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22.03.2023
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: EuGH-Vorlage zur Besteuerung von Gutscheinen über digitale Inhalte

Kommt es für das Feststehen des Leistungsorts bei Gutscheinen über an Endverbraucher zu erbringende elektronische Leistungen auf die vorherige Gutscheinübertragungen in grenzüberschreitenden Vertriebsketten an?

​Hintergrund

 it dem JStG 2018 wurden die unionsrechtlichen Vorgaben zu Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen zum 01.01.2019 in § 3 Abs. 13 bis 15 UStG umgesetzt (Deloitte Tax-News). Bis zum 31.12.2018 unterlagen Waren- bzw. Sachgutscheine der Anzahlungsbesteuerung. Für nach dem 31.12.2018 ausgestellte Gutscheine ist zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen zu unterscheiden. Während bei Einzweck-Gutscheinen, die Ausgabe und Übertragung steuerbar ist und die Ausführung der im Gutschein verkörperten Leistung umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich ist, kommt es bei Mehrzweck-Gutscheinen auf die Erbringung der im Gutschein verkörperten Leistung an. Ein Einzweck-Gutschein setzt gem. § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG (vgl. Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL) voraus, dass der Ort der Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die geschuldete Umsatzsteuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor.

Nachdem sich der EuGH erstmals mit der neuen Rechtslage im Zusammenhang mit der Ausgabe von Stadtkarten im Fall DSAB Destination Stockholm befasst hat (EuGH, Urt. v. 28.04.2022, C-637/20, Deloitte Tax-News), bietet sich ihm nunmehr die Gelegenheit, die unionsrechtlichen Gutscheinvorschriften bei Mehrfachübertragungen von Gutscheinen über digitale Inhalte zu konkretisieren. Die Frage, ob es für das Vorliegen von Einzweck-Gutscheinen über elektronische Leistungen an Nichtunternehmer für den feststehenden Leistungsort auf die Gutscheineinlösung oder vorausgehende Gutscheinübertragungen in grenzüberschreitenden Vertriebsketten ankommt, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt.

Sachverhalt

Die Klägerin verkauft über ihren Onlineshop Guthabenkarten und Gutscheincodes, die mit einer Länderkennung versehen sind und die Endverbraucher zum Erwerb digitaler Inhalte berechtigen. Der Herausgeber der Gutscheine ist in London ansässig. Die Klägerin bezog die Karten bis 2018 über im Inland ansässige Zwischenhändler, später aus dem EU-Ausland. Sie erklärte keine innergemeinschaftlichen Erwerbe und behandelte die Übertragungen der Karten an die Endkunden als nicht steuerbare Wert- oder Mehrzweck-Gutscheine. Die Angabe der Länderkennung des Endkunden reicht nach Ansicht der Klägerin nicht zur Bestimmung des Leistungsorts aus. Auch im Ausland ansässige Nutzer können entgegen den Nutzungsbedingungen die Karten mit deutscher Kennung kaufen und nutzen. Eine Überprüfung der Nutzerangaben findet nicht statt.

Das Finanzamt sah die Umsätze der Klägerin mit den X-Cards als im Inland steuerbar an, da aus der Länderkennung folge, dass der Leistungsort im Inland liegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ging auch das FG für nach dem 31.12.2018 ausgestellte Codes von Einzweck-Gutscheinen aus, deren Übertragung eine sonstige Leistung darstellt und deren hinreichend bestimmbarer Leistungsort im Inland liegt.

Rechtslage bis zum 31.12.2018 (BFH XI R 11/21)

Nach der bis zu 31.12.2018 geltenden Rechtslage unterliegt die Übertragung der Karten nach dem BFH der Anzahlungsbesteuerung (BFH, Beschluss vom 29.11.2022, XI R 11/21). Auf Gutscheine, die bis zum 31.12.2018 ausgestellt wurden, findet § 3 Abs. 13 bis 15 UStG keine Anwendung. Guthabenkarten, die auf eine bestimmte Leistung ausgerichtet sind, sind als Warengutscheine einzuordnen. Der Leistungsgegenstand ist nach dem BFH hinreichend bestimmbar. Die Gutscheine mit deutscher Länderkennung berechtigen ausschließlich zum Bezug elektronischer Dienstleistungen durch im Inland ansässige Endverbraucher, so dass sich der Leistungsort bei vertragsgemäßem Verhalten im Inland befindet. Für den Fall der Identitäts- oder Wohnsitztäuschung ist vertraglich die Sperrung des Nutzerkontos und der Verfall des Guthabens angedroht, so dass der BFH ausschließlich auf den Regelfall der vertragsgemäßen Nutzung abstellt.

