BFH: Insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot bei unberechtigtem Steuerausweis i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG
Sachverhalt
Gegenstand des Rechtsstreits war die Frage, ob das insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot auch die Aufrechnung von Steuerforderungen vor Insolvenzeröffnung mit Forderungen gegen das Finanzamt aus der Berichtigung des unberechtigten Steuerausweises erfasst, wenn die Berichtigung erst nach Insolvenzeröffnung erfolgte.
Vorliegend hatte der spätere Insolvenzschuldner nicht ausgeführte Lieferungen mit Umsatzsteuer abgerechnet. Über das Vermögen des Rechnungsausstellers wurde im darauffolgenden Jahr das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Abschluss des Einspruchs- und Klageverfahrens, in dem der ursprüngliche Rechnungsempfänger vergeblich versucht hatte, den Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen geltend zu machen, korrigierte der Insolvenzschuldner Jahre später den Steuerbetrag um den unberechtigt ausgewiesenen Betrag in seiner Steuererklärung. Den daraus resultierenden Steuererstattungsanspruch rechnete das Finanzsamt gegen die Steuerforderungen aus dem Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Zeitpunkt der Rechnungsstellung) mit der Begründung auf, dass eine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens nicht bestanden habe (vgl. Abschn. 14c. 2 Abs. 5 S.6 UStAE), da der Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug nicht habe geltend machen können.
Entscheidung
In seiner Entscheidung folgt der BFH dieser Argumentation nicht, sondern führt aus, dass erst die rechtskräftige Entscheidung über den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers die Gefahr eines unberechtigten Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen beseitigt hat. Der Anspruch auf Umsatzsteuererstattung des Insolvenzschuldners entsteht damit erst nach Abschluss des Berichtigungsverfahrens (vorliegend nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens). Die Aufrechnung des Finanzamts aufgrund der Berichtigung ist damit insolvenzrechtlich ausgeschlossen. Auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Senatex (vgl. Deloitte Tax-News, Urteil vom 15.09.2016, C-518/14) führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegensatz zur rückwirkenden Berichtigung einer fehlerhaften Rechnung ist eine rückwirkende Berichtigung der nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldeten Steuer gerade nicht möglich.
Anmerkung
Mit der vorliegenden Entscheidung gibt der Senat seine bisherige Rechtsprechung nach der der Erstattungsanspruch bereits mit Ausgabe der Rechnung insolvenzrechtlich begründet ist (vgl. BFH Urteil vom 04.02.2005, VII R 20/04) auf und schließt sich seiner Rechtsprechung zu § 17 Abs. 2 UStG an (vgl. BFH Urteil vom 25.07.20012, VII R 29/11). Danach sind Ansprüche aufgrund der Berichtigung nach § 17 Abs. 2 UStG insolvenzrechtlich erst dann begründet, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Für den Fall des § 14c Abs. 2 UStG folgt daraus, dass der Erstattungsanspruch erst nach Abschluss des Berichtigungsverfahrens entsteht. Der BFH wendet sich mit seiner Entscheidung auch gegen die bislang geltende Finanzverwaltungsauffassung in Abschn. 14c Abs. 5 Satz 6 UStAE, nach der die Berichtigung rückwirkend in dem Voranmeldungszeitraum der Rechnungsausgabe vorzunehmen ist, wenn der Rechnungsempfänger keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat und stellt klar, dass dies mit § 14c Abs. 2 UStG nicht vereinbar ist. Ebenso wie der BFH bereits mit Urteil vom 12.10.2016, XI R 43/14 die Rückwirkung in den Fällen des zu hohen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 UStG verneint hat, kommt er auch vorliegend zu dem Ergebnis, dass insbesondere die EuGH Rechtsprechung in der Rechtssache Senatex nicht auf die Fälle des § 14c Abs. 2 UStG übertragbar ist, da die Berichtigung einer fehlerhaften Rechnung nicht mit einer Berichtigung nach § 14c Abs. 2 UStG vergleichbar ist.
Betroffene Norm
§ 14c Abs. 2 UStG; § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO
Vorinstanz
FG Hamburg, 25.11.2016, 6 K 167/15
Fundstelle
BFH, Urteil vom 08.11.2016, VII R 34/15
Weiterführende Literatur
Insolvenz und Umsatzsteuer, Wäger, DStR 2011, 1925