BFH: Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung in Bauträgerfällen
Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann (zu seinem Nachteil) geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht
Sachverhalt
Eine GmbH erbrachte in 2012 Mauerarbeiten gegenüber einer Bauträger-GmbH. Entsprechend der allgemeinen Verwaltungsvorschrift wurde die Bauträger-GmbH vom Finanzamt als steuerpflichtige Leistungsempfängerin in Anspruch genommen. Nach der Veröffentlichung des Urteils des BFH vom 22.08.2013, V R 37/10, die die Übertragung der Steuerschuldnerschaft einengte, beantragte die Bauträger-GmbH die Erstattung der Umsatzsteuer, die sie in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldnerin zu sein. Das Finanzamt setzte daraufhin die Umsatzsteuer gegenüber der GmbH fest. Hiergegen berief sich die GmbH auf den Schutz ihres Vertrauens in die von der Finanzverwaltung praktizierte Rechtslage. Das Finanzgericht billigte die Umsatzsteuerfestsetzung, verpflichtete aber das Finanzamt dazu, das Angebot der GmbH auf Abtretung ihres Anspruchs gegen die Bauträger-GmbH auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer anzunehmen.
Hintergrund
Für vom Bauhandwerker an einen Bauträger erbrachte Bauleistungen kann kraft Sonderregelung der leistungsempfangende Bauträger Umsatzsteuerschuldner sein, was den fiskalischen Erfolg der Umsatzbesteuerung erhöht. Allerdings hatte der BFH eine solche, damals durch Verwaltungsvorschrift konkretisierte, Übertragung der Steuerschuldnerschaft eingeengt (BFH Urteil vom 22.08.2013, V R 37/10). Der Gesetzgeber besserte für die Zukunft nach und schuf eine Übergangsregelung für Altfälle (Stichtag: 15. Februar 2014), um bei Rückerstattung der gezahlten Steuern an den nur vermeintlichen Steuerschuldner (Bauträger) den eigentlichen Steuerschuldner (Bauhandwerker) nachträglich belasten zu können. Nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung daher zu ändern, wenn der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert und beide davon ausgegangen waren, dass der Leistungsempfänger die Steuer auf die vom Leistenden erbrachte Leistung schuldet; darüber hinaus wird in § 27 Abs. 19 Sätze 2 ff. UStG die Erfüllungswirkung der Abtretung des Zahlungsanspruchs des Leistenden gegen den Leistungsempfänger an das Finanzamt geregelt.
Entscheidung
Im Ergebnis bestätigt der BFH die Vorinstanz. Die gesetzliche Übergangsregelung nach § 27 Abs. 19 UStG schließt den allgemeinen Vertrauensschutz gegenüber einer belastenden Änderung nach § 176 Abs. 2 AO aus. Die Rechtslage entspricht nach der Entscheidung des BFH aber nur dann den unionsrechtlichen Prinzipien des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Neutralität, wenn die Befugnis des Finanzamts zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gegen den Leistenden voraussetzt, dass diesem ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger tatsächlich zusteht. Der Bauhandwerker wird auf diese Weise vollständig von der Umsatzsteuer auf seine Leistungen entlastet; er steht dann so, wie er stünde, wenn alles von vornherein richtig beurteilt worden wäre. Darüber hinaus ist das Finanzamt auch verpflichtet, die ihm angebotene Abtretung anzunehmen.
Anmerkung
Die Auslegung vom BFH des § 27 Abs. 19 UStG, nachdem die Änderungsbefugnis der ursprünglichen Steuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer nur gebilligt wird, wenn der leistende Unternehmer einen abtretbaren Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger hat, setzt die Kenntnis der Finanzverwaltung voraus, ob dem Unternehmer ein solcher Anspruch zusteht. Diese Voraussetzung müsste dann bereits im Festsetzungsverfahren und nicht wie bislang erst im Erhebungsverfahren von der jeweiligen Finanzverwaltung zu prüfen sein.
Betroffene Norm
§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG; § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG
Vorinstanz
Finanzgericht Münster vom 15.03.2016, 15 K 1553/15 U
Finanzgericht Münster vom 15.03.2016, 15 K 3669/15 U
Fundstelle
BFH Urteil vom 23.02.2017, V R 16, 24/16