Rechtslage ab dem 01.01.2019 – Vorabentscheidungsersuchen (BFH XI R 21/21)

Für die Besteuerung der nach dem 31.12.2018 ausgegebenen Karten ersucht der BFH den EuGH um Vorabentscheidung (BFH, Beschl. v. 03.11.22, XI R 21/21).

Zwar sind die Einwendungen der Klägerin zum nicht hinreichend bestimmten Wohnsitz der Endkunden nach dem BFH unbeachtlich. Für die Einordnung als Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein kommt es nicht auf einen möglichen, bestimmungswidrigen Gebrauch der Gutscheine durch vertragswidriges Verhalten der Endkunden an, indem diese eine falsche Länderkennung eingeben, sondern nur auf die vertragsgemäße Nutzung. Aufgrund der im Gutschein verkörperten, an Nichtunternehmer zu erbringenden elektronischen Leistungen ordnet der BFH die Karten auch grundsätzlich als Einzweck-Gutscheine ein. Zweifel an dieser Einordnung bestehen aber dahingehend, ob sich das für die Annahme eines Einzwecks-Gutschein bestehende Erfordernis des Feststehens des Leistungsorts ausschließlich nach der im Gutschein verkörperten Leistung beurteilt oder sich auch auf eine vorausgehende Gutscheinübertragung an im EU-Ausland ansässige Zwischenhändler erstreckt. Käme es allein auf die im Gutschein verkörperte Leistung an, lägen Einzweck-Gutscheine vor, die sich auf eine im Inland steuerbare elektronische Leistung an im Inland ansässige Nichtunternehmer beziehen. Kommt es für den Leistungsort hingegen auf die vorausgehenden Übertragungen an ausländische Zwischenhändler an, führten die Übertragungen zu einem im Ausland steuerbaren Umsatz, so dass der Leistungsort nicht mehr feststeht. In der Folge lägen Mehrzweck-Gutscheine vor.

Vorlagefragen

Der EuGH soll klären, ob ein Einzweck-Gutschein vorliegt, wenn der Ort der Leistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, insoweit feststeht, als diese Leistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats an Verbraucher erbracht werden sollen, aber die Übertragung des Gutscheins zwischen Unternehmern zu einer Leistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats führt.

Für den Fall, dass ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt, will der BFH vom EuGH wissen, ob sich eine Besteuerung der Übertragung trotz der in Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL geregelten Nichtsteuerbarkeit aus anderen Rechtsgründen ergeben kann.

Anmerkung

Die Entscheidung, ob sich das für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins bestehende Erfordernis, dass der Leistungsort feststehen muss, nur auf die Ausgabe oder auch auf eine vorausgehende Übertragung zwischen Unternehmern bezieht, ist von erheblicher Bedeutung. Hängt der Leistungsort von der Eigenschaft des Leistungsempfängers ab, stellt sich die Frage, ob grundsätzlich kein Einzweckgutschein vorliegen kann, wenn in der Übertragungskette auch Unternehmer eingebunden sind, unabhängig davon, dass die Gutscheine immer von Nichtunternehmern eingelöst werden. Die Folge wäre, dass es kaum noch Anwendungsfälle für Einzweckgutscheine gäbe. Nach der gegenteiligen Auffassung müssten hingegen alle Transaktionen (B2B und B2C) auf jeder Vertriebsstufe als elektronisch erbrachte Dienstleistung an Nichtunternehmer versteuert werden. Liegt hingegen ein Mehrzweckgutschein vor, stellt sich die Frage, ob die Fiktion (Art. 30b Abs. 2 MwStSystRL), wonach jede der Einlösung des Gutscheins vorausgehende Übertragung steuerfrei bleibt, einer anderweitig begründeten Steuerpflicht der Übertragungsvorgänge entgegensteht.

Unternehmen sollten für Gutscheine, über an Nichtunternehmer zu erbringende elektronische Leistungen, die nach dem 31.12.2018 ausgestellt wurden, die grenzüberschreitend an Zwischenhändler übertragen werden, die Veranlagungszeiträume bei vergleichbaren Sachverhaltsgestaltungen durch Einlegung eines Einspruchs offenhalten. Gutscheinaussteller sollten, je nach Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens, ihre Gutscheinbedingungen überprüfen und insbesondere die Definition der vertragsgemäßen Nutzung anpassen. ​

Betroffene Normen

§ 3 Abs. 13, Abs. 14 Sätze 1 und 2 UStG, § 3a Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 3 UStG, Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL, Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1, Abs.2 Unterabs. 1 MwStSystRL

Fundstellen

BFH, EuGH-Vorlage vom 03.11.2022, XI R 21/21
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.03.2021, 4 K 62/19​

 

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

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