BFH: EuGH-Vorlage zur Rabattgewährung durch Reisebüros
Mit Urteil vom 16.01.2014 hat der EuGH entschieden, dass Preisnachlässe, die ein Reisebüro (als Vermittler einer Reiseleistung) dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird, nicht zu einer Minderung des Entgelts für die vom Vermittler an den Reiseveranstalter erbrachten Dienstleistungen führen. Dementsprechend hob der BFH mit Urteil vom 27.02.2014 (siehe Deloitte Tax-News), das Urteil des FG Düsseldorf vom 23.03.2011 auf und wies die Klage – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – ab.
BFH, Urteil vom 27.02.2014, V R 18/11, siehe Deloitte Tax-News
EuGH, Urteil vom 16.01.2014, C 300/12
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BFH (Vorlagebeschluss)
Der BFH hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Reisebüro, das als Vermittler für einen Reiseveranstalter tätig ist und einem Reisekunden einen selbst finanzierten Preisnachlass gewährt, zu einer Minderung seiner Umsatzsteuerschuld berechtigt ist. Der BFH hat dies in der Vergangenheit bejaht, hat aber Zweifel, ob seine bisherige Auslegung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Der dem EuGH vorgelegten Rechtsfrage kommt erhebliche Bedeutung zu, da sie nicht nur die Reisebranche in Deutschland betrifft, sondern sich ebenso auf andere Bereiche auswirken kann, in denen Waren wie z.B. Pkws oder Dienstleistungen über Vermittler verkauft werden. Das Urteil des EuGH dürfte zu einer unionsweiten Vereinheitlichung führen.
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist Unternehmerin und erbringt Vermittlungsleistungen, bei denen es sich um sog. Reiseleistungen handelte, die Reiseveranstalter an Reisekunden erbrachten. Für die steuerpflichtigen Vermittlungsleistungen, die die Klägerin an die Reiseveranstalter erbrachte, erhielt sie von den Reiseveranstaltern die vereinbarten Provisionen. Gegenüber den Reisekunden gewährte die Klägerin Preisnachlässe, die im Ergebnis ihre Provisionen entsprechend schmälerten. Sie war der Auffassung, dass die Provisionen für die Streitjahre 2002 bis 2005 nicht in vollem Umfang zu versteuern seien, da die Gewährung der Preisnachlässe an die Reisekunden gemäß § 17 UStG zu einer Minderung der an die Reiseveranstalter erbrachten Vermittlungsleistungen geführt habe.
Dem schloss sich das Finanzamt nur insoweit an, als die von den Reiseveranstaltern erbrachten Leistungen steuerpflichtig waren. Soweit die durch die Reiseveranstalter erbrachten Leistungen steuerfrei waren, lehnte das Finanzamt eine Minderung der Besteuerungsgrundlage ab. Hiergegen legte die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage ein, der das FG stattgab. Gegen das Urteil des FG wendet sich das Finanzamt mit dem Rechtsmittel der Revision.
Entscheidung
Der BFH ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass - entsprechend der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 24.10.1996 - ein Reisebüro, das als Vermittler für einen Reiseveranstalter tätig ist und einem Reisekunden einen selbst finanzierten Preisnachlass gewährt, zu einer Minderung seiner Umsatzsteuerschuld berechtigt ist. Die Bemessungsgrundlage der von einem Vermittler an einen Reiseveranstalter erbrachten Vermittlungsleistung mindert sich danach um den Betrag, der dem Endverbraucher (Reisekunde) von dem Vermittler vergütet wird, ohne dass sich dadurch der Vorsteuerabzug des Reiseveranstalters für die von dem Vermittler in Rechnung gestellte Vermittlungsleistung ändert und ohne dass es dadurch für den Vermittler zu einer Steuerschuld aufgrund eines Steuerausweises in einer Rechnung kommt. Im Gesamtergebnis erhält der Fiskus damit die Umsatzsteuer, die in dem vom Endverbraucher aufgewendeten Betrag enthalten ist (vgl. Urteile des BFH vom 12.01.2006 und 13.07.2006).
Der BFH hat nun Zweifel, ob seine bisherige Auslegung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Diese Zweifel ergeben sich daraus, dass Vermittlungsleistungen nicht Teil einer "Vertriebskette" sind, bei der "gleichartige Waren" mehrfach und unter denselben steuerlichen Bedingungen geliefert werden. Der BFH geht davon aus, dass der mehrfachen Lieferung einer Ware auch die mehrfache Erbringung einer Dienstleistung gleichzustellen ist.
