 2 StromStG in Anspruch genommen werden kann.

Zur Vermeidung von empfindlichen Stromsteuernachzahlungen sollten die Stromverbräuche der Unternehmen, die das Herstellerprivileg des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG in Anspruch nehmen, daher auf den Prüfstand gestellt werden. Neben der Erfassung der einzelnen Stromverbräuche ist eine Dokumentation der Anlage sowie deren Bestandteile und Einrichtungen im Hinblick auf die gesetzlichen Vorschriften und öffentlich-rechtlichen Auflagen, Nebenbestimmungen sowie arbeitsrechtlicher Vorschriften betreffend den Betrieb der Stromerzeugungsanlage für den Fortbestand der Inanspruchnahme des Herstellerprivilegs mit Sicherheit nicht nur förderlich, sondern zwingend erforderlich.

Betroffene Norm

§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG
§ 12 Abs. 1 StromStV

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.12.2011, VII R 73/10

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Ansprechpartner

Tino Wunderlich I Berlin
Olaf Kaping I Berlin

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