Anders könnte es aber sein, wenn es sich bei den mehrfach erbrachten Leistungen um Umsätze unterschiedlicher Art handelt, die jeweils eigenständigen steuerrechtlichen Bedingungen unterliegen. Dies trifft auf das Verhältnis von Vermittlungsleistungen (hier: Leistung der Klägerin) zu den vermittelten Leistungen (hier: Reiseumsatz des Reiseveranstalters) zu. Erbringt z.B. ein im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Reiseveranstalter eine Reiseleistung ausschließlich im Drittlandsgebiet, ist die Reiseleistung steuerfrei (Art. 26 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG); sie gilt aber gleichwohl als im Inland erbracht (Art. 26 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Ist ein Vermittler beim Absatz dieser Reiseleistung tätig, ist auf seine Leistung diese Sonderregelung nicht anzuwenden (Art. 26 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Der Vermittler unterliegt vielmehr der allgemeinen Besteuerung und erbringt seine Leistung am Ort des vermittelten Umsatzes (Art. 28b Teil E Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit am Ort der Ansässigkeit des Reiseveranstalters. Aus dem Vorliegen eines inländischen Leistungsorts für den vermittelten Reiseumsatz folgt dabei die Steuerpflicht der Vermittlungsleistung. Denn Vermittlungsleistungen sind - anders als der vermittelte Reiseumsatz - nur steuerfrei, wenn sie "Umsätze außerhalb der Gemeinschaft betreffen" (Art. 15 Nr. 14 der Richtlinie 77/388/EWG); daran fehlt es aber aufgrund des inländischen Leistungsorts des vermittelten Reiseumsatzes. Auch die Steuerbefreiung nach Art. 26 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ist auf die Vermittlung nicht anzuwenden.
Auch kann der Vermittler möglicherweise die Bemessungsgrundlage nur aufgrund der Kalkulationsgrundlagen des Reiseveranstalters, nicht dagegen allein auf der Grundlage seiner eigenen Unterlagen ermitteln. Im Hinblick auf die ohnehin schon hohe Komplexität des Mehrwertsteuersystems könnte auch dies es rechtfertigen, die Vermittlungsleistung und den vermittelten Umsatz nicht als "gleichartig" und nicht als in einer "Vertriebskette" erbracht anzusehen, so dass die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 24.10.1996 nicht anzuwenden sind.
Anmerkungen
EuGH-Urteil vom 16.01.2014, C-300/12
Mit Urteil vom 16.01.2014 hat der EuGH entschieden, dass Preisnachlässe, die ein Reisebüro (als Vermittler einer Reiseleistung) dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird, nicht zu einer Minderung des Entgelts für die vom Vermittler an den Reiseveranstalter erbrachten Dienstleistungen führen. Dementsprechend hob der BFH mit Urteil vom 27.02.2014 (siehe Deloitte Tax-News), das Urteil des FG Düsseldorf vom 23.03.2011 auf und wies die Klage – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – ab.
EuGH, Urteil vom 16.01.2014, C 300/12
BMF, Schreiben vom 27.01.2015
Das BMF schließt sich unter Aufgabe seiner bisherigen Auffassung der Rechtsprechung des BFH/EuGH an, wonach es nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage kommt, wenn ein Vermittler dem Empfänger des von ihm vermittelten Umsatzes einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet. Folglich führt der Preisnachlass auch nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Kunden (BFH-Urteil vom 03.07.2014).
BMF, Schreiben vom 27.02.2015, IV D 2 - S 7200/07/10003
Betroffene Norm
§ 17 UStG
Streitjahre 2002 bis 2005
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 23.03.2011, 5 K 3298/08 U, EFG 2011, S. 2022
Fundstelle
BFH, Urteil vom 27.02.2014, V R 18/11, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 26.04.2012, V R 18/11
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 27.02.2015, IV D 2 - S 7200/07/10003
BFH, Urteil vom 03.07.2014, V R 3/12
EuGH, urteil vom 16.01.2014, C 300/12
EuGH, Urteil vom 24.10.1996, C-317/94, Elida Gibbs, Slg. 1996, I-5339
BFH, Urteil vom 12.01.2006, V R 3/04, BStBl II 2006, S. 479
BFH, Urteil vom 13.07.2006, V R 46/05, BStBl II 2007, S. 186
Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG)